Georg Etscheit / 27.11.2022 / 14:00 / Foto: Pixabay / 8 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Kalbsleber „Berliner Art“

Der Genuss von Leber und sonstigen Innereien ist eine ökologisch und ethisch sinnvolle Form der Ganztierverwertung, bei der eben nicht nur die zartesten und vermeintlich feinsten Stücke auf den Teller kommen, sondern auch das, was auf den ersten Bissen weniger attraktiv erscheint.

Die fränkische Wurst- und Fleischkultur ist berühmt, ganz im Gegensatz zu jener in Shithole-Berlin, das nur Buletten, Currywurst und vegane Ersatzprodukte zu bieten hat: Schäuferla, fränkischer Sauerbraten, Rouladen und Würste aller Art – geräucherte Leberwurst, deftiger Bauern-Presssack, fränkische Stadtwurst und knackig-geräucherte Bratwürste verschiedener regionaler Herkünfte etwa aus Coburg, Bamberg oder Regensburg. Das ist der Himmel für Menschen, die gerne Fleisch essen, in allen Varianten der Metzgerskunst.

Wer einen Metzgerladen mit einer solchen Vielfalt an deftigen Fleischgenüssen betritt, sollte nicht nach Bio-Hähnchenbrust fragen, wie jüngst eine Reporterin der Süddeutschen Zeitung erfuhr, deren Ansinnen dort offenbar auf Unverständnis stieß, weswegen sie sich nachher in einer bemüht heiteren Glosse rächte, indem sie sich über jene echauffierte, die „so gerne“ Leberwürste aufs Brot streichen oder, Gipfel der Unverschämtheit, „gebratene Leber mit Äpfeln und Zwiebeln“ zu ihren Leibspeisen zählen.

Auf Foodblogs friste die Leber ein Nischendasein, fiel der Journalistin noch auf. Wohlan, der Dame kann geholfen werden.

Eine ganz besondere Delikatesse

Zunächst einmal: Politisch korrekter als eine Hühnerbrust ist Leber allemal. Obwohl Hühnerbrust meist trocken daherkommt und recht fad schmeckt, was von ihrem geringen Fettgehalt herrührt, gilt dieses Stück weißen Fleisches, von den Franzosen als „suprême“ bezeichnet, als das Beste vom Huhn, wobei sich beim Verzehr die Frage stellt, was mit dem Rest des Tieres passieren soll, den Flügeln, den Keulen, dem Fleisch, das an der Karkasse hängt, den Innereien.

Der Genuss von Leber und sonstigen Innereien hingegen ist eine ökologisch und ethisch sinnvolle Form der Ganztierverwertung, bei der eben nicht nur die zartesten und vermeintlich feinsten Stücke auf den Teller kommen, sondern auch das, was auf den ersten Blick oder Bissen weniger attraktiv erscheint. Wie der bei den Franzosen geschätzte Kalbskopf, wobei wahre Kenner vor allem die knorpelige Gallertmasse schätzen, aus der eine „Kalbskopf“-Roulade besteht. Lange genug gekocht, wird der Glibber, wie auch das wenige Muskelfleisch, butterzart und zusammen mit einer pikanten Sauce Gribiche verspeist, die man schnell aus hartgekochten Eiern, Gewürzgurken, Kapern, Senf, Zitronensaft und Olivenöl zusammenrühren kann.

Doch zurück zu den Innereien, von denen zumindest bei deutschen Hausfrauen und -männern eigentlich nur Leber und Nieren satisfaktionsfähig sind. In Süddeutschland gibt es zumindest eine gewisse Tradition, als „Vorgericht“ ein „saures Lüngerl“ aufzutischen, und in feinen Restaurants sieht man zuweilen gebackenes Kalbsbries auf der Speisekarte – die Thymusdrüse vom Kalb ist eine ganz besondere Delikatesse. Bei den ebenfalls in Frankreich so beliebten Tripes, in Streifen geschnittenem Pansen von Wiederkäuern, hierzulande als Kutteln oder Kaldaunen bekannt, schreien die meisten Deutschen erst einmal „Iiiiiihhhhh!“, meist ohne so etwas je probiert zu haben.

Mit ihren runden Kulleraugen zu nett

Mein persönlicher Innereien-Favorit neben Bries ist Leber, Kalbsleber natürlich, weil die Leber (wie auch die Niere) ein Entgiftungsorgan ist und nach längerem Einsatz im Körper eines älteren Tieres zu strengen Geschmacksnuancen tendiert. Auch Schweineleber ist lange nicht so delikat wie Kalbsleber.

Es soll Menschen geben, die generell Hemmungen haben, Kalbfleisch oder Kalbsinnereien zu verzehren, weil sie Kälbchen mit ihren runden Kulleraugen zu nett finden, um sie umbringen zu lassen. Doch ohne Kälbchen gibt’s auch keine Milch und all die schönen Sachen, die man daraus macht. Und Kälber, die man für die Milchproduktion nicht brauchen kann, wandern zum Schlachter. Da führt kein Weg vorbei! Wer das nicht möchte, muss zum Veganer werden und darf nur noch Mainstreammedien lesen.

Die Zubereitung einer Scheibe Kalbsleber ist kein Geheimnis, wenn man strikt darauf achtet, das extrem empfindliche Fleisch nur ganz kurz zu garen, ansonsten es schnell zu einem Stück Gummi mutiert. Das ist bei Nieren ähnlich, auch sie reagieren höchst empfindlich auf ein Übermaß an Wärmezufuhr. Man muss die Lebertranchen dann nur von restlichen Häuten und Blutgefäßen befreien, leicht bemehlen, in Butter sanft anbraten und dann im warmen Ofenrohr fertig garen. Sie sollten noch rosa sein, keineswegs durchgebraten.

Innereienskeptiker überlisten

Leber mit ihrem leicht süßlichen Geschmack harmoniert am besten mit ebenfalls süßlich schmeckenden, gedünsteten Zwiebeln sowie gebratenen Apfelscheiben, wobei die Äpfel als Kontrast eher zur säuerlichen Seite tendieren sollten. Das wäre dann „Leber Berliner Art“, mit Kartoffelpüree – neudeutsch Kartoffelstampf – als klassischer Beilage.

Man kann nach Art einer Fegato alla veneziana auch zuerst die Zwiebelringe zusammen mit gehackter Petersilie in etwas Olivenöl anbraten, das Ganze dann mit Wein und/oder Rinderbrühe oder einem Kalbsfonds ablöschen und die in schmale Scheiben geschnittene Leber dann in dieser Zubereitung nur kurz dünsten, bevor man mit Pfeffer und Salz abschmeckt.

Alfons Schuhbeck, dem ich zumindest hier weiterhin gerne eine Bühne biete, hat einmal in seiner Kochshow im Bayerischen Rundfunk eine ziemlich ungewöhnliche Version der Fegato alla veneziana präsentiert – mit Marzipan zur Aromatisierung der Soße und frischen Feigen. Außerdem servierte er Tagliatelle dazu. Ich habs noch nicht ausprobiert, kann mir aber gut vorstellen, dass man Kinder und Innereienskeptiker auf diese Weise überlisten kann.

Die Italiener servieren zu Fegato gerne Polenta oder schlichtes Weißbrot. Ich präferiere selbstgemachten Kartoffelbrei. Am besten nach Art von Joël Robuchon, den der Gault Millau einmal neben Paul Bocuse in den Rang eines Jahrhundertkochs erhob. Sein berühmtes Kartoffelpüree, das er im krassen Unterschied zur gängigen Praxis nicht aus mehligen, sondern speckigen, aromatischeren Sorten wie La Ratte oder Linda zubereitete, besteht zu mindestens zur Hälfte aus – Butter. Die definitive Absage an die heute grassierende Öko-Magerkost. Zum Reinlegen gut!

 

Georg Etscheit schreibt jetzt auch für Aufgegessen, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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Heike Olmes / 27.11.2022

Mal wieder ein köstlicher Beitrag, Herr Etscheit. Kalbsleber mit Kartoffelpüree und Zwiebel-und Apfelringen mag ich auch sehr, allerdings als einziges Familienmitglied. Nicht schlimm, handelt es sich doch um ein hochpreisiges Produkt. Dafür versorge ich meine 4 fleischfressenden Männer neuerdings mit einer selbst gekochten Knochenbrühe von Bio-Weiderindern- sehr lecker und überaus gesund. Das “nose-to-tail-Prinzip” ist nicht nur respektvoll, sondern auch vorteilhaft.

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