Gänse- oder Entenstopfleber ist das liebste Festtagsgericht der Franzosen. Als die Europäische Union aus Tierschutzgründen dagegen vorgehen wollte, wurde Fois gras kurzerhand zum nationalen Kulturerbe erklärt.
Was den deutschen Grünen ihr Veggie-Day, ist den französischen Grünen der Foie gras-Bann. Beide Male schossen sich die Ökos damit selbst ins Bein. Doch der Reihe nach.
Im September 2020 beschlossen Frankreichs Grüne, dass in den von ihnen regierten Rathäusern, zu diesen unglücklichen Städten zählen Lyon, Straßburg und Grenoble, auf öffentlichen Empfängen keine Gänse- oder Entenstopfleber (Foie gras) mehr serviert werden soll. Zunächst wurde von diesem Bann wenig Notiz genommen, bis die Tierschutzorganisation PETA jüngst die Partei „Europe Écologie les Verts, EELV“ für ihre geflügelschonende Politik lobte.
Daraufhin erhob sich ein Proteststurm, der jenem nicht nachstand, der den deutschen Grünen ins Gesicht blies, als sie 2013 in ihrem Programm zur Bundestagswahl scharf gegen die „gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Folgen des Fleischkonsums“ zu Felde zogen. „Angebote von vegetarischen und veganen Gerichten und ein 'Veggie Day' sollen zum Standard werden“, hieß es im Kapitel, das der Massentierhaltung gewidmet war. Das Image der „Verbotspartei“ war geboren.
In Frankreich meldeten sich umgehend nicht nur die zahlreichen Stopfleberproduzenten – die Branche zählt rund 100.000 Beschäftigte – zu Wort, sondern auch etliche Chefköche sowie die konservative Präsidentschaftskandidatin Válerie Pécresse.
Franzose sein heiße, einen Weihnachtsbaum aufzustellen, Foie gras zu essen, eine Miss France zu wählen und sich die Tour de France anzuschauen, verkündete sie medienwirksam.
Und der ehemalige Lyoner Bürgermeister Gerard Collomb schrieb auf Twitter:
„Nach dem Quasi-Verbot von Fleisch in den Schulkantinen kommt jetzt der Bann für Foie gras im Rathaus, verbunden mit der Aufforderung an Restaurateure, dieser Praxis zu folgen und Stopfleber von den Speisekarten zu verbannen. Schade für Lyon, die Hauptstadt der Gastronomie.“
Kurzerhand zum nationalen Kulturerbe erklärt
Paul Bocuse würde sich sicher im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass die Foie gras zunehmend in Bedrängnis gerät. In seinem Kochbuch der „Neuen Küche“ erläutert er detailliert, wie man gute von schlechten Stopflebern unterscheidet, wobei er für die warme Zubereitung Gänse- der Entenstopfleber vorzieht. Natürlich ging ihm kein kritisches Wort über die in der Tat nicht sehr tierfreundliche Produktion der Delikatesse über die Lippen. Nur in der Anmerkung der Übersetzer findet sich der Hinweis, dass das Nudeln von Geflügel in Deutschland verboten sei.
Versuche, den Franzosen den Genuss von Stopfleber madig zu machen – in der Grande Nation werden jedes Jahr etwa 17.000 Tonnen foie gras produziert und drei Viertel davon an Weihnachten und Neujahr verzehrt –, gibt es immer wieder. Als die Europäische Union dagegen vorgehen wollte, wurde Foie gras kurzerhand zum nationalen Kulturerbe erklärt, wodurch sich europäische Tierschutzgesetze, die das Stopfen verbieten, umgehen lassen. Außer in Frankreich, wo das Stopfen von Gänsen und Enten vor allem im Südwesten, in der Vendée und im Elsass eine lange Tradition hat, gibt es eine nennenswerte Produktion auch in Ungarn und Bulgarien.
Dass es sich bei Foie gras um eine ganz besondere Delikatesse handelt, dürften selbst militante Ökologen nicht leugnen wollen, wenn sie sie doch einmal gegessen haben sollten. Die Konsistenz ist unglaublich zart, was von dem hohen Fettanteil herrührt, der Geschmack nur ganz fein „lebrig“, gebraten zergeht einem diese Köstlichkeit auf der Zunge. Im Restaurant Paul Bocuse in Collonges-au-Mont-d’Or vor den Toren Lyons thront immer ein schönes Stück gebratener Gänseleber (foie gras entier) ganz oben auf den Tournedos Rossini, einem Klassiker der großen Küche, begleitet von einer mit schwarzen Trüffeln und Madeira parfümierten Sauce Périgueux.
Konsequente Verdrängung
Trüffel spielen auch in Gänse- und Entenleberpasteten eine wichtige Rolle. Als Kind gab es in unserer Familie immer eine kleine Terrine oder einen „Bloc“ Gänseleberpastete zu Weihnachten, und manchmal durfte ich allein das kleine Trüffelstück im Zentrum der Farce essen, das seinen Geschmack allerdings schon weitgehend an die Pastete abgegeben hatte.
Ich gebe zu, dass ich in Sachen Foie gras eine gespaltene Meinung habe. Ich möchte nicht, dass eine Tradition nach der anderen der Cancel Culture anheimfällt, wobei für mich Speise- und Kochtraditionen ganz oben auf der Liste der schützenswerten kulturellen Errungenschaften stehen. Andererseits halte ich die „Gavage“, also die Zwangsmästung von Enten und Gänsen in ihren letzten 14 Lebenstagen, für eine ziemlich brutale Methode. Den Beteuerungen der Stopfleberbranche, dass die Tiere nicht leiden und mit ihnen eigentlich nur das gemacht werde, was sie als Zugvögel selber täten, nämlich sich vor dem Abflug einen Wanst anzufressen, finde ich nicht sehr glaubhaft.
Im Verlauf der Gavage mit einem extrem kalorienhaltigen Maisbrei, der den Tieren mehrmals pro Tag durch einen Schlauch direkt in den Magen gedrückt wird, zuweilen mit Druckluft, damit es schneller geht, schwillt die Leber auf ein Gewicht von 600 bis 900 Gramm (bei Gänsen) und 400 bis 600 Gramm (bei Enten) an. Mit einer irgendwie noch natürlichen Lebensweise hat das nichts zu tun. Auch die Information, dass während der Zwangsmästung nicht mehr Tiere stürben als während der gesamten Aufzucht, beruhigt mich nicht.
Hier beißt die Maus keinen Faden ab. Wer Foie gras liebt und sich gelegentlich gönnen möchte, sollte davon absehen, sich im Internet Videos über die Praxis der Gavage anzusehen. Hier hilft nur: konsequente Verdrängung. Ich selbst habe für mich entschieden, auf Stopfleberprodukte zu verzichten, wobei ich mich nicht darauf festlegen will, dass ich so etwas Wunderbares NIE mehr essen werde. Denn das Schönste an der Versuchung ist, ihr nachzugeben.