Pfifferlinge zählen mit Recht zu den beliebtesten und – dank ihres pikanten, etwas pfeffrigen Aromas – besten Speisepilzen. Wenn sie wirklich frisch sind, können sie eine Delikatesse sein. Und ihre Zubereitung ist keine Wissenschaft.
Pilze führen eine geheimnisvolle Existenz. Mal gibt es Jahre, in denen sie in Massen auftreten, mal gibt es so gut wie gar keine. Mal meint man, im Wald eine potenziell ertragreiche „Stelle“ ausgemacht zu haben. Doch dann tauchen sie wieder ganz woanders auf. Pilze sind unbeständig. Wie das Wetter und der Klimawandel, auf den auch immer weniger Verlass ist. Am besten, man sucht gar nicht erst nach ihnen, sondern hofft, ihnen zufällig zu begegnen. Umso größer die Freude, wenn man bei einer Wanderung im Wald unverrichteter Dinge einen schönen Fund macht. Und dann natürlich keine Tasche eingesteckt hat, um den Schatz unversehrt nach Hause zu bringen.
Dieses Jahr scheint es ein gutes „Pilzjahr“ zu werden, wie zu lesen ist. Im Frühjahr hat es ausreichend geregnet, was Pilzexperten zufolge entscheidend für das Wachstum der unterirdischen Pilz-Mykorrhiza sein soll. Wenn es jetzt nicht zu kalt wird, könnte man demnächst mit vollen Körben beglückt werden. Doch allzu nass sollte es jetzt auch nicht werden, weil dann Schnecken über die oberirdischen Fruchtkörper herfallen. Nichts ist enttäuschender, als wenn man einen wunderschönen Pilz entdeckt hat, der bei der ersten Berührung in sich zusammenfällt.
Ich hatte als Kind einmal ein riesiges Exemplar eines Steinpilzes gefunden und mit nach Hause genommen. Mein stolzer Vater alarmierte den Reporter der regionalen Tageszeitung, der am anderen Morgen mitsamt einem Fotografen anrückte, um eine hübsche Geschichte schreiben zu können vom kleinen Georg, der einen großen Fund gemacht hat. Leider hatte sich der Riesensteinpilz über Nacht in eine bräunlich-grüne, breiige Masse verwandelt, die nur mit größter Mühe noch für ein schnelles Foto in eine aufrechte Haltung zu bringen war. Essen konnte man den in die Knie gegangenen Giganten natürlich nicht mehr.
Frisch müssen sie sein
Mit Pfifferlingen kann einem das nicht passieren. Dafür sind sie zu klein. Ihre Saison hat schon begonnen, was die gängige Überzeugung widerlegt, dass Pilze nur im Herbst wachsen. Speisemorcheln beispielsweise gibt es nur im Frühjahr und einer besonderen Art des Steinpilzes, dem Sommersteinpilz, kann man mit viel Glück schon ab Ende Mai begegnen. Er ist festfleischig, sehr fein im Geschmack und wächst bevorzugt in Laubwäldern.
Pfifferlinge zählen mit Recht zu den beliebtesten und – dank ihres pikanten, etwas pfeffrigen Aromas – besten Speisepilzen. Sie sind vergleichsweise günstig, weil im Grunde ein Massenartikel – züchten kann man sie (noch) nicht. Meist kommen sie aus Osteuropa bis hinauf ins Baltikum und hinunter nach Slowenien, wo sie in feuchten, naturnahen Wäldern gut gedeihen und wo die Löhne für die Saisonarbeiter, die sie sammeln, niedrig sind.
Im Prinzip ist es egal, wo die Pilze wachsen. Doch leider gilt: Je länger der Transport, desto schlechter die Qualität. Pfifferlinge mit trockenen Stilen oder glitschigen, braunen Stellen sollte man unbedingt meiden. Besser, man erwischt eine heimische Charge. Auf dem Münchner Viktualienmarkt sollen die großen gelben Berge, zu denen die Pfifferlinge, in Bayern Reherl genannt, von den Pilzhändlern effektvoll aufgehäuft werden, aus dem Bayerischen Wald stammen, zuweilen auch aus den angrenzenden „Böhmischen Wäldern“. Nachprüfen lässt sich das nicht, jedenfalls nicht per Augenschein. Allenfalls Frische ist Indiz für eine nicht allzu lange Reise.
In süddeutschen Restaurants findet man „Reherl“ in der Saison recht häufig auf den Speisekarten, auch in Österreich, wo sie „Eierschwammerl“ heißen, wegen ihrer dottergelben Farbe. Ihre Zubereitung ist keine Wissenschaft. Umso mehr wundere ich mich immer wieder darüber, wie wenig delikat Pfifferlinge im Restaurant schmecken können. Oft werden sie nicht richtig geputzt und schwimmen in einer viel zu dünnen Sauce, in der sie ihren Geschmack nicht entfalten können.
Das A und O bei der Zubereitung: die Pilze einzeln putzen!
Das A und O bei der Zubereitung der Pilze ist eine sorgfältige Vorbehandlung. Dafür müssen sie, was etwas Mühe bereitet, einzeln (!) in die Hand genommen und geputzt werden. Es schadet auch nicht, sie hernach kurz mit kaltem Wasser abzubrausen und auf Küchenpapier abtropfen zu lassen. Dann werden sie bei hoher Temperatur in etwas Butter angebraten und zwar so lange, bis ihr Wasser – Pilze bestehen genau genommen fast ausschließlich aus Wasser – fast restlos verdampft ist. Hernach löscht man sie mit etwas Weißwein ab und gibt süße (!) Sahne hinzu sowie klein gewürfelte Zwiebeln, Speck und Petersilie, die man zuvor separat (!) hat anschwitzen lassen.
Für den zusätzlichen Umami-Kick empfiehlt es sich, noch etwas Kalbs- oder Rinderfond hinzuzufügen oder ein leider etwas aus der Mode gekommenes Produkt: Fleischextrakt, ein hoch konzentrierter Auszug aus Rindfleisch, der endlos hält. Ursprünglich war die tiefbraune Paste entwickelt worden, um arme Menschen mit einer leicht herzustellenden Fleischbrühe versorgen zu können. Doch erwies sich dies als letztlich zu teuer. Heute ist Fleischextrakt ein Luxuslebensmittel, das in keiner anspruchsvollen Küche fehlen sollte. Glücklicherweise benötigt man immer nur kleine Mengen davon.
Zu einem sahnigen Pfifferlingsragout serviert man am besten Pasta – gerne Spaghetti oder frische Tagliatelle. Wenn es, wie in Bayern üblich, Semmelknödel als Beilage gibt, sollte die Menge der Sauce nicht zu knapp bemessen sein, weil die Knödel die Eigenschaft eines Schwammes aufweisen. Die Sahne lässt sich auch durch einen großzügigen Guss guten Olivenöls ersetzen, was das Gericht mediterran macht, vor allem, wenn man noch geriebenen Parmesankäse darüber streut. Semmelknödel sind dann natürlich fehl am Platz. Dazu vielleicht einen gereiften Grünen Veltliner aus Österreich, dem ebenfalls ein pfeffriges Aroma nachgesagt wird. Dann grämt man sich auch nicht mehr darüber, dass der Sommer eigentlich schon wieder vorbei ist und ein gewisser Herr Lauterbach immer noch in seiner Hitzepanik schwelgt.
Georg Etscheit schreibt jetzt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.