Der Names für das bayerische Schmorgericht Böfflamott ist erklärungsbedürftig. Man muss allerdungs nicht polyglott sein, um hier die Verbalhornung eines französischen Ausdrucks zu vermuten.
Schöne Schmorgerichte sind leider immer seltener auf deutschen Speisekarten anzutreffen. Ihre Zubereitung ist meist recht aufwändig und es braucht fachkundiges Personal, um den langen Garprozess überwachen zu können. Außerdem machen solche der bodenständigen, bürgerlichen Küche entstammenden Speisen nicht viel her, zumindest nicht genug, um die immer höheren Preise in der Gastronomie zu rechtfertigen. Da muss es schon ein Hirsch-, Lamm- oder Rinderfilet sein, kurz gebraten natürlich und accompagniert von ein paar dekorativen Tupfern eines immergleich schmeckenden Jus.
Deshalb stehen Rezepte wie das für ein echtes, bayerisches Böfflamott mittlerweile auf der Roten Liste bedrohter Arten. Da heißt es zuschlagen, wenn man es einmal in einem Wirtshaus entdeckt. Erfreulicherweise gibt’s ein Böfflamott auch auf dem Münchner Oktoberfest, etwa im Zelt der Schützenlisl – „nach bayerischem Rezept“ mit kaltgerührten Wildpreiselbeeren und handgedrehtem Semmelknödel.
Der Name ist erklärunsgbedürftig. Man muss nicht polyglott sein, um hier die Verbalhornung eines französischen Ausdrucks zu vermuten. In der Tat leitet sich Böfflamott von dem französischen Boeuf à la mode ab. Der Begriff für ein gebeiztes, in Soße geschmortes Stück Rindfleisch soll während der napoleonischen Zeit nach Bayern importiert worden sein, wobei offenbar der Anhang verloren gegangen ist. Denn eigentlich müsste nach „à la“ oder „à la mode de/du“ noch eine Ergänzung folgen, die die jeweilige Machart näher spezifiziert. Wie „à la bourgeoise“ - auf bürgerliche Art“ oder „à la bourguignon“ - in Rotweinsoße und ähnliches.
Alfons Schuhbeck, der Erneuerer der bayerischen Küche
In alten Kochbücher ist bei einem Böfflamott auch schlicht von „Soßfleisch“ die Rede. Die vorgeschriebenen Zutaten weisen darauf hin, dass es sich ursprünglich um eine Art von Sauerbraten handelte, weil die Beize mit Weinessig und Wasser zubereitet wurde und, wenn überhaupt, erst zum Schluss ein Gläschen Rotwein zur Geschmacksabrundung hinzukam. Während modernere Rezepte indes ausschließlich Rotwein für die Marinade vorschreiben, keinen Essig. Das einzige Böfflamott, das ich selbst einmal gegessen hab, war jedenfalls nicht besonders sauer, aber wunderbar zart und, wegen der langen Marinier- und Kochzeit außerordentlich geschmackvoll.
Eigentlich wurde früher Essigbeize verwendet, um ein vielleicht nicht besonders zartes Stück Fleisch überhaupt genießbar zu machen. Bei den heutigen Fleischqualitäten tut es auch ein Rotwein, wobei der Grad der Säure im später fertigen Gericht vom Säuregehalt des verwendeten Tropfens abhängt – der Alkohol sollte vollständig verdampft sein, weil die Soße sonst brandig schmecken könnte. Ein modernes Boeuf à la mode dürfte daher mehr einem Boeuf à la bourguignon ähneln, woher der Name vielleicht herrührte. Lassen wir den Sauerbraten also Sauerbraten sein.
Wenn es um echt bayerische Schmankerl geht, berufe ich mich gerne auf den immer noch im Gefängnis schmachtenden Alfons Schuhbeck, den Erneuerer der bayerischen Küche. Er lässt für die Beize Puderzucker karamellisieren und löscht den Karamell mit einem kräftigen Rotwein ab. Am besten, man greift zu einem nicht zu teuren, südfranzösischen Gewächs. In dieser Beize darf sich dann eine flache Rinderschulter drei bis sechs Tage lang ausruhen, ehe man sie in Pflanzenöl rundherum anbrät.
Heute soll alles „natürlich“ schmecken
Im Bratensatz lässt Schubeck Tomatenmark anschwitzen, um es mit einem Gläschen Cognac abzulöschen. Dann wird mit der auf ein Drittel eingekochten Beize sowie Fleischbrühe aufgegossen. Dahinein kommt die angebratene Rinderschulter nebst klein geschnittenen Wurzelgemüsen. Erst zwanzig Minuten vor der dem Ende der auf drei Stunden angesetzten Garzeit gibt Schuhbeck diverse Gewürze hinzu: Zimtrinde, Pimentkörner, Pfefferkörner, Sternanis, Wacholderbeeren, Knoblauch, Ingwer, Zitronen- und Orangenschale und sein geliebtes „Lorbeerbladl“.
Doch sind Schmorgerichte immer etwas aufwändig und vor den Genuss hat Gott die Arbeit gesetzt. Deshalb muss die Soße noch durch ein Sieb passiert und noch etwas eingekocht werden. Nichts ist schlimmer, als eine nicht ausreichend reduzierte Soß! Nun empfiehlt Schuhbeck die Zubereitung einer Essigreduktion, gewissermaßen als Ersatz für die nicht vorhandene Essigbeize. Dazu soll man noch einmal etwas Puderzucker karamellisieren lassen, der mit Rotweinessig abgelöscht und mit Butter gebunden wird. Mit dieser Reduktion sowie mit Zucker, Salz und Cayennepfeffer wird die Soße leicht säuerlich abgeschmeckt.
Dazu gibt es Knödel aller Art und Herkunft, ich würde einen Serviettenknödel empfehlen. Natürlich schmeckt ein solchermaßen über viele Stunden behandeltes Stück Rindfleisch nicht mehr vordringlich nach Rind, sondern vor allem nach den vielen schönen Zutaten, die man ihm beigegeben hat. Heute soll alles „natürlich“ schmecken, was immer das heißt. Für mich bedeutet der Primat der Natürlichkeit eigentlich nur eines: Arbeitsverweigerung.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.