Georg Etscheit / 27.04.2025 / 12:00 / Foto: K.I / 20 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Das Menue bei der Papstwahl

Weil die Kardinäle aus allen Teilen der Welt anreisen, ist der Speiseplan bei der Papstwahl international gestaltet, wobei Pizza und Pasta immer gehen. Bei den letzten beiden Konklaven gab es unter anderem Baked Onion, also gebackene Zwiebeln.

„Gesegnete Mahlzeit“. Mit diesen Worten überraschte Franziskus wenige Tage nach seiner Wahl zum Papst die Menschenmenge auf dem Petersplatz. Ein Stellvertreter Christi auf Erden, der seinen Anhängern eine gesegnete Mahlzeit wünscht? Das hatte es wohl noch nie gegeben. In diesem Augenblick war klar, dass das Pontifikat Jorge Mario Bergoglios kein sehr kulinarisches werden sollte.

Der Jesuit aus Argentinien wies alles zurück, was er als „Pomp“ verstand, logierte statt im Apostolischen Palast im Domus Sanctae Marthae, dem Gästehaus des Vatikans, trug abgeschabte Deichmann-Treter anstelle der von Papst Benedikt bevorzugten roten Schuhe, die an die Passion Christi erinnern sollen. Liturgie interessierte ihn kaum, die Anhänger des alten, feierlichen Messritus kanzelte er ab. Immerhin rief er nicht auch während der Eucharistie vom Altar aus „Gesegnete Mahlzeit“ in den Kirchenraum.

Jahrhundertelang war in den Gemäuern des Vatikans große Küche angesagt. Leo X. (1513-1521) aus dem Hause Medici war berühmt für seine ausschweifenden Bankette, bei denen er oft mehrere tausend Gäste mit extravaganten Speisen beglückte, etwa Papageienzungenpudding. Auch Lerchenzungen galten dereinst als ultimative Delikatesse, nicht nur in Monty Pythons „Das Leben des Brian“.

Der Speiseplan im Vatikan änderte sich grundlegend

In den Jahren 1534 bis 1576 wirkte mit Bartolomeo Scappi, dem „Michelangelo der Köche“, einer der berühmtesten Küchenchefs seiner Zeit als päpstlicher Leibkoch im Vatikan. Die von ihm kredenzten Gaumenfreuden hätten dafür gesorgt, so wurde kolportiert, dass das Konklave 1549/1550, das zur Wahl Julius III. führte, mehr als zwei Monate gedauert habe. Die Kardinäle hätten einfach nicht heimreisen wollen.

Spätestens mit dem Amtsantritt von Johannes Paul II. im Jahre 1978, dem ersten Nicht-Italiener auf dem Papst-Thron seit 1523, änderte sich der Speiseplan im Vatikan grundlegend, mehr und mehr zog ein, was man heute als Ethno-Food zu bezeichnen pflegt. Karol Wojtyla liebte deftige Speisen aus seiner polnischen Heimat, Kremowka, ein Brandteigkuchen, gebuttertes Brötchen sowie ein Glas Ziegenmilch zum Frühstück, polnisches Fleisch zum Mittagessen und polnischen Aufschnitt zum Nachtmahl, alles zubereitet von polnischen Nonnen.

Sein 2005 gewählter Nachfolger Benedikt XVI., der seinerzeit erste deutsche Papst seit 482 Jahren, mochte bayerische Hausmannskost, darunter Regensburger Wurstsalat. Ab und an soll er sich, Gipfel pontifikalischer Ausschweifungen, aus der unweit des Vatikans gelegenen Trattoria „Ambasciata die Capri“ ein Dessert habe kommen lassen, vielleicht ein Parfait oder Millefoglie, die Spezialität des Hauses.

Es wird wieder spannend, auch kulinarisch

Mit Bergoglio fanden südamerikanische Gerichte Eingang in den päpstlichen Speiseplan, darunter Empanadas, gefüllte Teigtaschen, die den von Johannes Paul II. geschätzten Piroggen ähneln. Franziskus, dessen Vorfahren aus dem Piemont nach Argentinien ausgewandert waren, schätzte aber auch italienische Hausmannskost wie Pizza und Bagna Cauda, auf die Bergoglio regelrecht scharf gewesen sein soll, wenn man solcherlei Unmäßigkeit einem Papst nachsagen darf.

Idealtypisch für den sich bescheiden und volksnah gebenden Jesuiten dürfte auch die Speisenfolge jenes Gastmahles gewesen sein, das Franziskus am 19. November 2017 zum „Tag der Armen“ gab. Damals wurden 151 Tische im Vatikan aufgebaut, an denen der Papst zusammen mit 1500 Gästen, zumeist Arbeits- und Obdachlosen, ein gemeinsames Mittagessen einnahm: Gnocchi, Kalbfleisch, Polenta und Brokkoli, zum Nachtisch gab es Tiramisu. Wer will, kann in dem Namen der Süßspeise („Zieh mich hoch!“) eine Aufforderung an den Herrn sehen, die sündige Menschheit aus dem Tal der Tränen ins Himmelreich zu lupfen.

Nach Bergoglios Tod im Alter von 88 Jahren wartet die Welt gespannt auf die Kür eines neuen katholischen Kirchenoberhauptes. Zu den Papabile zählen neben mehreren Italienern auch ein Ungar, ein Malteser, ein Afrikaner sowie ein Kardinal von den Philippinen. Es wird wieder spannend, auch kulinarisch.

Ein Foodtrend in den sozialen Medien

Vor der Kür eines neuen Papstes steht das Konklave mit seinen speziellen Ritualen, nicht zuletzt die Nahrungsaufnahme betreffend. Mit dem 1274 veröffentlichten und unter Papst Bonifaz VIII. (1294-1303) ins Kirchenrecht aufgenommenen Dekret „Ubi periculum“ wurden erstmals eindeutige Ausführungsbestimmungen für eine Papstwahl festgelegt. Darunter jene Regelung: Sollte die Wahl nach drei Tagen zu keinem Ergebnis geführt haben, erhalten die Kardinäle täglich nur eine Mahlzeit. Nach weiteren fünf Tagen wird als einmaliges Tagesessen Brot, Wein und Wasser angeordnet.

Ganz so frugal geht es heute bei der Papstwahl nicht mehr zu. Mittlerweile wohnen die Kardinäle während des Konklaves im 1996 eröffneten, fünfstöckigen Gästehaus innerhalb des Vatikans und werden von Nonnen aus einer modernen Großküche versorgt. Weil die Kardinäle aus allen Teilen der Welt anreisen, ist der Speiseplan international gestaltet, wobei Pizza und Pasta als Leitgenüsse der globalisierten Moderne immer gehen. Bei den letzten zwei Konklaven waren offenbar auch gebackene Zwiebeln sehr beliebt bei den Eminenzen, als Baked onion ein Foodtrend in den sozialen Medien.

Die Zubereitung ist denkbar einfach: Eine Gemüsezwiebel wird geschält, kreuzweise eingeschnitten und mit einer Mischung aus Gewürzen und geschmolzener Butter übergossen. Anschließend wird sie in Alufolie gewickelt und im Ofen gebacken, bis das Fruchtfleisch weich und leicht karamellisiert ist. Das Ergebnis ist eine süße, aromatische Zwiebel, die Schicht für Schicht genossen werden kann. So wie sich bei einem Konklave, Schicht für Schicht, ein neuer Papst herausschält, bis weißer Rauch aufsteigt. Wenn das keine treffende Analogie ist.

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: K.I

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Leserpost

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Gerd Maar / 27.04.2025

@ Holger Chavez: Zu dem Thema gibt es einen kardinalen Kalauer. Was haben Bischöfe und Spargel gemeinsam? Wenn sie oben violett geworden sind, werden sie ungenießbar…

Ralf Pöhling / 27.04.2025

Ich weiß nicht, ob es beabsichtigt war, aber nach dem Genuss dieses Artikels bekomme ich jetzt richtig Hunger. ;-)

Boris Kotchoubey / 27.04.2025

@Peter Fels: “Ein Wunder, ein Wunder!” - oder vielleicht haben die Exzellenzen einfach die zweite Pizza bestellt?

F.Lux / 27.04.2025

Ich meine,bei einem ordentlichen Schweinsbraten könnte man sich schon einigen :-)...

U. Frey / 27.04.2025

Wenn diese Salami nicht vom Schwein ist, verweigere ich den Genuß. Darauf zehn Liter Dunkelbier. Soweit sind wir schon gekommen. Die Franzosen (UvD) sind dümmer als ich dachte. Eigentlich sind sie dümmer, als die Polizei erlaubt. Und das will schon was heißen.

W. Renner / 27.04.2025

Als Snack zwischendurch sollte doch Popecorn gereicht werden.

Klaus Keller / 27.04.2025

An Lutz Herrmann: Selfies von Maggus von der Beerdigung kann man vermeiden in dem man ihm den Vortritt lässt. Beim Bundespräsident ist das schwieriger weil die Versammlung immer neue wählt. Sozialverträgliches Frühableben lehne ich für mich zur Zeit ab. Bei Maggus hätte ich nichts dagegen, wie man sich denken kann.

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