Georg Etscheit / 29.09.2024 / 12:00 / 13 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Erdbeermarmelade

Immer, wenn ich in Frankreich unterwegs bin, gehe ich auf die Suche nach ein paar schönen Gläsern. Manchmal mache ich sogar einen Umweg, um einen besonders guten Hersteller aufzusuchen.

Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen ist die Erdbeermarmelade meiner Großmutter. Genau genommen handelte es dabei sich nicht um Marmelade, denn die wird laut Deutschem Lebensmittelhandbuch mit Zitrusfrüchten hergestellt. Erdbeerkonfitüre wäre korrekt. „Confire“ bedeutet auf Französisch so viel wie einmachen, einkochen, in diesem Fall mit Zucker, viel Zucker, in der Regel im Verhältnis 1:1, also nochmal so viel Zucker wie Früchte. Ohne Zucker gehts nicht, auch wenn die Gesundheitsapostel ihn zum Feind erklärt haben. Wie vieles andere, was schmeckt. 

Zurück zu meiner Großmutter. Ihr Marmeladenvorrat befand sich in einem großen, dunklen Eichenschrank auf dem Flur vor ihrer Wohnungstür und er muss wohl abgeschlossen gewesen sein, sonst hätten sich vielleicht Nachbarn oder ungebetene Besucher daran schadlos gehalten. Die Gläser waren mit einem Cellophanhäutchen verschlossen, das gespannt war wie ein Trommelfell. Und auf der Vorderseite waren Etiketten angebracht, die noch in Sütterlin beschriftet waren. Manchmal bildete sich unter dem Häutchen ein Schimmelpropf. Heute würden Hausfrauen das gesamte Glas sofort entsorgen, aus Angst, sich eine Schimmelpilzvergiftung zu holen. 

Doch meine sparsame Großmutter, die zwei Kriegte miterlebt hatte, hob den Schimmelrasen mit einem Löffel vorsichtig ab. Und dann wurde die Marmelade mit den schönen, großen Fruchtstücken aus dem eigenen Garten, natürlich gegessen. Mit ist nicht erinnerlich, dass einmal jemand davon krank geworden wäre. Eine echte Erdbeerkonfitüre wie die meiner Großmutter kann sogar reifen, dann wird der Inhalt immer zäher und konzentrierter. Und man wird sich bewusst, dass Konfitüre eigentlich eine Süßigkeit ist. 

Ich esse Konfitüre ohnehin a la francaise

Die Russen essen Konfitüre gerne zum Tee, als eine Art Konfekt, vor allem Sauerkirschen, die oft mitsamt Stiel und Kern eingemacht werden. Sauerkirschkonfitüre nach Art des russischen Schriftstellers Anton Tschechow („Der Kirschgarten“) wird zwar aus entsteinten Früchten gemacht, doch mit bis zu einem Kilogramm Zucker auf ein Pfund Kirschen, die vormals direkt aus den berühmten Obstgärten des Melichowo-Gehöfts in der Region Moskau stammten, wo der Dichter von 1892 bis 1899 lebte. 

Nicht nur die Russen sind Meister der Konfitürenzubereitung. Auch die Franzosen verstehen sich bestens darauf. Immer, wenn ich in Frankreich unterwegs bin, gehe ich auf die Suche nach ein paar schönen Gläsern. Manchmal mache ich sogar einen Umweg, um einen besonders guten Hersteller aufzusuchen. Einer befindet sich mitten in den Vogesen direkt an einer Landstraße. Dort erspart sich der Test, dem ich Konfitüren immer unterziehe, bevor ich sie kaufe: Ich kippe das Glas ein wenig, um zu sehen, ob der Inhalt noch leicht flüssig ist. Eine Fruchtkonfitüre muss laufen, meine ich, selbst wenn sie dann vom Butterbrot herunterzutropfen droht. Doch ich esse Konfitüre ohnehin a la francaise, indem ich ein paar Löffel auf den Frühstückteller gebe und dann immer ein wenig auf ein Ende der Brotscheibe oder eines Croissants träufele und sofort abbeiße.

Sauerkirschen geben meines Erachtens die besten Konfitüren, außerdem Zwetschgen, Aprikosen, Mirabellen. Himbeerkonfitüre ist natürlich ein Klassiker, doch bitte ohne Kerne! Dasselbe gilt für Brombeeren. Manchmal findet man auf Märkten auch Heidelbeerkonfitüre von wilden Früchten, die in Südtirol Schwarzbeeren heißen – kann man anstelle von Preiselbeeren zu Fleischgerichten essen. Auf Erdbeermarmelade stehe ich heute nicht mehr so, sie ist mir in der Regel zu süß. Ein Widerspruch? Nein, denn etwas Säure sollte eine Konfitüre, so viel Zucker sie auch enthalten mag, ebenfalls aufweisen. Zur Not kann man mit Zitronensaft oder Ascorbinsäure nachhelfen.

Allenfalls vertretbar ist Erdbeer-Rhabarber

Die Öko- und Gesundheitswelle hat zumindest in Deutschland leider längst auch den Frühstückstisch erreicht. Viele Konfitüren werden mit viel zu wenig Zucker gemacht. Sie ähneln eher einem Kompott und werden irgendwann grau und unansehnlich. Auch von der Mode, exotische Früchte zu Konfitüren zu verarbeiten, halte ich wenig. Woke Mischungen wie Litschi-Banane-Kiwi oder ähnliches, gehören eigentlich verboten. Allenfalls vertretbar ist Erdbeer-Rhabarber oder Himbeer-Sauerkirsche und von mir aus ab und zu ein Schuss Kirschwasser oder einer ähnlichen Spirituose zur geschmacklichen Abrundung. Aber eigentlich geht nichts über den reinen Fruchtgeschmack, unter der Voraussetzung natürlich, dass man reife und aromatische Früchte erwischt hat.

Wenn ich jetzt lese, dass die traditionsreiche Produzent Schwartau aus Schleswig-Holstein Umsatzrückgänge bei klassischen Konfitüren verzeichnet und sich zuckerreduzierte Alternativen „bewährt“ hätten, macht mich das etwas traurig. Bald knabbern wir wohl nur noch an irgendwelchen, angeblich so gesunden Cerealien. Geht hier schon wieder eine gute Tradition den Bach herunter?  Nichts gegen ein echtes Birchermüsli mit frisch geriebenen Äpfeln, aber niemand sollte sich einbilden, dem Körper mit den oft extrem süßen, industrielle hergestellten Müslimischungen etwas Gutes zu tun, die meterweise die Supermarktregale füllen.

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mitgegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

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Leserpost

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W. Renner / 29.09.2024

@Emil.Meins: Ihr Hobby und ihren Enthusiasmus in Ehren, aber haben Sie mal ausgerechnet, was sie am Ende ein Gläschen ihrer Handmanufaktur Konfitüre kostet, die Arbeitszeit mal garnicht eingerechnet? Ob Sie da mit 6,50 pro Glas hinkommen, sei mal bezweifelt.

M.Brüggemann / 29.09.2024

Vielleicht liege ich ja falsch, aber nach meiner Meinung haben die Dänen es raus: Die Produkte von Den Gamle Fabrik sind einfach Klasse und meiner Ansicht nach auch nicht gekocht, weshalb sie den Konservierungsstoff Sorbinsäure enthalten, der sich auch in Heidelbeeren befindet. Ebenfalls gute Marmeladen machen die Engländer bei Chivers. Und ganz zum Schluss ist es die Marmelade meiner Frau, welche Erdbeeren direkt vom Feld gepflückt zu einem unvergleichlichem Genuss werden lässt.

Franz Klar / 29.09.2024

Konfitüre a la francaise essen heißt , sie vorher in den Milchkaffee zu tunken . Früher mit ´ner Gauloise im Mundwinkel…Hier ging definitiv eine gute Tradition den Bach herunter !

Sam Lowry / 29.09.2024

Ich habe gerade ein halbes Glas selbstgemachter Brombeermarmelade entsorgt, da sich etwas Schimmel auf der Oberfläche andeutete. Mein Motto: Für 50 Cent muss ich nicht im Krankenhaus landen. Ich werfe ja ungern Essen weg, aber wie gesagt: Für 50 Cent?

Emil.Meins / 29.09.2024

@Jens Kruse schreibt: “Ich koche meine Marmelade selbst ein.(...) Nach den Kochen in Twist-Off- Gläser gefüllt hält die Marmelade ca. ein Jahr aber ich hab schon mal eins gefunden was drei Jahre alt war und der Inhalt war immer noch geniesbar. ” ==> Wenn die Marmelade unter sterilen Kautelen abgefüllt wird,(Erklärung: “Sterile Kautelen” bezieht sich auf die Maßnahmen, die ergriffen werden, um sicherzustellen, dass eine medizinische Prozedur in einer sauberen und keimfreien Umgebung durchgeführt wird), dann hält sie locker mehrere Jahre. Ich habe in meinem Vorrat Zwetschgenmarmelade von 2018, die keinerlei Veränderungen aufweist und schmeckt, wie gestern abgefüllt. Und auch einige noch ältere Gläser, die völlig in Ordnung sind. Wichtig ist, die Gläser absolut sauber zu spülen, dann wird jedes Glas in einem Topf mit kochendem Wasser 20 Sekunden erhitzt und auf einem gebügelten Geschirrtuch abgestellt (mit Holzgreifzange oder Silikonzange rausholen). Die Deckel werden einige Minuten in einem Topf gekocht, unter Zusatz von etwas Kaliumdisulfat( =der “Schwefel”, der im Wein rumschwimmt), oder Zitronensäure, und ebenfalls mit der Zange auf dem Geschirrtuch gelagert. (Die Gläser mit einem gebügelten (=weitgehend keimfrei) Geschirrtuch abdecken, damit sie nicht zu sehr auskühlen). Marmelade möglichst heiß einfüllen, Deckel drauf (nicht innen anfassen), und 2 Minuten auf den Kopf stellen. Nach dem Umdrehen abkühlen lassen ohne Erschütterung. Man kann auch die Gläser in der Spülmaschine im möglichst heißen Programm waschen, sollte auch keimfrei sein, wegen des stark alkalischen Spülmittels. Noch heiß rausholen. Wer ganz sicher gehen will sprüht den Deckel innen mit hochprozentigem Alkohol ein, ggfs. auch die Oberfläche der Marmelade. Industriell abgefüllt wird eine Cellophanfolie auf die Eimer gelegt, nach Besprühen der Oberfläche, dann nochmal Alkohol und dann Deckel drauf. (Selbst in den 80er Jahren in der Fabrikation gearbeitet)...

L. Luhmann / 29.09.2024

“Doch meine sparsame Großmutter, die zwei Kriegte miterlebt hatte, hob den Schimmelrasen mit einem Löffel vorsichtig ab. Und dann wurde die Marmelade mit den schönen, großen Fruchtstücken aus dem eigenen Garten, natürlich gegessen. Mit ist nicht erinnerlich, dass einmal jemand davon krank geworden wäre.” - Tjaaaaa… - So ziemlich jeder Pilz besitzt mehr oder weniger starke Gifte, die sich gegen Feinde richten - und wir können zu den Feinden zählen. Glauben Sie nicht, dass Ihre Großmutter das verschimmelte Zeugs mit dem Mycel und seinen “Fruchtkörpern” verworfen hätte, wenn nicht beide Kriege erlebt hätte? Meine Großeltern sind damals jedenfalls kein diesbezügliches Risiko eingegangen. Es wurde sogar einmal ein Batzen Fleisch während des Krieges im Ofen entsorgt, weil er seltsam roch ... wer weiß, vielleicht wurde auch nur der Psyche ein kollektives Opfer gebracht, welches die vielköpfige Familie im Hunger enger zusammenschmiedete ... ... Pilzgifte können tückisch und extrem giftig sein——> Aflatoxin!

Emil.Meins / 29.09.2024

Eigentlich wollte ich nicht weiter darauf eingehen, aber nachdem ich den Link des Autors zu seiner Französischen Manufaktur kurz angeschaut habe, noch ein Wort: Dort wird angeboten “Pèche infusée au Maté” und Poire Au Gingembre, wozu ich sage “Geschmackssache, sprach der Affe, als er die Seife fraß!”, die Preise von 6,50 bis 8,80 € sind schon sehr “Au-delà du bien et du mal”, für ein Gläschen von 350 Gramm. Steht natürlich jedem frei, der nicht willens oder in der Lage ist, selbst Marmelade zu kochen, sein Geld so auszugeben, wenn er es leicht genug verdient, Manche glauben ja in solchen Fällen “Das bin ich meinem Image schuldig” (und das Geld meiner Bank…..). Da hätte mein Marmeladenkonsum mich schon zum armen Mann gemacht, vermutlich… Aber eigentlich geht es darum: es werden dort “Vos étiquettes personnalisées !” angeboten. Dann sage ich doch etwas dazu….Ich drucke meine Etiketten, versehen mit Illustrationen der jeweiligen Früchte, die man im Internet ja zuhauf finden kann, mit Bezeichnung und Produktionsdatum auf gewöhnlichem Schreibmaschinen-oder Kopierpapier aus. Jedes Schreibprogramm hat irgendwo im Menu den Punkt “Etiketten”, das erleichtert die Sache, wenn man einmal den Dreh raushat, und sich die Vorlagen fürs nächste Jahr speichert. Aufgeklebt werden sie mit einem vorher gut angefeuchteten Nachahmerprodukt des Pritt-Klebestiftes aus dem Billigladen, Das hält wunderbar auf den Gläsern und vor allem läßt es sich ohne Fisimatenten (= im weitesten Sinne alle Handlungen, die Umstände oder Probleme verursachen) mit Spülwasser einfach wieder abwaschen, das Papier selbst löst sich sogar auf, wenn es nass wird. Was bei den so schönen fertig gekauften Etiketten meist nicht so einfach ist. Auf denen steht dann dafür “Mit Liebe gekocht”, auch wenn man sie mühselig von den Gläsern kratzen muss. Aber der heutige Edelmensch wirft ja die Gläser ohnehin in den Müll und kauft dann neue im Supermarkt, und nennt sich “nachhaltig”. Viel Spaß und Erfolg!

Jens Kruse / 29.09.2024

Ich koche meine Marmelade selbst ein. Da hier gleich um die Ecke ein großes Erdbeerfeld ist kaufe ich dort immer die B-Ware da diese günstiger ist als das was man als Tafelobst versteht. 5kg reichen in unserem Haushalt bis zur neuen Ernte. Eingekocht wird mit Gelierzucker 2:1. Wir mögen es nicht so süß. Bei einer kleinen Menge kommt noch ein guter Schuss Hochprozentiges dazu. Nach den Kochen in Twist-Off- Gläser gefüllt hält die Marmelade ca. ein Jahr aber ich hab schon mal eins gefunden was drei Jahre alt war und der Inhalt war immer noch geniesbar. Ich wende lieber zweiStunden im Jahr auf als das Zeug aus dem Supermarkt zu kaufen.

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