Die Deutschen haben eine ungebrochene Lust, sich allmorgendlich Frühstücksflocken einzuverleiben. Doch Vorsicht vor blinden Passagieren.
Der Habeck-Zug ist abgefahren mitsamt seinen blinden Passagieren und die roten Schlusslichter beginnen langsam am Horizont zu verglimmen. Dass die Generation Müsli den Zenit ihres Wirkens offenbar überschritten hat, wäre eine gute Nachricht, hätten die grünen Kulturkämpfer die Gesellschaft nicht bis ins letzte Kapillargefäß mit ihrem woken Ungeist infiltriert. Deswegen werden die diversen „Wenden“ mit ihren ökonomischen und sozialen Verwerfungen das geschundene Land wohl noch eine Weile beschäftigen und weiter dem Abgrund entgegentreiben.
Eine bleibende kulinarische Hinterlassenschaft der Generation Müsli ist die ungebrochene Lust der Deutschen, sich allmorgendlich Frühstücksflocken einzuverleiben, euphemistisch auch als Cerealien (abgeleitet von Ceres, der römischen Göttin für Ackerbau) bezeichnet. Die bunten Packungen mit Cornflakes, „Pops“, „Loops“ oder „Kissen“ und unzähligen Körnermischungen füllen in jedem Supermarkt gefühlte fünf Regalmeter.
Und in keinem Hotel entkommt man den auf dem Frühstücksbuffet aufragenden Cerealienspendern, deren Inhalt lustlose Morgenmuffel mit geschmacklosen Fruchtsalaten, lauwarmer Milch und Jogurt aus dem Becher, gerne auch in der veganen Variante, zu einem freudlosen Mampf verarbeiten.
Marmeladenbrot wäre die ungleich gesündere Alternativ
Bei den meisten dieser Frühstücksflockenmischungen handelt es sich, wie Verbraucherschützer und Gesundheitsexperten mantramäßig verbreiten, keineswegs um eine besonders hochwertige Form der Nahrungsaufnahme, im Gegenteil. Denn infolge ihres hohen Zuckeranteils hat man es eigentlich mit Süßigkeiten zu tun, womit eine auf diese Weise gestaltete erste Mahlzeit des Tages in erheblicher Weise verantwortlich dafür ist, dass Fettleibigkeit zur Volkskrankheit des 21. Jahrhundert werden konnte. Ein simples Marmeladenbrot wäre die ungleich gesündere Alternative.
Den Ur-„Müslis“ mit Latzhosen und ungepflegten Bärten war es durchaus um eine in ihren Augen gesunde, naturnahe Form der Ernährung gegangen. Damals mischte man sich das Körnerfutter noch eigenhändig, hobelte Schrumpelmöhren und fleckige Bio-Äpfel hinein, bevor man das Ganze mit selbstgemachtem Kefir oder Glibberjogurt zu einer gräulichen Pampe verrührte. Mit dieser ruralen Ernährungsweise wollte man der Gesellschaft ein gutes Beispiel geben und hoffte darauf, Nachahmer zu finden.
Die nächste Müsli-Generation huldigte dann schon den Fertigmischungen und entdeckte den grünen Hedonismus, der sich unter anderem in Form übermäßig gesüßter Knuspermüslis mit ihrem unwiderstehlichen „Crunch“ manifestierte. Die muss man im Zeichen von bequemem Essen („Convenience“) nur schnell mit Milch begießen oder kann sie sogar nackt aus der Tüte mümmeln. Wenn man nicht gleich zum klebrigen Müsliriegel greift.
Birchermüesli in seiner puristischen Einfachheit
Das Sendungsbewusstsein der Generation Knuspermüsli war nicht geringer als das der Urväter. Nur erschien einem der Weg über die persönliche Vorbildfunktion zu langsam und zu mühsam, sodass man sich dazu entschloss, den Marsch durch die bislang verhassten Institutionen anzutreten. Dabei ging man nur allzu gerne eine Allianz mit den zuvor ebenfalls verhassten Kräften des marktgetriebenen Kapitalismus ein, was unter anderem zu den schon erwähnten Regalmetern an Cerealien führte. Merke: die Allianz von grüner Ideologie mit den soliden Geschäftsinteressen der Wirtschaftsakteure samt staatlicher Subventionierung ist die denkbar effektivste Weise, das Land gegen die Wand zu fahren. Das gilt auch für die diesem Schema entsprechenden Regierungskonstellationen.
Was die kulinarische Seite des Müslibooms anbelangt, gilt es bei aller berechtigten Kritik zu differenzieren. Denn ein echtes Birchermüesli kann in seiner puristischen Einfachheit eine schmack- und nahrhafte Sache sein. Als man noch etwas von ihm wissen wollte, bekannte Robert Habeck während der unseligen Ampelverhandlungen: „Die Milch ist alle. Heute morgen habe ich Müsli mit Wasser gegessen. Ohne Scheiß.“ Damit lag er insofern nicht ganz falsch, als für ein Original Bircher-Müsli wirklich etwas Wasser vorgeschrieben ist. Damit befeuchtet man am Vorabend die Vollkornflocken, um ihnen Zeit zum Einweichen zu geben. Am nächsten Morgen kommt dann noch gezuckerte Kondensmilch, ein im Ganzen gehobelter Apfel, Zitronensaft und geriebene Nüsse oder Mandeln dazu.
Auf den mitsamt Kerngehäuse (!) geraspelten Apfel bestand Maximilian Bircher-Benner (1867–1939), Pionier der Vollwerternährung, wegen der darin enthaltenen „biologisch wirksamen Lichtquanten“, die er in jeder Art unbearbeiteter pflanzlicher Rohkost vermutete und dem Körper „Lebenskraft“ spenden sollten. Diese „Biophotonen“ stellten sich als esoterischer Unsinn heraus, weswegen man guten Gewissens zumindest aufs Kerngehäuse verzichten kann. Kondensmilch verwendete der Schweizer Arzt, weil seinerzeit unpasteurisierte Frischmilch ein Tuberkulose-Risiko darstellte. Wer den süßlichen Kindergeschmack von Kondensmilch liebt, kann diese natürlich immer noch zur Verfertigung eines Bircher-Müslis heranziehen. Ansonsten sei zu frischer Vollmilch und/oder einem Sauermilchprodukt geraten.
Appetitliche Larven
Wer auf den allseits beliebten Knuspereffekt („Crunch“) nicht verzichten will, dem sei ein möglichst hausgemachtes Granola empfohlen. Das sind meist mit Honig oder Ahornsirup geröstete Getreideflocken nebst verschiedenen Nüssen oder auch mal Kokosflocken, die man in gehobenen Bäckereien und im Feinkosthandel findet. Man kann ein Granola natürlich selbst herstellen, nur muss man dabei darauf achten, dass die Zutaten beim Rösten nicht zu dunkel und damit bitter werden.
Fertige Knuspermüslis aus dem Supermarkt oder Discounter sollte man tunlichst links liegen lassen, vor allem, seitdem die EU grünes Licht für die Beimischung von Insektenprodukten gegeben hat. Hinter der Bezeichnung „Teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus“ verbergen sich Erzeugnisse der Hausgrille.
Ansonsten kann man es etwa mit „Gefrorenen Larven/Paste aus Larven von Alphitobisu diaperinus“ zu tun bekommen, dem appetitlichen Getreideschimmelkäfer. Oder mit Buffalowürmern, die in einem „Snack Insects Granola „Apfel & Zimt“ lauern. Derzeit vergriffen, glücklicherweise.
Georg Etscheit schreibt jetzt für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.