Freiburg will Kindern in öffentlichen Kitas und Grundschulen bald nur noch vegetarische Gerichte vorsetzen. Dabei sollte man ihnen, statt sie zur ungeliebten Salatbar zu prügeln und mit nach nichts schmeckendem Tofu zu füttern, lieber die Vielfalt unserer Esskultur nahebringen.
Freiburg ist eine schöne Stadt, gelegen im Breisgau zwischen Rhein und Schwarzwaldhöhen, einer klimatisch begünstigten Region, was vor Proklamation der Klimakrise als Vorzug galt. Im äußersten Südwesten Deutschlands wächst und reift, was andernorts trotz „Klimaerwärmung“ oft nicht zur vollen Entfaltung kommt, wunderbarer Pinot Noir etwa oder ein besonders knackiger, kleinblättriger Feldsalat, der noch winters im Freien geerntet werden kann. Wegen der Nähe zu Frankreich ist Südbaden auch kulinarisch begünstigt. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es mehr gute Restaurants und genussfreudige Menschen, die sie besuchen. Nicht weit von Freiburg, in Illhaeusern im Elsass, findet man das legendäre Gourmetlokal „L’auberge de l’Ill“ der Familie Haeberlin, wo Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann lernte und das deutsche Küchenwunder seinen Anfang nahm.
Leider, muss ich sagen, ist Freiburg auch eine grüne Hochburg. Nicht weil es dort neben den die Innenstadt durchströmenden und im Sommer für Kühlung sorgenden Bächle so viele Bäume und anderes Grünzeug gibt, sondern weil die Partei der Grünen hier schon früh Erfolge feierte. In Freiburg wurde 2002 Dieter Salomon mit satten 64,4 Prozent der Stimmen zum ersten grünen Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt gewählt und amtierte bis 2018. Und mit dem Quartier Vauban entstand schon in den neunziger Jahren eine Mustersiedlung in Sachen Nachhaltigkeit, in der sich zwischen Fahrradladen, Biogeschäft, Elektroladesäule und Urban-Gardening-Areal der grüne Zeitgeist zu entfalten begann und sich jene Ökobourgeoisie ausbildete, die heute vielerorts den Ton angibt und den Menschen vorschreibt, wie man die Welt zu retten hat.
Damit wären wir beim Thema: Der Freiburger Gemeinderat hat jüngst mit grün-roter Mehrheit beschlossen, dass allen Kindern in öffentlichen Kindergärten und Grundschulen bald nur noch vegetarische Gerichte serviert werden sollen.
Es geht nicht ums Sparen, sondern um Ideologie
Schluss mit Pizza, zumindest wenn sie mit Salami oder Schinken belegt ist, Schluss mit Spaghetti Bolognese und natürlich auch mit dem bei Kindern so beliebten Wiener Schnitzel. Dafür gibt’s Kässpatzen, Gemüsebratlinge und wie die Köstlichkeiten der Veggie-Küche sonst noch heißen, wobei ich nicht sagen möchte, dass man nicht auch ohne Fleisch oder Fisch gut und abwechslungsreich kochen kann. Nur fehlt den meisten Köchen dafür das Wissen und die Fantasie. Der nächste Schritt dürfte dann der Zwangsveganismus sein, wobei es sich hier wirklich um eine Form der Mangelernährung und damit um Körperverletzung handelt.
Bislang gab es in den Freiburger Schulmensen immerhin noch zwei Gerichte zur Auswahl, ein fleischloses und ein weiteres mit Fleisch oder Fisch. Doch mit der Wahlfreiheit soll nun Schluss sein, dem Klima zuliebe, dem Tierwohl und was sonst noch so auf der grünen Agenda steht. Offiziell heißt es freilich, das bisherige Angebot sei „mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Stadt verbunden“. Um den städtischen Zuschuss angesichts der Rekordinflation durch den Ukrainekrieg „im Rahmen zu halten“, solle es ab Schuljahr 2023/2024 nur noch ein einziges Menü geben. Und zwar ein vegetarisches, denn dies sei „die Schnittmenge verschiedener Ernährungsgewohnheiten“, wobei man wohl so etwas wie die goldene Mitte zwischen veganer und normaler Ernährung im Blick hatte. Trotzdem soll der Elternbeitrag für ein Schul-Mittagessen von derzeit 3,90 Euro bis September 2024 auf 4,80 Euro steigen, woran man sieht, dass es weniger um finanzielle Entlastung geht, sondern um Ideologie.
Den Rekurs auf die aktuelle Wirtschafts- und Energiekrise kann man nur als zynisch beschreiben. Den Grünen und ihren roten Steigbügelhaltern kamen zuerst die Corona-Pandemie und dann der russische Einmarsch in die Ukraine sehr gelegen, um politische Ziele durchzudrücken, die man in normalen Zeiten nicht im Eilverfahren hätte realisieren können. Das begann bei der überfallartigen Abmarkierung zusätzlicher Fahrradwege etwa in Berlin und München während der coronabedingten Lockdowns und endet wohl nur vorläufig bei dem Versuch, Kinder per Gemeinderatsbeschluss zu mümmelnden Pflanzenfressern zu machen.
Jahrhundertealte Esskultur in Gefahr
Ganz ohne gesundheitliche Risiken ist ein mehr oder weniger vollständiger Verzicht auf Fleisch in der Ernährung übrigens nicht, denn der Körper ist auf die Zufuhr von verwertbarem Eisen angewiesen. Eisenmangel bei Kindern kann die Gehirnentwicklung schädigen. Aber vielleicht ist ja auch das beabsichtigt, damit die Menschen auch künftig die verquaste und schrecklich intolerante grüne Weltsicht nicht durchschauen und ihr Kreuzchen weiter bei der Ökopartei machen.
Wie schön wäre es, wenn statt der grünen Savonarolas mit Hang zur Selbstkasteiung endlich (wieder) genussfreudige Menschen das Sagen hätten. Statt die Kinder zur ungeliebten Salatbar zu prügeln und sie mit nach nichts schmeckendem Tofu zu füttern, könnte man sie mitnehmen zu einem handwerklichen Produzenten des wunderbaren Schwarzwälder Schinkens wie einer Traditionsmetzgerei im Glottertal nahe Freiburg, die den Herstellungsprozess wie folgt beschreibt: „Zwei Wochen verbleibt der Schinken im Salz, danach ruht er eine Woche, damit sich das Salz von außen nach innen verteilen kann. Im Anschluss wandert der Schinken in die speziellen Räucherkammern, wo er kalt über frischem Tannen- und Fichtenholz aus dem Schwarzwald geräuchert wird. Dieser Prozess dauert drei Wochen bei 25 Grad und verleiht ihm sein charakteristisches, einzigartiges Aroma und die typische schwarzbraune Farbe. Anschließend reift der Schinken mindestens 2 Monate an der Luft.“ Das Ergebnis, dünn geschnitten und auf Bauernbrot serviert, ist eine Delikatesse, die dem berühmten Parmaschinken in nichts nachsteht.
Man könnte den Kindern bei dieser Gelegenheit erklären, was es bedeuten würde, wenn man, wie es grüne Extremisten fordern, komplett aus der „Tierindustrie“ ausstiege. Das würde nämlich nicht nur heißen, eine bedeutende Futterquelle ungenutzt zu lassen, das sogenannte Raufutter, das erst in den Mägen von Wiederkäuern aufgeschlossen und für menschliche Ernährung und Genuss nutzbar gemacht wird. Es würde zudem bedeuten, dass zwei Drittel unserer jahrhundertealten Esskultur ausgelöscht würden, inklusive der unbeschreiblichen Vielfalt der Käse-, Wurst- und Schinkensorten, auf die andere Völker, wie die Franzosen, so stolz sind. Und es würde bedeuten, dass sich schon bald viele Kulturlandschaften wie die bei Touristen so beliebten Almen des Hochschwarzwaldes in eher langweiligen Wald zurückverwandeln würde.
Oder man nimmt die Kids einmal mit in ein gutes Restaurant. Es muss ja nicht gleich Haeberlin sein. Doch wer einmal „Auberge“-Klassiker wie Gänseleberterrine, Hummer Prince Vladimir, Bresse-Huhn in Halbtrauer (mit unter die Haut geschobenen Trüffelscheiben), Lachs-Soufflé, Froschschenkel-Mousseline oder Rehfilet gegessen hat, ist für die fleisch- und fischlose Kaninchenküche rettungslos verloren.
Georg Etscheit schreibt jetzt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.