Es stimmt, der französische Weinmarkt ist in eine Schieflage geraten. Das hat aber, anders als behauptet, wenig mit dem Klimawandel zu tun. Selbst im heißen Mittelmeerklima lassen sich spritzige, erfrischende Tropfen auf die Flasche ziehen. Und außerdem haben sich die Trinkgewohnheiten geändert.
In den Medien ist gerade von einer „Weinkrise“ die Rede, die Frankreich im Griff habe. Rund zehntausend Hektar Weinstöcke müssten gerodet werden, vor allem im Bordelais. Außerdem habe die Regierung angeordnet, einen Teil der diesjährigen Ernte zu Industriealkohol zu destillieren, um sie vom Weinmarkt fernzuhalten. Schuld daran soll nicht zuletzt wieder einmal der Klimawandel sein, der die Winzer vor ungeahnte Herausforderungen stelle und die Produktion massiv verteuere. 200 Millionen Euro wolle die französische Regierung für diese Stützungsmaßnahmen ausgeben.
Doch in Wahrheit sind es weniger meteorologische Extreme wie Dürre oder übermäßige Feuchtigkeit, die den französischen Weinmarkt in eine Schieflage gebracht haben, sondern eine strukturelle Überproduktion, aufgebaut in den Jahren, als das aufstrebende China französische Weine als Konsum- und Spekulationsobjekt entdeckte, sowie sich ändernde Trinkgewohnheiten. Nach der Rotweinwelle hat das Land, wie übrigens auch Deutschland, jetzt eine Rosé- und Weißweinwelle im Griff. Gefragt sind frische, fruchtige Weine und nicht mehr die roten Tanninbomben mit aufdringlichem Holzton durch (im Übrigen sehr kostspieligen) Ausbau in Barriquefässern.
Dies alles ist aber keine Katastrophe, sondern eine erfreuliche Entwicklung. Denn sie lenkt vor allem in Südfrankreich den Fokus auf schon seit langer Zeit dort kultivierte, aber bislang unterbewertete Weißweinsorten wie die wunderbare Roussanne, die insbesondere im Rhonetal angebaut wird. Es ist erstaunlich, dass Winzer mit diesen und anderen autochthonen Reben selbst im heißen Mittelmeerklima solch spritzige, erfrischende Tropfen auf die Flasche ziehen. Die finden, wie auch die zum Teil sehr bemerkenswerten Rosés aus der Provence, zu Recht reißenden Absatz. Ähnliches gilt für die hierzulande wenig bekannten Weißweine Siziliens.
Jüngere trinken weniger Wein
Immer häufiger ist dazu künstliche Bewässerung nötig, eine Praxis, die bei Umwelt- und „Klimaschützern“ schlecht ankommt, weil angeblich kostbare Wasserressourcen geplündert würden. Doch was spricht dagegen, wenn man Reservoirs anlegt, in denen im Winter überschüssiges Wasser gesammelt wird, um Wassermangel im Sommer auszugleichen? Schon den Arabern gelang es mit ihren Bewässerungskünsten, Wüsten in blühende Gärten zu verwandeln.
Insgesamt sinkt der Weinkonsum in Frankreich, was angesichts von immer noch 47 Litern pro Kopf und Jahr (Deutschland: rund zwanzig Liter) nicht besorgniserregend ist. Jüngere Leute tendieren heute auch in Frankreich mehr und mehr zu Antialkoholischem oder zu Bier, was ebenfalls zu begrüßen ist, weil in Frankreich bislang wenig gute Biere gebraut werden. Warum soll das Land nicht auch mal von den Deutschen lernen, die in Sachen Gerstensaft eindeutig die Nase vorn haben?
Was den „Klimawandel“ anbelangt, ist festzustellen, dass es kaum einen Wirtschaftszweig gibt, der so sehr von der bislang eher mäßigen Erhöhung der Durchschnittstemperaturen seit Ende der 80er Jahre profitiert hat wie der Weinbau. Statt sich auf Straßenkreuzungen festzukleben, sollte man sich auch einmal darüber freuen, dass hundsmiserable Jahrgänge in Deutschland, wo man Moselrieslinge, selbst künstlich aufgezuckert, eigentlich nur als Kalklöser gebrauchen konnte, bis auf weiteres der Vergangenheit angehören und die Winzer in südlicheren Regionen Wege finden, ihre Arbeits- und Produktionsweisen den sich ändernden Bedingungen anzupassen. So, wie es erfindungsreiche Menschen seit Jahrhunderten pflegen.
Mehr Sonne allein bringt's auch nicht
Das heißt freilich nicht, dass sich jetzt Gebiete, wo noch nie Qualitätswein angebaut wurde, in Top-Destinationen verwandeln. In Deutschland werden mittlerweile unter dem Schlagwort „Klimaerwärmung“ Reben auch auf den Nordseeinseln Sylt oder Föhr angebaut. Sogar in Polen unweit des Stettiner Haffs hat sich ein Weingut etabliert. In den nördlichen Gefilden gedeihen vor allem früh reifende Neuzüchtungen, die bestenfalls einfache Schoppenweine ergeben – wenn man deren parfümiertes Aroma toleriert.
Ich habe mir jüngst aus purer Neugier ein Probierpaket polnischer Weine kommen lassen. Ein 22er Solaris von der Winnica Turnau, rund 60 Kilometer südlich von Stettin, der eher wie Traubensaft schmeckte – allerdings fast 30 Euro kostet. Ein 19er Riesling für sage und schreibe 32 Euro vom gleichen Gut lag muffig und breit im Glas und erinnerte in nichts an Subtilität und Finesse, zu der diese Rebsorte andernorts fähig ist. Gänzlich untrinkbar, weil unreif schmeckend, war der 20er Bio-Pinot noir von der Winnica Wieliczka nahe Krakau für 24 Euro die Flasche. Am ehesten akzeptabel erschien mir die tiefrote Cuvée „Rege“, Jahrgang 2018, aus den Neuzüchtungen Cabernet Cortis und Regent, wobei man für fast zwanzig Euro auch einen exquisiten Spätburgunder von der Ahr bekommt.
Es gehört eben mehr dazu als eine etwas höhere Durchschnittstemperatur und mehr Sonnenschein, um einen guten Wein zu keltern. Ein anspruchsvolles Terroir beispielsweise sowie ein jahrzehnte- wenn nicht jahrhundertelang akkumuliertes Wissen um Anbau und Weinbereitung. Deswegen sollte man lieber auf den Erfindungsgeist und die Anpassungsbereitschaft der Winzer in etablierten Regionen vertrauen als auf Versuche, an Nord- oder Ostsee ein neues Burgund oder Bordeaux aus dem Boden zu stampfen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Ich trinke auch nur noch selten Rotwein, meist im Rahmen einer Weinbegleitung, wenn eben der Gang passt und die Trinktemperatur stimmt - was eben nicht “Zimmertemperatur” bedeutet, sondern was zwischen 12 und maximal 18 Grad. Im Zweifel sollte auch ein Rotwein lieber kühler als wärmer serviert werden. Vielleicht bin ich auch deswegen zu Weißweinen aus Deutschland übergelaufen, die sind unkompliziert, werden immer kühl serviert und bieten mit Abstand das beste Preis-/Leistungsverhältnis. Herr Etscheit, machen Sie doch mal einen kleinen Ausflug zum Schloss Rattey (größtes Weingut von Norddeutschland), da gibt es einen besseren Solaris.
Ämäson: “Costières de Nîmes Roussanne Weißwein 2019 - Clos des Centenaires - g.U. - Rhonetal Frankreich - Rebsorte Roussanne - 3x75cl = 78,30 Euro” Prost…
Wein aus Frankreich war (und ist) traditionell überteuert. Eine Preisanpassung ist längst überfällig. Was Rotweine betrifft, so habe ich schon vor ein paar Jahren mallorquinische Weine für mich entdeckt (fangen meisten mit “Son” an, nur so als Tipp). Schöne Weine für jeden Tag findet man auch in dem Anbaugebiet “Saale-Unstruth” (auch relativ weit nördlich) Aber die besten Rieslinge der Welt kommen für mich noch immer von der Mosel. Wer einmal einen Scharzhofberger Riesling (für mich “state of the art”) von Egon Müller getrunken hat, verwendet andere Weißweine nur noch als Schorle. Ich hatte früher gerne auch direkt bei Othegraven eingekauft, aber seit Günther Jauch dieses Weingut gekauft hat, sind Weine von dort ein “no go” für mich. Manchmal muss man einfach Haltung zeigen. Aber, um nochmal auf Ihren Artikel zurückzukommen, Herr Etscheid: polnische Weine, was zum Teufel haben sie sich davon erwartet? Wer Wein aus Polen trinkt, der trinkt auch Bier aus Australien.
Nur eine von vielen Möglichkeiten, sich an die Gegebenheiten anzupassen: in manchen südlichen Ländern werden die Reben so gezogen, daß die Blätter den Boden beschatten, während Moselwinzer ihre Stöcke so anpflanzen, daß möglichst viel Sonne den Boden erreicht. Ein mir bekannter Moselwinzer (Steillage) erzählte, daß man darüber hinaus noch Schiefer aufgebracht und damit im Sommer bis zu 70 Grad Bodentemperatur erreicht habe. Steillage sei für die Pflege der Reben auch praktisch, da müsse man sich nicht bücken. In der Pfalz habe ich früher auch große Tanklastzüge mit Most aus Italien gesehen….
In Grünberg, Schlesien (heute Zielona Gora) wird seit 800 Jahren Wein angebaut. Seinerzeit war die Region das größte Weinanbaugebiet Preußens. Auch heute gibt es dort noch ein jährliches Winzerfest. Über die Qualität des Weins ist mir allerdings nichts bekannt.
Mir schmeckt kein Pinot Noir außer dem aus Burgund. Terroir ist eben alles, Klimawandel hin oder her.
Und wer trinkt Ungarweine? Leider in Deutschland kaum zu bekommen. Ich bevorzuge Somloi Weine, habe als alter Preuße aber keine Ahnung und bin auf der Hauptschiene Bierkonsument aus Tschechien.