Georg Etscheit / 19.01.2025 / 12:00 / Foto: WikiCommons / 10 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Fernsehköche, die Freibeuter in weiß

Kochshows sind das wohl letzte Refugium für Männer, die noch Männer sein dürfen. Allerdings scheint es, als würde die Mehrzahl dieser Spezies aufgrund krimineller Energie häufig hinter Gitter landen.

Ganz selten stolpert man im Programm der Öffentlich-Rechtlichen noch über die eine oder andere Sendung, die es wert ist, dass man ihr Zwangsgebühren und Lebenszeit opfert. Für mich zählt dazu jeden Samstag der BR-Dauerbrenner „Kunst & Krempel“, das seriöse Vorbild für die seichte ZDF-Antiquitäten-Verticker-Show „Bares für Rares“ mit dem nervigen Ex-Fernsehkoch Horst Lichter und seinem Zwirbelbart, den man sich schon immer ungern dabei vorstellen mochte, wie er mit seiner ausladenden Haarpracht eine Sauce abschmeckt.

Außerdem liebe ich „alpha-retro“ auf dem wenig bekannten Spartenkanal ARD alpha, wo regelmäßig „Filmschätze“ aus den Archiven präsentiert werden, anmoderiert von einer modernen Dame ganz in schwarz-weiß, wie es sich gehört. Etwa die Kochsendungen von Clemens Wilmenrod, Deutschlands erstem Fernsehkoch, die in den fünfziger und sechziger Jahren über die Schwarz-weiß-Bildschirme flimmerten. Wenn man sieht, wie unbeholfen Wilmenrod, ein mittelmäßig erfolgreicher Schauspieler, der von Kochen keine Ahnung hatte, hier mit allerlei Küchengeräten hantiert, und welch unbedarfte Kreationen er seinen Zuschauern vorsetzt, muss konstatieren, dass es offenbar doch so etwas wie Fortschritt gibt, auch auf kulinarischem Gebiet.

Seine Kreationen bedachte er oft mit Phantasienamen wie „Arabisches Reiterfleisch“ für eine Hackfleischpfanne oder „Heringssalat bretonische Art“ für einen Fischsalat, der mit der Bretagne so viel zu tun hat wie das bayerische Oberland mit Fines de Claire-Austern – auch das berühmt-berüchtigte Toast Hawai mit Scheiblettenkäse, Pressschinken und Dosenananas auf einer Scheibe Fabriktoast inklusive künstlich schmeckender Cocktailkirsche soll eine Eingebung Wilmenrods sein.

„Hipp-Hopp-Partyfisch“

Der als ultimative Delikatesse gepriesene „Heringssalat nach Art der bretonischen Fischer“ beinhaltete unter anderem Bananen- und Tomatenscheiben, Zutaten, die die Fischer in Frankreichs hohem Norden selten zur Hand gehabt haben dürften. Außerdem schnippelte Wilmenrod Äpfel und rohe Zwiebeln in seinen Salat und übergoss ihn mit einer schnell aus fertigem Tomatenketchup und etwas süßer Sahne zusammengerührten Sauce.

Angesichts dieses Sammelsuriums kann allenfalls die charmant-altväterliche Art, mit der Wilmenrod seine Gaumenfreuden präsentierte, allfällige Übelkeitsgefühle vertreiben. Wilmenrods Kochshow wurde 1964 abgesetzt, unter anderem, weil man ihm Schleichwerbung vorwarf. Eigentlich wirkte der eloquente Mann mit dem dünnen Oberlippenbärtchen immer etwas wie ein Hochstapler, eine Eigenschaft, die er mit anderen Fernsehköchen gemein hat, deren Karriere nicht selten vor Gericht endeten. Alfons Schuhbeck, der im Landsberger Knast gerade seine erste Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung absitzt und einem zweiten Strafprozess entgegensieht, ist nur einer von vielen.

Erinnert sich noch jemand an Max Inzinger? Der gebürtige Ruhpoldinger war in den siebziger und achtziger Jahren eine große Nummer, überhob sich dann aber mit einer Beratungsfirma und wurde wegen Konkursverschleppung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Später setzte er sich nach Südafrika ab, weil neue Vorwürfe wegen Immobilienbetrügereien gegen ihn erhoben wurden. 2021 starb er in Johannesburg. Besondere kulinarische Spuren hat Inzinger nicht hinterlassen, wenn man von seinem Gaga-Rezept für einen „Hipp-Hopp-Partyfisch“ absieht, den sich Fußballlegende Sepp Maier munden ließ.

Freibeuter in weiß

Auch Johann Lafer, Hansdampf in allen Gassen und Meister der Selbstvermarktung, hatte mal Ärger mit den Steuerbehörden, kam jedoch glimpflich davon und beglückt die Zuschauer bis heute weniger mit Esprit als mit Allgegenwart. Immerhin hatte er mal zwei Michelin-Sterne erkocht, anders als der etwas nasskalt wirkende Tim Mälzer, Deutschlands Antwort auf Jamie Oliver, oder der präpotente Steffen Henssler, in dessen Kulinarikshow „Grill den Henssler“ sich sogar Fürstin Gloria von Thurn und Taxis zum Narren machte.

Köche, die wirklich etwas draufhaben, lassen sich nicht im Event-Fernsehen verheizen. Und sie landen in der Regel auch nicht hinter Gittern. Vielleicht muss man sich, wenn man das Phänomen der Fernsehköche erklären will, klar machen, dass es sich meist um Männer eher bescheidener Herkunft handelt, die sich aus den Küchen-Katakomben ins Licht der Öffentlichkeit geboxt haben. Manchen von ihnen wie Alfons Schuhbeck scheint der Ruhm dermaßen zu Kopf zu steigen, dass sie irgendwann das ganz große Rad drehen wollen und dabei auf die Nase fallen, wobei in manchen Fällen auch ein gehöriges Maß krimineller Energie im Spiel ist.

Vom Publikum werden die Freibeuter in weiß angehimmelt. Kochshows sind das wohl letzte Refugium für Männer, die noch Männer sein dürfen - weiße Männer vor allem, von Alibi-Immigranten wie Nelson Müller oder Ali Güngörmüs einmal abgesehen. Und sie erfüllen im Fastfood- und Convenience-Zeitalter noch eine andere, systemerhaltende Funktion. Sie wiegen die Zuschauer in der Illusion, all die schönen Sachen jederzeit nachkochen zu können, wenn man nur wolle. Dann greifen die meisten aber doch wieder zur Tiefkühlpizza.

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

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Peter Bauch / 19.01.2025

Kochsendungen die ich mir früher angesehen habe, waren die mit Kathrin Rüegg und Werner O. Feißt. Gott hab sie selig. Total entschleunigt und alles nachkochbar. Für die Zubereitung eines einfachen Rührei haben die auch schon mal eine ganze Sendung gebraucht.

W. Renner / 19.01.2025

Gegen die Freibeuter in rot-grün, sind die weissen Mützen doch Zwerge. Nur mit kochen, sind zwar einige bekannt, gar berühmt, aber noch keiner reich damit geworden. Zu letzterem braucht es eben medialen Erfolg und /oder ein einträgliches Franchise Konzept. Die wirklich erfolgreichen, sind auch hier an 10 Fingern abzuzählen und haben sicher hart dafür gearbeitet. Im Gegensatz zu polit-Bauchrednern, die lebenslang auf Kosten von Steuerzahlern leben.

Ralf Pöhling / 19.01.2025

Der Sinn beim Kochen ist die Zubereitung eines leckeren Gerichts, das dann den Gästen auch schmecken muss. Der Sinn ist nicht, bei der Zubereitung zuzuschauen und sich das Essen dann nur anzuschauen. Insbesondere dann nicht, wenn das Gericht ein geheimes Rezept enthält, das für den Koch und seine Expertise bei der Zubereitung ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, was seine Existenz im internationalen Wettbewerb sichern soll. Ein Koch, der sein geheimes Rezept im TV einfach so offenbart, hat es ja plötzlich mit Massen von Nachahmern zu tun, die ihm dann Konkurrenz machen und ihn schlimmstenfalls sogar aus dem Wettbewerb werfen. Darum sollte ein Koch sein geheimes Rezept niemals vor Kameras und Mikrofonen einfach so offenbaren. Über alltägliche Dinge, die man für das Kochen so braucht, kann man sicher sinnieren. Aber wenn es wirklich ans Eingemachte geht, ist absolut Feierabend. Da heißt es dann abhörsichere Küche, ausgewähltes Personal, keine Smartphones, keine Wanzen und kein neugieriges TV Team mit Kameras. Auch dann nicht, wenn die mit den Geldscheinen wedeln. Denn wer sein geheimes Rezept verrät, der macht bestenfalls ein Einmalgeschäft, wenn er denn vom aufdringlichen TV Team überhaupt bezahlt und nicht übers Ohr gehauen wird. Er verliert mit der Preisgabe seines geheimen Rezepts sein Alleinstellungsmerkmal und damit die Fähigkeit, auf eigenen Füßen zu stehen. Kein Koch sollte so blöd sein. Keiner. Mal abgesehen davon: Was gilt eigentlich für den Fall, dass ein TV Team einen Koch heimlich bei der Zubereitung filmt, ohne dass der Koch dem zugestimmt hat und auch dann nicht damit aufhört, wenn der Koch das Team auffordert, endlich mit dem Filmen aufzuhören? Richtig, das ist eine Straftat. Nein, es sind mehrere Straftaten. U.v.A. Spionage. Und der Versuch ist bereits strafbar. Unabhängig davon, ob das geheime Rezept nun schon ergaunert worden ist oder nicht.

Anna Hegewald / 19.01.2025

Zum Glück schaue ich generell nahezu keine Fernsehsendungen mehr. Das, was ich doch mal mitbekomme, hinsichtlich der Kochsendungen, brauche ich nicht. Mir würde es darum gehen, mit vertretbarem Aufwand (also wenig Vorbereitungszeit- und Wartezeit) ein (frisch zubereitetes) Essen auf den Tisch zu bringen, was preislich nicht abgehoben ist - also erschwinglich, schmackhaft und das, was man als „gesund“ bezeichnet. Ohne deshalb vegetarisch oder gar vegan sein zu müssen. Aber so was lernt man da nicht. Kann weitgehend weg aus meiner Sicht. Und ab und zu fiel mir auch Lebensmittel-Verschwendung auf, die mich prinzipiell stört.

Wolf Hagen / 19.01.2025

Nicht zu vergessen, der durch Adoption eingedeutschte Türke Attila Hildmann, der zwar keine eigene Kochshow hatte, dafür aber jahrelang in jeder zeitgeistigen Nonsens-Sendung Gastauftritte hatte, um dort seine vegane Pampe zu promoten. Alles egal, was zählte war, er hatte einen Migra-Hintergrund, lebte vegan und wohnte, ähnlich wie seine grün-woken Jünger in einer Traumwelt, die keinerlei Widersprüche ertrug. Vorbestraft war Attila schon seit seiner Jugend, aber natürlich geläutert und nun erfolgreich, was somit für die meist links-woken Veganer kein Problem darstellte. Allerdings nur, bis er, wie eine andere grün-woke Ikone, nämlich Greta Thunberg, das grün-rot-woke Regierungsnarrativ öffentlich in Frage stellte. Während Thunberg bis heute Juden ins Meer treiben möchte, um Palästina zu befreien, wandte sich Hildmann zuerst gegen das Corona-Narrativ, aber leider nicht nur das, sondern er erging sich auch in diversen Verschwörungstheorien aller Art. Schließlich wurde er wegen diverser Vergehen angeklagt und befindet sich derzeit auf der Flucht, wahrscheinlich untergetaucht in der Türkei.

Christian Feider / 19.01.2025

eine sehr weit hergeholte “Erklärung” des Phänomens.. Bei Mälzer zumindest weiss ich,woher der Hype kam….er arbeitete nebenher als Azubi auf der Internorga als Showkoch,dort kam er in Kontakt mit Fernsehcrews und ab da bis zur eigenen Show war es mit grosser Klappe und Oma-Flüsterer-charme nicht mehr weit. Eingeführt hat den Blödsinn in D übrigens Bocuse

Wilfried Düring / 19.01.2025

Der beste Fernsehkoch hieß Alfred Biolek! Im Gegensatz zu seinen mißratenen Nachfolgern war ‘Bio’ auch ein passabler Talkmaster. Mahlzeit.

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