Wie, warum und wann Starkoch Heppner angeblich zu den Reichsbürgern abdriftete, harrt der Aufklärung durch deutsche Sicherheitsorgane. Wäre er vielleicht zum Chef der Schlossküche am Hofe des neuen Reichsverwesers oder sogar Monarchen Heinrich XIII. Prinz Reuß ernannt worden, zum Reicherztruchsess?
„Starkoch“-Dämmerung in Deutschland. Zuerst wurde Alfons Schuhbeck zu drei Jahren Knast verurteilt und harrt seines Haftantritts, danach segnete Heinz Winkler das Zeitliche und Johann Lafer, 65, hat auch schon seine Biografie vorgelegt. Jetzt erwischte es Frank Heppner. Der Münchner spielte zwar nie in der Liga der Vorgenannten, durfte sich jedoch zumindest in Süddeutschland größerer Wertschätzung erfreuen. Er gilt als Erfinder der „euro-asiatischen“ Küche, die mit ihren Anklängen an fernöstliche Geschmäcker und Zubereitungsmethoden unterdessen die Hochgastronomie prägt. Wobei Zweifel an seiner exklusiven Urheberschaft angebracht sind, weil auf den Gedanken, Geschmackswelten verschiedener Länder und Kontinente zu kombinieren, natürlich auch viele andere Köche gekommen sind.
Der ganz große Aufstieg hätte Heppner vielleicht noch bevorgestanden, wäre er nicht im Verlauf der groß angelegten Polizeirazzia gegen eine vermeintliche Putschistenorganisation sogenannter „Reichsbürger“ um „Terror-Prinz“ Heinrich XIII. Prinz Reuß in einem Kitzbüheler Luxushotel festgenommen worden. Er wartet derzeit in einem Innsbrucker Gefängnis auf seine Auslieferung.
Er hätte laut diverser Medienberichte nach erfolgreicher Absetzung der Berliner Ampelregierung die „Kantinen des neuen Reichs“ übernehmen sollen, was immer darunter zu verstehen ist. Vielleicht meinten die Kollegen ja das von dem Münchner Feinkostunternehmer Michael Käfer geführte Dachgarten-Restaurant auf dem Berliner Reichstagsgebäude.
„Nachschub des militärischen Arms der Reichsbürger“
Zudem soll der 62-Jährige zu einem „Führungsstab“ gehört haben, der für die Umsturzpläne und die militärische Machtübernahme in Deutschland zuständig gewesen sei. Mit seiner Starkoch-Expertise sollte er für den „Nachschub des militärischen Arms der Reichsbürger“ sorgen. Er stehe in Verdacht, für das nicht näher beschriebene „Vorhaben der Truppe“ Lebensmittel, Küchenutensilien und ein Notstromaggregat besorgt zu haben. Ebenso ein Wohnmobil, das er mit seiner Kreditkarte bezahlt haben soll. Wer würde bei „Wohnmobil“ nicht sofort an die Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) denken, die ihre Untaten zum Teil aus einem Wohnmobil heraus begingen? Frage: Warum eigentlich nicht bar, das wäre anonymer gewesen?
Sein sinnlich-leichter Kochstil sei nicht nur darauf ausgerichtet, dem Gaumen höchste Wonnen zu bereiten, er verleihe dem Körper Kraft, Energie und Geist, heißt es in einer Beschreibung von Heppners Kochkunst. Er widme sich, analog eines Ausspruchs des XIV. Dalai Lama, „der Liebe und dem Kochen mit wagemutiger Sorglosigkeit“. Wagemutige Sorglosigkeit – das könnte die Antwort sein.
Frank Heppner stammt, wie erwähnt, aus München. Einem Fragebogen zufolge wollte er schon mit acht Jahren Koch werden, ist Vater zweier Kinder, lebte zum Zeitpunkt der Fragen in Scheidung und arbeitet in der Küche am liebsten mit einer Spitzzange von Rösle. Rösle ist ein renommierter Hersteller hochwertiger Küchengeräte; eine Spitzzange sieht aus wie eine große Pinzette, mit der man Fleisch und anderes Bratgut wenden, aber auch Zutaten auf Tellern drapieren kann, weshalb die Sternegastronomie zuweilen als „Pinzettenküche“ bezeichnet wird.
Falls Heppner von den Putschisten neben seinem verantwortungsvollen Amt als „Reichsernährungsminister“ in spe und direkter Nachfolger des grünen Vegetariers Cem Özedmir auch als Feldscher vorgesehen war, hätte er mit seiner Spitzzange und allfälligen Küchenmessern durchaus kleinere Operationen durchführen können, etwa Polizeikugeln aus Putschistenkörpern entfernen. Heppners Lieblingsgericht ist laut vorgenanntem Fragebogen „Wiener Schnitzel mit Hummer“, eine etwas durchgeknallte Kombination, typisch Reichsbürger eben. Wobei die Betonung des österreichischen Nationalgerichts auf großdeutsche Ambitionen der Putschisten hinweisen könnte.
„Michael-Jackson-Frühlingsrolle“
Seine Jugendzeit verbrachte Heppner in Montreux, seine Lehrzeit absolvierte er im Münchner Ratskeller. Es folgten das Luxushotel Bachmeier am Tegernsee, die Hilton Hotels in Amsterdam, Straßburg und Genf sowie ein Jahr in der Küche von Eckard Witzigmanns Restaurant Aubergine, dem einstigen Tempel der „Nouvelle Cuisine“ in Deutschland. Nach seiner Meisterprüfung zog es ihn nach Asien: Hilton International im koreanischen Seoul, Peninsula Hotels auf den Philippinen und in Hongkong.
Mit asiatischen Inspirationen im Gepäck kehrte Heppner nach ein paar Jahren als Küchenchef des Nobel-Restaurants Mark's im Hotel Rafael (dem heutigen Mandarin Oriental) in seine Heimatstadt zurück. Dort durfte er Internetquellen zufolge Prominente wie Cindy Crawford oder Elton John bewirten. Selbst Michael Jackson, so heißt es, habe bei ihm für seine Feste die „Michael-Jackson-Frühlingsrolle“ bestellt.
Im Jahre 2008 eröffnete Heppner in München das Restaurant „Momo“, eine, wie es heißt, Hommage an die phantastische Geschichte von Michael Ende mit L-förmigem Gastraum und Show-Küche in minimalistischen Design. Ein Restaurantkritiker der Süddeutschen Zeitung war vom Interieur weniger begeistert als von Heppners Küche. O-Ton: „Der roh marinierte Schwertfisch etwa bekommt durch asiatische Kräuter eine feine Pointierung. (…) Ein illustrer Hochgenuss war auch der mit koreanischen Zutaten subtil angeschärfte Tatar vom bayerischen Biorind.“
Nur die Heppnerschen Frühlingsrollen, die Michael Jackson bei einem München-Besuch im Hotel Rafael begeistert genossen und nach Amerika nachbestellt haben soll, fielen durch: „Die paar Gramm Gemüse und Maispoulardenfleisch in den betonrohrsteifen Röllchen hatten während der Lagerung oder Zubereitung jeglichen Geschmack eingebüßt.“
Ein geniales Ablenkungsmanöver?
Bis vor kurzem war Heppner Küchenchef des euro-asiatischen Fine-Dining-Restaurants Sra Bua im Kempinski-Hotel „Das Tirol“ bei Kitzbühel, das sich laut Webseite momentan in einer „kreativen Pause“ befindet. Wie, warum und wann Heppner angeblich zu den Reichsbürgern abdriftete, harrt der Aufklärung durch deutsche Sicherheitsorgane. Offen bleibt einstweilen auch, wie man sich seine sinistre Tätigkeit im Dienste der zum Teil recht betagten Umstürzler genau hätte vorstellen sollen.
Wäre er als moderner „Vater Courage“ mit seinem Marketender-Mobil hinter der Truppe hergezogen, um die nicht mehr ganz jungen Jungs mit allem Nötigen zu versorgen, etwa mit Ersatz-Kampfrollatoren oder passierter Seniorenkost? Oder hätte er sogar aktiv in die Kampfhandlungen eingegriffen?
Wäre er vielleicht zum Chef der Schlossküche am Hofe des neuen Reichsverwesers oder sogar Monarchen Heinrich XIII. Prinz Reuß ernannt worden, zum Reicherztruchsess? Gar mit Dienstsitz im wieder aufgebauten Berliner Stadtschloss, das dann endlich eine würdige Bestimmung gefunden hätte? Oder sollte ihm im neuen, alten Großdeutschen Reich eine Rolle zukommen wie dem Berliner Gastronomen Otto Horche, der in den dreißiger Jahren die Nazi-Elite verköstigte, die Sausen von Reichsfeinschmecker Hermann Göring in Carinhall caterte und sich schließlich mit dessen Protektion ins Franco-Reich absetzte, um in Madrid ein Luxusrestaurant zu eröffnen, das bis heute existiert und wo man mitten im Tapas-Land reichsdeutschen Genüssen frönen kann, wie einer Linsencremesuppe mit Brotcroutons und Frankfurter Würstchen zum Preis von 26 Euro?
Mysteriös erscheint, warum die angeblichen Putschisten ausgerechnet einen Vertreter der euro-asiatischen Fusionküche zum Reichsernährungsminister und Hofkoch in spe erkoren haben sollen. Oder frönt Heppner insgeheim reaktionären Genüssen wie Anton Schmaus, Koch der deutschen Nationalelf, der seinen Restaurantgästen in Regensburg internationales Crossover vorsetzt, es aber privat am liebsten bayerisch-deftig mag?
Außerdem ist Heppners Tochter Shalima mit dem prominenten Fußballer David Alaba (einst FC Bayern, jetzt Real Madrid und Mitglied der österreichischen Nationalmannschaft) liiert, dessen Vater aus Nigeria und dessen Mutter von den Philippinen stammt. Shalimas Mutter, Heppners mutmaßlich geschiedene Frau, kommt wiederum aus Asien. Ein geniales Ablenkungsmanöver? Fragen über Fragen.
Georg Etscheit schreibt jetzt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.