Georg Etscheit / 30.10.2022 / 10:00 / Foto: Pixabay / 67 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Grüne Zwangsernährung

Freiburg will Kindern in öffentlichen Kitas und Grundschulen bald nur noch vegetarische Gerichte vorsetzen. Dabei sollte man ihnen, statt sie zur ungeliebten Salatbar zu prügeln und mit nach nichts schmeckendem Tofu zu füttern, lieber die Vielfalt unserer Esskultur nahebringen.

Freiburg ist eine schöne Stadt, gelegen im Breisgau zwischen Rhein und Schwarzwaldhöhen, einer klimatisch begünstigten Region, was vor Proklamation der Klimakrise als Vorzug galt. Im äußersten Südwesten Deutschlands wächst und reift, was andernorts trotz „Klimaerwärmung“ oft nicht zur vollen Entfaltung kommt, wunderbarer Pinot Noir etwa oder ein besonders knackiger, kleinblättriger Feldsalat, der noch winters im Freien geerntet werden kann. Wegen der Nähe zu Frankreich ist Südbaden auch kulinarisch begünstigt. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es mehr gute Restaurants und genussfreudige Menschen, die sie besuchen. Nicht weit von Freiburg, in Illhaeusern im Elsass, findet man das legendäre Gourmetlokal „L’auberge de l’Ill“ der Familie Haeberlin, wo Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann lernte und das deutsche Küchenwunder seinen Anfang nahm.

Leider, muss ich sagen, ist Freiburg auch eine grüne Hochburg. Nicht weil es dort neben den die Innenstadt durchströmenden und im Sommer für Kühlung sorgenden Bächle so viele Bäume und anderes Grünzeug gibt, sondern weil die Partei der Grünen hier schon früh Erfolge feierte. In Freiburg wurde 2002 Dieter Salomon mit satten 64,4 Prozent der Stimmen zum ersten grünen Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt gewählt und amtierte bis 2018. Und mit dem Quartier Vauban entstand schon in den neunziger Jahren eine Mustersiedlung in Sachen Nachhaltigkeit, in der sich zwischen Fahrradladen, Biogeschäft, Elektroladesäule und Urban-Gardening-Areal der grüne Zeitgeist zu entfalten begann und sich jene Ökobourgeoisie ausbildete, die heute vielerorts den Ton angibt und den Menschen vorschreibt, wie man die Welt zu retten hat.

Damit wären wir beim Thema: Der Freiburger Gemeinderat hat jüngst mit grün-roter Mehrheit beschlossen, dass allen Kindern in öffentlichen Kindergärten und Grundschulen bald nur noch vegetarische Gerichte serviert werden sollen.

Es geht nicht ums Sparen, sondern um Ideologie

Schluss mit Pizza, zumindest wenn sie mit Salami oder Schinken belegt ist, Schluss mit Spaghetti Bolognese und natürlich auch mit dem bei Kindern so beliebten Wiener Schnitzel. Dafür gibt’s Kässpatzen, Gemüsebratlinge und wie die Köstlichkeiten der Veggie-Küche sonst noch heißen, wobei ich nicht sagen möchte, dass man nicht auch ohne Fleisch oder Fisch gut und abwechslungsreich kochen kann. Nur fehlt den meisten Köchen dafür das Wissen und die Fantasie. Der nächste Schritt dürfte dann der Zwangsveganismus sein, wobei es sich hier wirklich um eine Form der Mangelernährung und damit um Körperverletzung handelt. 

Bislang gab es in den Freiburger Schulmensen immerhin noch zwei Gerichte zur Auswahl, ein fleischloses und ein weiteres mit Fleisch oder Fisch. Doch mit der Wahlfreiheit soll nun Schluss sein, dem Klima zuliebe, dem Tierwohl und was sonst noch so auf der grünen Agenda steht. Offiziell heißt es freilich, das bisherige Angebot sei „mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Stadt verbunden“. Um den städtischen Zuschuss angesichts der Rekordinflation durch den Ukrainekrieg „im Rahmen zu halten“, solle es ab Schuljahr 2023/2024 nur noch ein einziges Menü geben. Und zwar ein vegetarisches, denn dies sei „die Schnittmenge verschiedener Ernährungsgewohnheiten“, wobei man wohl so etwas wie die goldene Mitte zwischen veganer und normaler Ernährung im Blick hatte. Trotzdem soll der Elternbeitrag für ein Schul-Mittagessen von derzeit 3,90 Euro bis September 2024 auf 4,80 Euro steigen, woran man sieht, dass es weniger um finanzielle Entlastung geht, sondern um Ideologie.

Den Rekurs auf die aktuelle Wirtschafts- und Energiekrise kann man nur als zynisch beschreiben. Den Grünen und ihren roten Steigbügelhaltern kamen zuerst die Corona-Pandemie und dann der russische Einmarsch in die Ukraine sehr gelegen, um politische Ziele durchzudrücken, die man in normalen Zeiten nicht im Eilverfahren hätte realisieren können. Das begann bei der überfallartigen Abmarkierung zusätzlicher Fahrradwege etwa in Berlin und München während der coronabedingten Lockdowns und endet wohl nur vorläufig bei dem Versuch, Kinder per Gemeinderatsbeschluss zu mümmelnden Pflanzenfressern zu machen. 

Jahrhundertealte Esskultur in Gefahr

Ganz ohne gesundheitliche Risiken ist ein mehr oder weniger vollständiger Verzicht auf Fleisch in der Ernährung übrigens nicht, denn der Körper ist auf die Zufuhr von verwertbarem Eisen angewiesen. Eisenmangel bei Kindern kann die Gehirnentwicklung schädigen. Aber vielleicht ist ja auch das beabsichtigt, damit die Menschen auch künftig die verquaste und schrecklich intolerante grüne Weltsicht nicht durchschauen und ihr Kreuzchen weiter bei der Ökopartei machen. 

Wie schön wäre es, wenn statt der grünen Savonarolas mit Hang zur Selbstkasteiung endlich (wieder) genussfreudige Menschen das Sagen hätten. Statt die Kinder zur ungeliebten Salatbar zu prügeln und sie mit nach nichts schmeckendem Tofu zu füttern, könnte man sie mitnehmen zu einem handwerklichen Produzenten des wunderbaren Schwarzwälder Schinkens wie einer Traditionsmetzgerei im Glottertal nahe Freiburg, die den Herstellungsprozess wie folgt beschreibt: „Zwei Wochen verbleibt der Schinken im Salz, danach ruht er eine Woche, damit sich das Salz von außen nach innen verteilen kann. Im Anschluss wandert der Schinken in die speziellen Räucherkammern, wo er kalt über frischem Tannen- und Fichtenholz aus dem Schwarzwald geräuchert wird. Dieser Prozess dauert drei Wochen bei 25 Grad und verleiht ihm sein charakteristisches, einzigartiges Aroma und die typische schwarzbraune Farbe. Anschließend reift der Schinken mindestens 2 Monate an der Luft.“ Das Ergebnis, dünn geschnitten und auf Bauernbrot serviert, ist eine Delikatesse, die dem berühmten Parmaschinken in nichts nachsteht.

Man könnte den Kindern bei dieser Gelegenheit erklären, was es bedeuten würde, wenn man, wie es grüne Extremisten fordern, komplett aus der „Tierindustrie“ ausstiege. Das würde nämlich nicht nur heißen, eine bedeutende Futterquelle ungenutzt zu lassen, das sogenannte Raufutter, das erst in den Mägen von Wiederkäuern aufgeschlossen und für menschliche Ernährung und Genuss nutzbar gemacht wird. Es würde zudem bedeuten, dass zwei Drittel unserer jahrhundertealten Esskultur ausgelöscht würden, inklusive der unbeschreiblichen Vielfalt der Käse-, Wurst- und Schinkensorten, auf die andere Völker, wie die Franzosen, so stolz sind. Und es würde bedeuten, dass sich schon bald viele Kulturlandschaften wie die bei Touristen so beliebten Almen des Hochschwarzwaldes in eher langweiligen Wald zurückverwandeln würde.   

Oder man nimmt die Kids einmal mit in ein gutes Restaurant. Es muss ja nicht gleich Haeberlin sein. Doch wer einmal „Auberge“-Klassiker wie Gänseleberterrine, Hummer Prince Vladimir, Bresse-Huhn in Halbtrauer (mit unter die Haut geschobenen Trüffelscheiben), Lachs-Soufflé, Froschschenkel-Mousseline oder Rehfilet gegessen hat, ist für die fleisch- und fischlose Kaninchenküche rettungslos verloren.

 

Georg Etscheit schreibt jetzt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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H.Wess / 30.10.2022

Ich esse weiterhin mein Stück Rindfleisch, denn Fleisch ist veredeltes Gras…!

Jochen Grünhagen / 30.10.2022

2013 sind die Grünen mit der Idee des “Veggie Day” gescheitert. Acht Jahre später haben sie gemeinsam mit ihren medialen Hilfstruppen die deutsche Landwirtschaft diskreditiert um, wie schon bei der Nicht Energiegewinnung, ideologisch die sogenannte Agrarwende endlich zu vollziehen. In Zukunft ist Verzicht der neue Luxus und irgendwo muss ja begonnen werden, warum nicht in Freiburger Kitas.  

Marta Geist / 30.10.2022

Wenn es möglich ist, esse ich lieber kein Essen, für das Tiere leiden mussten.

Thomin Weller / 30.10.2022

@Gus Schiller “Soylent green” Organe und Gewebe werden noch dringend benötigt. In der Schweiz, paar Kilometer von Freiburg entfernt, stehen Katzenrücken oder Hund auf dem Speiseplan mancher Lokale. Aktuell soll aus den Fäkalien der Großstäde Lebensmittel hergestellt werden. Die doppelte Cloaca Maschine. Was hinten rauskommt kann nicht besser sein als das was vorne reingeht. Dennoch fördert die EU mit zig hunderten Millionen Euro Steuergelder solche Mond Projekte. Schon jetzt klagen Krankenhäuser und andere darüber, dass gerade ältere Menschen eine massive Mangelernährung aufweisen. Klar, bei dem was als Lebensmittel verkauft werden darf kein wunder.—>“Mangelernährung im Krankenhaus betrifft immer mehr ältere Menschen. Das Problem birgt auch eine wirtschaftliche Komponente – denn mangelernährte Patienten sind pflegeintensiv und verursachen oft hohe Folgekosten. Das Klinikmanagement benötigt geeignete Strategien, um ökonomischen Risiken entgegenzuwirken.”

Arne Ausländer / 30.10.2022

@Anton Kowalski: Wenn Ihnen die Rohkost guttut, schön für Sie. Nur trifft das ganz gewiß nicht auf alle zu. Vor über 100 Jahren kam in Deutschland die Reformbewegung auf. Da die ja nicht die Regierung übernahm, war es eine interessante Ergänzung des Bestehenden. Aber eine moralische Wertung damit zu verbinden, ist ein Irrweg, wie nicht nur der Verweis auf den Vegetarier Hitler zeigt. Schon im ersten Buch der Bibel wird erzählt, wie der Planzenzüchter Kain den Hirten Abel erschug. Also sahen schon vor über 3000 Jahren Menschen, daß Pflanzenkost keineswegs den Menschen friedlicher macht. Oder warum sonst gelangte diese Geschichte in die Heilige Schrift?

Klaus Keller / 30.10.2022

An Gus Schiller: Mein Lieblingsladen macht da auch nach Kräften mit. Öko und Bio soll es sein. Was ist an Wallnüssen aus Australien und Äpfeln aus Neuseeland Bio außer das die Dinger auf Bäumen wachsen? Im Kassenbereich gibt es natürlich Biozigaretten und Bioflachmänner für Leute mit Suchtdruck. Man darf nicht alles zu ernst nehmen. Sonst landet man in der Klapse. Ich kaufe an der Tankstelle aber gerne Benzin aus Bioerdöl. Gerne auch mit einem Schuss Bioethanol. Wegen der Teller vs. Blumenvase Debatte kaufe ich aber keine Schnittblumen.

Thomas Hechinger / 30.10.2022

@Ruth Hellweg. Findigen Kleingastronomen kann man nur empfehlen, in der Nähe von Freiburger Schulen Kebap- und Pizzabuden, Bratwurststände und thailändisch-vietnamesisch-chinesisch-indische Schnellimbisse aufzumachen. Wenn die Schüler aus dem Unterricht strömen, in dem sie gerade brav heruntergebetet haben, wie unsensibel und kolonialistisch-chauvinistisch die kulturelle Aneignung ist, werden sie die Essensstände stürmen und sich alles kulturell aneignen, dessen sie habhaft werden. Allen einen guten Appetit!

M. Neland / 30.10.2022

Staatlich verordnete Mangelernährung ist das.

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