Nicht nur Markus Söder kann sich öffentlichkeitswirksam als Feinschmecker vermarkten. Auch Kamala Harris hat diesen Versuch bereits unternommen.
Wer gerne isst oder selbst kocht, beweist Geschmack, verkörpert Lebensfreude und ist ein guter Gastgeber, der die Menschen liebt. Kurz, dieser Mensch ist sympathisch. Deswegen beschäftigt sich auch ein gewisser Markus Söder, mit Essen. Zumindest haben ihm das seine PR-Berater nahegelegt. Auf seinem Instagram-Account „Söderisst“ postet der bayerische Ministerpräsident regelmäßig Fotos von einfachen Speisen, von denen die Leute denken sollen, dass er auf so etwas steht. Nix für Gourmets aus Bogenhausen, sondern normales Essen: Nürnberger Bratwürste, Pizza, Pommes, Wurstbrot.
Obwohl der geneigte Mainstream regelmäßig und wohlwollend über Söders kulinarische PR-Aktion berichtet, hielt sich die Zahl der Follower bislang in Grenzen. Bis der CSU-Chef in einen Döner biss, jenes Gericht, das von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier jüngst zum deutschen Nationalgericht geadelt wurde. Mit dem Döner-Post „ging die Post ab“, wie das Oberbayerische Volksblatt reimte. In nur vier Wochen wurde das entsprechende Video 125 000 Mal geliked und Söder wäre nicht Söder, wenn er aus dem Schmarren keine wochenlange Kebap-Kampagne machen würde mit Verlosung von 500 „Söderkebap-T-Shirts“ (46 000 Likes), für die 40 000 Menschen Schlange gestanden haben sollen.
Höhepunkt der Aktion war ein Kebap-Essen für zwanzig Auserwählte, die Söder in einer Ethno-Kneipe namens „Django‘s“ in dem als eher normal bekannten Münchner Stadtteil Giesing zum Döneressen einlud. Hier tischt die Familie Imsak orientalische Gerichte auf: Fladenbrot, Falafel, Baklava und (selbstgesteckten) Döner in allen Variationen, was man in Bayern so isst. „Das ist heute der exklusivste Club in Bayern“, sagte Söder laut Pressebericht. „40 000 wollten hierher, nur ihr habt es geschafft. Dann wünschte der Landesvater guten Appetit und versprach noch jedem ein Selfie mit Söder und Döner.
Fress-Masche scheint auch in den USA zu ziehen
Ja, so einfach geht heutzutage Politik. Das weiß auch Annalena Baerbock (588.000 Follower), die statt sich medienwirksam Döner oder Bratwürste reinzuziehen, auf angeblich vom Untergang („Klimakrise“) bedrohten Fidschi-Inseln barfuß am Strand herumstapft. Der Kontrast zu der von Söder in München-Giesing demonstrierten, neubayerischen Normalität könnte kaum größer sein.
Die Fress-Masche scheint auch in den USA zu ziehen, wo gerade Kamala Harris in Rekordgeschwindigkeit zur Lichtgestalt avanciert. Das nur knapp misslungene Attentat auf Donald Trump? Längst abgehakt. Jetzt überschlagen sich die Medien im Lobgesang auf eine Vizepräsidentin, von der man bislang wenig gehört hat, obwohl ihr Chef schon längere Zeit als kaum zurechnungsfähig galt und ihr doch eigentlich eine ideale Bühne zur Selbstprofilierung hätte bieten müssen. Eine Frau, die der österreichische „Standard“ vor zwei Jahren als „unbeliebteste Vizepräsidentin aller Zeiten“ bezeichnete und die sich als Generalstaatsanwältin in Kalifornien als besonders gnadenlos erwiesen hatte, vor allem gegenüber Einwanderern, obwohl sie selbst eine indischstämmige Mutter und einen jamaikanischen Vater hat.
Da tut ein bisschen Imagepflege not. Und deshalb wird Kamala jetzt auch als „ausgezeichnete und leidenschaftliche Köchin“ vermarktet. Auf ihrem offiziellen Youtube-Kanal gibt es die Serie „Cooking with Kamala“, aufgenommen zu einer Zeit, als sie Senatorin von Kalifornien war und für die Vizepräsidentschaft kandidierte. In sieben Videoclips sieht man sie mit Anhängern der demokratischen Partei und Schauspielern Familienrezepte austauschen, etwa Pancakes mit einem Topping aus gebratenen Äpfeln und Bacon, aromatisiert mit Bourbon-Whisky und Muskatnuss und viel nahbarem Gelächter.
Plätzchenbacken als Zeichen von Stärke
Begeistert reportiert eine Autorin der „Süddeutschen Zeitung“, wie sie in diesen Videos „gekonnt“ verquirlte Eier mit Zucker verrührt oder Tipps für ein Thunfischsandwich gibt. Auch alte Kamala-Zitate zum Thema werden wieder hervorgekramt. Kochen sei für sie Stressbewältigung, sagte sie 2011 der Zeitschrift „Harper’s Bazar“. „Ich liebe, es auf Märkte zu gehen, Kochbücher zu lesen und Menschen zu bekochen. Und Gott sei Dank, meine Familie liebt es, zu essen.“
Dass eine Frau mit Migrationshintergrund überhaupt in aller Öffentlichkeit kochen darf, ist bemerkenswert eingedenk der Tatsache, dass Hausmädchen und Köchinnen in den USA früher oft aus dem (schwarzen) Prekariat stammten. Doch bei Kamela ist alles anders. „Backt sie Plätzchen, ist das ein Zeichen von Stärke“, beruhigt die Süddeutsche ihre möglicherweise von so viel verstaubten Hausfrauenklischess indignierte Leserschaft.
Fragt sich nur, ob Kamala in der Washingtoner Blase nicht längst schon in andere kulinarische Sphären abgedriftet ist. „Für ihre Liebe zum Wolfsbarsch und das Fine Dining sei sie bereits bekannt“, zitiert die SZ eine offenbar bestens mit den Vorlieben der amtierenden US-Vizepräsidentin vertraute Professorin an der Humboldt-Universität Berlin, Fachgebiet englische und amerikanische Kultur mit Schwerpunkt postkoloniale Studien unterrichtet. „Wird sie die zugängliche und nahbare Kamala bleiben?
Vielleicht nimmt sie sich ja mal ein Beispiel an Markus Söder.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mitgegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.