Um sich angesichts der Aussichten gegen eine aufkommende Depression zu wappnen, hilft schlafen, saufen oder fressen. Eine Consommé ist, in der Mundart der Schon-länger-hier-Lebenden eine Kraftbrühe, und was sie zu etwas Besonderem macht.
Unlängst war ich zu Gast in einem schönen Landgasthaus im bayerischen Jura unweit des Altmühltals. Eine zauberhafte Landschaft mit bizarren Kalkfelsen, Wachholderheiden, auf denen seltene Pflanzen wie lila Kuhschellen wachsen, stillen Tälern und Weilern. Leider sollen in dieser dünn besiedelten Gegend bald jede Menge Windräder gebaut werden, was den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der in Ingolstadt seinen Wahlkreis hatte, zu einer geharnischten Kritik an den Planungen animierte.
Die riesigen Maschinen passten nicht in die malerischen Landschaften Bayerns, meinte er. Als Seehofer noch im Amt war, konnte er, das muss man dem alten CSU-Kämpen lassen, mit einer bundesweit einmaligen Windkraft-Abstandsregelung das Schlimmste verhindern. Doch unter seinem Nachfolger, dem wendigen Söder, und seinem nicht weniger biegsamen Wirtschaftsminister Aiwanger sind auch in Bayern alle Dämme gebrochen und die noch von Ampel-Habeck zusammen mit seiner Kamarilla durchgesetzte Vorgabe, zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft zu reservieren, werden, Planungsregion für Planungsregion, gnadenlos umgesetzt.
Um sich angesichts dieser Aussichten gegen eine aufkommende Depression zu wappnen, hilft schlafen, saufen oder fressen. Auf der interessanten Speisekarte des erwähnten Gasthofes, der auch vom „Feinschmecker“ lobend erwähnt wurde, fand ich eine Speise mit Seltenheitswert: eine Tafelspitzconsommé mit Kaiserschöberl als Einlage. Was Kaiserschöberl sind, erkläre ich später. Zunächst geht es darum, was eine Consommé ist, in der Mundart der Schon-länger-hier-Lebenden eine Kraftbrühe, und was sie zu etwas Besonderem macht.
Eine echte Kraftbrühe herzustellen, ist keinesfalls trivial
Die meisten Fleischbrühen werden leider mit Hilfe von Brühwürfeln hergestellt, schmecken kaum nach Fleisch und sind meist extrem salzig. Wenn ein unambitionierter Koch dann noch ranzelnde Backerbsen aus dem Gastrogroßhandel darüberstreut, kann man verstehen, warum solche Brühen keinen allzu guten Ruf besitzen und bestenfalls als Krankenkost durchgehen. Kranken, so die gängige Meinung, kann man schließlich alles vorsetzen. Eine Frechheit, wie ich finde. Ein Grund, warum man sich nur im äußersten Notfall ins Krankenhaus einliefern lassen sollte, ist die verheerende Verpflegung.
Eine echte Kraftbrühe herzustellen, ist keinesfalls trivial. Dazu braucht es erst einmal eine einfache Fleischbrühe, auch Bouillon genannt, aus welchem Fleisch – Rind, Kalb, Wild, Geflügel – auch immer. Das Siedefleisch wird zusammen mit Knochen des jeweiligen Tieres, Wurzelwerk, Suppengrün und gebräunten Zwiebelhälften etwa zwei Stunden gekocht. Gesalzen und mit Schnittlauch bestreut, ist das Ergebnis schon verzehrfertig. Wer keine Angst mehr vor BSE hat, kann in die fertige Suppe blanchierte Markscheiben einlegen.
Um daraus jedoch eine Consommé herzustellen, muss die Grundbrühe weiter aufgepowert und zugleich geklärt werden. Dazu wird zunächst das erstarrte Fett von der kalten Rindssuppe abgehoben. Sodann wird neues Fleisch, das nun Klärfleisch heißt, mit Wurzelwerk und Lauch grob faschiert, mit Gewürzen (Pfeffer, Thymian, Lorbeerblatt), Eiweiß und Eiswürfeln und der Hälfte der kalten Suppe verrührt und eine halbe Stunde in Ruhe gelassen. Dann gießt man den Rest der Suppe an und kocht alles unter Rühren auf, um es dann eine Stunde an der Siedegrenze ziehen zu lassen, wobei das Klärfleisch nun an der Oberfläche schwimmt.
Zuletzt wird die Consommé durch ein Tuch abgeseiht und mit nicht zu viel Salz abgeschmeckt. Man kann diese Suppe „nature“ servieren oder mit einem Schuss Sherry oder Madeira verfeinern. Mit der doppelten Menge Klärfleisch erhält man eine doppelte Kraftbrühe (Consommé double). Voilá! Jetzt ist die Bühne bereitet für die Einlagen. Wer es sich einfach machen will, gibt einfach kleine Nudeln in die Suppe. Oder man schneidet einen übrig gebliebenen Pfannkuchen in Streifen und macht die Suppe damit zur Frittatensuppe.
Markknödel, Griesknödel, Leberknödel
Etwas mehr Aufwand erfordern diverse Klöschen: Markknödel, Griesknödel, Leberknödel. Für einen Eierstich (“Royale“) werden Eidotter mit Rindssuppe und Salz verschlagen und im Wasserbad stocken gelassen. Dann schneidet man die Masse in kleine Würfel. Die Königsdisziplin sind Schöberl. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um einen mit zerlassener Butter angereicherten, salzigen Biskuitteig, der flach ausgestrichen und nach dem Backen in Karos geschnitten wird. Zusätzlich mit geriebenem Käse vermischt, werden daraus die in dem von mir erwähnten Gasthof kredenzten Kaiserschöberl.
Gut möglich, dass man bei dem, was sich gerade in Berlin zusammenbraut, in Zukunft öfter mal eine Kraftbrühe braucht. Oder gleich einen Beef-Tea. In Marie Schandri‘s Regensburger Kochbuch (Ausgabe 1919), einem Klassiker der bayerischen Küche, wird dazu ein Pfund klein gewürfeltes Rindfleisch in eine Champagnerflasche (!) gesteckt und zwei bis drei Stunden im Wasserbad gekocht. Wenn man alles richtig gemacht hat, erhält man eine Kaffeetasse einer klaren, gelblichen Flüssigkeit, die Kranke oder Merz-Geschädigte wieder zu Kräften verhelfen soll.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mitgegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.