Georg Etscheit / 19.02.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 11 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Faschingskrapfen-Kreationen

Zum Fasching gehört der Krapfen, auch als Berliner bekannt (und in Berlin Pfannkuchen genannt). Inzwischen gibt es ihn in zahlreichen Variationen, nicht selten mit abenteuerlichen Füllungen von irischem Sahnelikör bis hin zu schauriger Hagebuttenmarmelade. 

Mit der Vielfalt ist das so eine Sache. Sie kann anregend und bereichernd sein, solange sie nicht von oben verordnet wird. Sie kann aber auch anstrengend sein, weil man sich andauernd für oder gegen etwas entscheiden muss. Wie schön war es doch, als man einfach einen „Kaffee“ bestellen konnte und dann Kaffee serviert wurde. Das höchste der Gefühle war die Nachfrage: Tasse oder Kännchen? Und, wenn man auf der Terrasse Platz genommen hatte, vielleicht die pampige Ansage: „Draußen nur Kännchen.“

Dann kam der Cappuccino ins Land und der Komplexitätsgrad der Kaffeebestellung legte gleich mal ein paar Punkte zu. Jetzt galt es nicht nur, sich zwischen Kaffee und Cappuccino entscheiden zu müssen. Dazu gesellte sich die Frage, ob man das italienische Heißgetränk mit Sahne oder Milchschaum, mit oder ohne Kakaopulver präferiere. In der Folge erweiterte sich der verwirrende Raum der Möglichkeiten noch um Latte macchiato, Café au lait, kleine, große, verlängerte Espressos multipliziert mit der Option „mit oder ohne Zucker“ und den unterschiedlichsten Varianten von Kaffeeweißern, heiße, kalte, lauwarme Milch, Kondensmilch sowie Mandel- und Sojamilch für unsere veganen Freunde. Ganz zu schweigen von unterschiedlichen Kaffeesorten und der unvermeidlichen Bio-Option. 

Wenn man heute im Hotel vor einem Kaffeecomputer modernster Bauart steht, weiß man nie, wo man drücken soll. Und wenn man aus Verzweiflung einfach irgendwo drückt, hat man vielleicht nur die Heißwasserfunktion erwischt – für einen Tee, der in ebenfalls hundertfacher Ausführung neben dem Automaten beutelweise bereitsteht. In solch einem Fall nehme ich am liebsten, so vorhanden, die Ostfriesenmischung. Kennen Sie den? „Warum machen die Ostfriesen immer nur eine Viertelstunde Teepause? Weil man sie zur Arbeit sonst wieder neu anlernen müsste“. Ein Brüller.

Verwirrende Vielzahl von Krapfen-Kreationen

Zurück zur Vielfalt, die sich gerade auf dem Feld der Faschingskrapfen zu beweisen trachtet. In seligen Zeiten der Übersichtlichkeit beschränkte sich das Angebot in den mit Luftschlangen und Luftballons dekorierten Auslagen der Bäckereien auf gefüllte und ungefüllte Krapfen, je nach Mundart auch Kreppel oder Berliner (Pfannkuchen) genannt. Als Füllung gab es standardmäßig Aprikosenmarmelade, die gut passt, weil sie nicht zu dominant ist und geschmacklich dem Hefeteig den Vortritt lässt. Gehobenere Konditoreien hatte oft auch neben den mit Zucker oder Puderzucker bestreuten Krapfen auch glasierte im Angebot, wobei deren Oberfläche mit Aprikosenmarmelade bestrichen („aprikotiert“) und dann mit Zuckerguss überglänzt wurde. 

Mehr konnte man sich eigentlich nicht wünschen, zumal die Krapfenzeit bald wieder vorbei war. Heute räumen die Konditoreien schon Wochen vor Fasching ihre Auslagen, schieben Amerikaner, Nussschnecken und Schweinsohren zur Seite, und bestücken sie mit einer verwirrenden Vielzahl von Krapfen-Kreationen - einfachere Ausführungen sind mittlerweile das ganze Jahr über erhältlich. 

Die Erfindung des Vanille- und Schokokrapfens - gefüllt mit Vanille- oder Schokoladenpudding, habe ich noch begrüßt, auch ein Pflaumenmuskrapfen, erinnernd an böhmisches Hefebackwerk, erscheint mir sinnvoll und geschmacklich überzeugend. Doch dann kam der Baileys-Krapfen mit einer auf dem aufdringlichen irischen Sahnelikör basierenden Füllung nebst Glasur, der Tiramisu-Krapfen, der oft so voluminös gerät, dass man ihn nur mit Messer und Gabel essen kann oder, ganz aktuell, ein Krümelmonsterkrapfen. 

Pikante Variante

Die Münchner Abendzeitung entdeckte jüngst in der heimlichen deutschen Krapfenmetropole auch einen Limoncello-Krapfen, einen Himbeer-Grapefruit-Krapfen oder einen extrem gehaltvollen Mousse-au-chocolat-Krapfen. Natürlich wird mittlerweile alles, was es an Marmeladen in der großen Trommel bei Bäko gibt, wahllos in einen wehrlosen Krapfen appliziert, bis hin zu schauriger Hagebuttenmarmelade.  

Letzteres erinnert mich ein wenig an jene mit Senf gefüllten Scherzartikel, die einem Kreppelkaffee zur Fastnacht im vertrauten Kreis die gewisse Würze gaben. Kein Schwerz ist die Erfindung eines Bosna-Krapfens durch einen Bäckermeister aus dem oberbayerischen Miesbach, eine pikante Variante der Fastenspeise, gefüllt mit einem Würstel und Curry-Ketchup-Soße nebst angeschmolzenen Zwiebeln. „Der Bosna-Krapfen ist ein Nischenprodukt“, wird der kreative Handwerker vom Münchner Merkur zitiert, worin ihm gewiss nicht zu widersprechen ist.

Den Bosna-Krapfen gibt’s kalt direkt aus der Theke und warm aus der Pfanne. Die mutmaßliche Originalversion einer Bosna – ohne Krapfen – gibt es übrigens in Salzburg, wo ein Bulgare kurz nach Kriegsende diese besondere Form eines Bratwurstsandwichs erfunden haben soll. Gästen der Salzburger Festspiele wird vom Verzehr der Spezialität, die längere Pausengespräche unmöglich macht, abgeraten.

Schlemmen vor der Fastenzeit

Allerdings hat die Krapfenvielfalt auch ihre Grenzen. Unlängst wude ein Heilbronner Bäcker von der städtischen Diskriminierungsstelle abgemahnt, weil er Krapfen mit „diskriminierenden Dekorationen“ angeboten habe. Die Figuren auf dem Süßgebäck zeigten neben Chinesen, (weißen) Cowboys auch „Darstellungen schwarzer und indigener Menschen“. O-Ton der Behörde, die aufgrund einer Kundenbeschwerde vulgo Denunziation tätig geworden war: „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass sich Darstellungen dieser Art stereotyper Bilder bedienen. Es handelt sich um eine Reproduktion kolonialistischer Vorstellungen und einer Geschichte von Unterdrückung und kultureller Aneignungen.“ Der Bäcker wurde aufgefordert, das Dekomaterial „diskriminierungssensibel“ abzuändern.

Wenn man mich fragen würde, welche Krapfenvariante(n) ich bevorzugen würde, würde ich sagen: keine. Das liebste Schmalzgebäck ist mir die Ausgezogene, auch Knieküchle genannt, weil Bauersfrauen den Hefeteig über ihrem Knie auszogen, bevor er in heißem Fett ausgebacken wurde. Außen bildet sich auf diese Weise ein Wulst, während das Gebäck innen dünn und kross wird. Dadurch kommt man in den abwechslungsreichen Genuss zweier Texturen. Füllen kann man eine Ausgezogene zum Glück nicht, nur mit Puderzucker sollte man sie bestreuen und am besten noch warm essen. Eine kleine, feine Mahlzeit, die an den sättigenden Ursprung der aktuellen Krapfenschwemme erinnert. Schließlich beginnt nach Fasching die entbehrungsreiche vorösterliche Fastenzeit. 

 

Georg Etscheit schreibt jetzt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

S. E. L. Mueffler / 19.02.2023

Im Rheinland werden sie Puffeln genannt. Ich mag die übliche Himbeer- oder Hagebuttenfüllung, obenauf Puderzucker. Rosenmontag auch gerne mit Eierlikörcreme oder mit Punschmarmelade, dann mit Zuckerguss,  dazu ein lecker Tässchen Kaffee, möglichst auf der Terasse genossen. Härrlisch!!!

Volker Kleinophorst / 19.02.2023

PS.: Um den Krapfen herum schreibt man mit Zuckerguss: Es sind ja nicht alle so. Für Grüne: Deutsche tun das auch. Wie im wirklichen Leben.

Rainer Hanisch / 19.02.2023

@Andreas Elmshorner: “warum zum Teufel nennen Berliner den Berliner Pfannkuchen?” Nicht nur Berliner nennen den Berliner Pfannkuchen! 100 km südlich - in Wittenberg - hießen diese Dinger ebenfalls Pfannkuchen. Hatten aber mit den heute gebräuchlichen Teigklumpen nichts gemein. Jedenfalls nicht mit dem Zeug, was in Franken “handelsüblich” ist. Das ist ein Teig, der mit den nördlicheren Pfannkuchen nicht identisch ist. Aber süß, das Hiffenmark (wenn es denn welches ist) ebenfalls.

Hubert Bauer / 19.02.2023

Krapfen mit Hiffenmark (Hagebutte) sind aber in Franken ein Klassiker. Süßer Teig und bittere Füllung finde ich gut.

SeppHerzog / 19.02.2023

Beim Lesen des Artikels erinnerte ich mich, dass 1991 im Zuge der unsäglichen und völlig überflüssigen Entscheidung zur Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin in den Auslagen der Bonner Konditoreien die bis dato „Berliner“ genannten Krapfen in „Bonner“ umgetauft worden waren. Dies geschah aus trotzigem Lokalpatriotismus; weder Geschmack noch Bekömmlichkeit konnten entscheidend verbessert werden. Bonn Alaaf!

Sirius Bellt / 19.02.2023

Ich fand den klassischen Berliner früher sehr gut und als Kind gehörte er zu meinen Lieblingsspeisen. Mittlerweile vertrage ich ihn nicht mehr so gut. Zum selbermachen fehlt mir die Lust bzw. der Arbeitsaufwand ist mir zu hoch. Also gibt es bei uns stattdessen selbstgebackenen Mandelkuchen. Den essen alle gerne und wer will bringt noch Berliner vom Bäcker mit.

Andreas Elmshorner / 19.02.2023

Was Kaffee betrifft: Einfach sagen “mit Schuß Putinoff, hälftig, mach hinne”. Was den Krapfen betrifft: Da ist ja das “Berliner mit Senf” bekannt als Spaß. Als Norddeutscher gefällt mir der mit Heringssalatfüllung noch weit besser. Und ganz ernsthaft, wer den auf Party erwischt, macht sicher ein angewidertes Gesicht, weil “es sich so gehört”, denn das schmeckt tatsächlich sehr lecker. Allenfalls ist man etwas überrascht, weil nicht erwartete Chemiesubstanz mit Fruchtaroma im Teig steckte. Ich selbst mache mir den Krapfen/Berliner (warum zum Teufel nennen Berliner den Berliner Pfannkuchen?, aber das ist Nebenkriegsschauplatz) übrigens am liebsten mit Erdnußbutter, welche schön durchwalkt ist mit Camembert und Knoblauch und mit Kirschlikör abgerundet. Guten Appetit!

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