Die typisch deutsche Unsitte getrennter Rechnungen wurde schon zum Alptraum so mancher Gastronomen. Und tatsächlich lässt oft Loriot grüßen, wenn man die Teilungstänze einiger Gäste beobachtet.
Im folgenden daher die fiktive Szene eines Restaurantbesuchs: Eine vierköpfige Gesellschaft möchte gehen: „Die Rechnung bitte!“
Der Ober (eilt herbei mit einer langen Liste): „Das macht 280 Euro gradeaus. Wie wollen Sie zahlen, bar oder mit Karte?“
Erster Gast: „Mit Karte, aber getrennt bitte, wir beide und das Ehepaar dort.“ (Zeigt auf die andere Seite des Tisches.) „Also, ich hatte eine Wildsuppe, eine Roulade und einmal Crema catalana. Schatz, und Du?“
Frau des ersten Gastes: „Ich hatte auch die Suppe und das vegetarische Gericht, Dessert keines. Aber hattest Du nicht den Eisbecher?“
Erster Gast: „Ach ja, die Creme hattest Du oder nicht?“ (Zeigt auf den zweiten Gast.)
Zweiter Gast: „Nein, einen Fruchtsalat. Ich glaube niemand von uns hatte Crema catalana. Du wolltest sie bestellen, bist dann aber auf den Eisbecher umgeschwenkt.“
Erster Gast: „Stimmt, ich bin einfach zu vergesslich, weiß nicht mal mehr, was ich gerade gegessen habe!“
Ober (verzieht keine Miene): „Also, dann zweimal Wildsuppe, Roulade, das vegetarische Gericht – Kässpätzle oder den Gemüseauflauf?“
Erster Gast: „Schatz, Kässpätzle oder Auflauf?“
Frau des ersten Gastes: „Ich hatte den Auflauf.“
Ober: „Und dann einmal den Fruchtsalat.“
Erster Gast: „Nein: Eisbecher!!! Fruchtsalat war da drüben.“ (Zeigt auf den zweiten Gast.)
„Das Wasser übernehmen wir!“
Ober: „War das jetzt alles bei Ihnen?“
Erster Gast (aufgeräumt): „Wir hatten ja noch etwas zu trinken oder geht das aufs Haus?“
Zweiter Gast: „Das Wasser übernehmen wir!“
Erster Gast: „Oh, danke, das ist nett von Euch, muss aber nicht sein, können wir auch.“
Zweiter Gast: „Nein, nein, Du hattest ja alles organisiert!“
Erster Gast: „Also gut und danke nochmal. Wir hatten, glaube ich, zweimal den Chardonnay, der war übrigens nicht schlecht, und zwei Espressi.“
Ober: „0,1 oder 0,2?“
Erster Gast (aufgeräumt): „Die Espressi?“
Ober: „Nein, der Wein natürlich!“
Erster Gast: „Ich glaube 0,2, können Sie nochmal nachschauen?“
Zweiter Gast: „Deine Frau hatte doch einen Sauvignon blanc!“
Ober (zum ersten Gast): „Sie hatten Chardonnay, 0,2, die Dame Sauvignon blanc, 0,1. Wars das jetzt?“
Vom Nebentisch: „Wir möchte auch zahlen, Herr Ober, wie lange dauert das denn noch mit dem Auseinanderklamüsern?“
„Wolltet Ihr nicht den Aperitif übernehmen?“
Ober: „Also das wars jetzt?“
Erster Gast: Ja, jedenfalls bei uns, ach nein, ich hatte noch einen Willi. Oder wars das Zwetschgenwasser?
Ober: „Bei mir steht Williams Christ. Habe ich jetzt alles?“ (Ober holt einen Taschenrechner, tippt lange darauf herum.) „Also zwei Suppen, Roulade, Gemüseauflauf, Eisbecher, Wein, zweimal Espresso und den Schnaps. Macht 121 Euro. Sie zahlen bar?“
Erster Gast: „Nein mit Karte.“ (Leise zur Frau:) „Wieviel Trinkgeld sollen wir geben?“
Frau des ersten Gastes: „Ach, warte doch, bis die anderen bezahlt haben, das machen wir dann gemeinsam.“ (Laut zum Ober:) „Die Rechnung bitte zum Absetzen!“
Ober (wendet sich den beiden anderen Gästen zu): „Der Rest geht auf Sie?“
Zweiter Gast (zum ersten Gast): „Wolltet Ihr nicht den Aperitif übernehmen?“
Ober: „Ich habe hier noch vier Gläser von unserem Cremant, Hausmarke.“ (Zum ersten Gast:) „Der geht dann noch auf Sie?“
Erster Gast: „Ja, das kommt dann noch dazu, bitte verzeihen Sie, dass wir Ihnen solch eine Mühe machen.“ (Ober denkt nach.)
Erster Gast (bemüht heiter): Kopfrechnen schwach, setzen, haha!
Ober (entgegnet nichts): Bei Ihnen wären es jetzt 151 Euro.
Erster Gast (leise zur Frau): 160 ist zu viel, oder?
Frau des ersten Gastes: Nein, man gibt doch immer so um die zehn Prozent!
Erster Gast: „Aber nicht in einem gehobenen Wirtshaus wie diesem. Das gilt doch nur für Gourmetrestaurants. Aber warten wir erstmal, bis die anderen ihre Rechnung haben.“
„Das Steak war eine Spur zu durch.“
Ober: „Jetzt also zu Ihnen.“ (Wendet sich den beiden anderen Gästen zu.) „Ich habe hier auf meiner Liste für Sie ein Steak mit Kartoffelspalten und extra Ofengemüse, für die Dame Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat.“
Frau des zweiten Gastes: „Pommes frites, ich hatte umbestellt.“
Ober: „Das muss ich Ihnen dann berechnen, Beilagenänderung kostet zwei Euro.“
Zweiter Gast: „Das Steak war eine Spur zu durch. Ich hatte medium bestellt, aber es war fast durch.“
Ober: „Das tut mir leid, ich sage es der Küche.“
Zweiter Gast: „Eine Spur. Wenn ein Steak auch nur eine Minute zu lange gebraten wird, ist es ruiniert.“
Ober: „Sie hatten dann noch zwei Vorspeisen, geräucherter Saibling, und als Dessert einmal den Fruchtsalat.
Zweiter Gast: Das Brot zum Fisch war etwas trocken.“
Ober: „Das Wasser wollten Sie übernehmen?“
Zweiter Gast: „Ja, zwei Flaschen Bad Mergentheimer, sanft.“ (Zur Frau:) „Wir hatten doch sanft, oder?“
Ober: „Das macht preislich keinen Unterschied. Sie hatten dann noch ein Helles, 0,5, die Dame einen Pinot grigio, 0,1.“
Zweiter Gast (heiter): Und auch zwei Espressi als Rausschmeißer. Den Willi hatte nur der Willi, er heißt wirklich Willi – zeigt auf den ersten Gast.
(Ober rechnet.)
Zweiter Gast (zu seiner Frau): „Du hattest doch noch eine Extraportion Preiselbeerkompott zum Schnitzel, nicht wahr?“
Frau: „Gut, dass Du Dich erinnerst, sonst wären wir das schuldig geblieben.“
(Ober beginnt von vorne zu rechnen.)
Frau des zweiten Gastes: „Das Kompott war toll. War das hausgemacht?“
Ober: „Ja, bei uns ist alles hausgemacht.“
Ober (fängt noch einmal an zu addieren): Ich hätte dann für Sie beide 129 Euro.
Erster Gast: „Können Sie bitte die Beträge noch einmal zusammenrechnen, wegen des Trinkgeldes?“
Ober: Das hatte ich doch anfangs schon: 280 Euro.
Erster Gast: „Machen Sie 288.“ (Zum zweiten Gast:) „Soll ich?“
Zweiter Gast: „Ich habe kein Kleingeld mehr.“
Erster Gast: „Du kannst mir ja später die Hälfte zurückgeben.“ (Zum Ober): „Wo ist die Toilette?“
Weiterführende Literatur finden Sie hier, hier und hier.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Der Ober weiß ja, was konsumiert wurde. Warum legt er nicht einfach die Rechnung hin & läßt die Gäste selbst ihre Teilbeträge ausrechnen?
Schon 1970 musste man in UK vor dem Bestellen sagen: We pay separated.
Sollte hier auch mittlerweile gehen. Ist aber umständlich. Bei zwei Paaren einfach den Gesamt-Betrag durch vier teilen und und dann zwei Viertel gleich per Onlineüberweisung im Restaurant an die Anderen zahlen.
Schöne neue Welt.
Ich bin dafür, dass niemandem vorgeschrieben wird, ob zusammen oder getrennt abgerechnet wird.
Dieses und ähnliche Gespräche könnten sich tatsächlich so oder so ähnlich zugetragen haben. ;-) Aber während ich die Genervtheit von Kellnern verstehe bei kleinlicher Hin- und Herrechnerei, finde ich, es kommt auf die Situation bzw. die Anwesenden an, welchen Weg man wählt. Ich empfinde die Gewohnheiten in Deutschland eigentlich als optimal: man kann sowohl getrennt als auch zusammen zahlen, die jeweilige Wahl hängt (zumindest bei mir) vom Verhältnis zu den Tischgenossen ab. Bei manchen Freunden wird traditionell immer im Wechsel die gesamte Rechnung übernommen (jeder weiß, wer 'dran' ist, was ja auch schon fast etwas Kleinliches hat, aber es funktioniert), bei anderen bestehe ich auf getrennter Rechnung, damit ich mich bei der Auswahl meiner Bestellung nach meinem eigenen Geldbeutel richten kann, und mich bei der Speisenauswahl nicht selbst zensiere, falls das Gegenüber die Rechnung übernehmen möchte, und ich aus Höflichkeit auf mein Wunschgericht verzichte, um dem anderen keine extravagante Höhe an Rechnung aufzuhalsen. Manchmal stehe ich auch nach dem Dessert auf, entschuldige mich kurz, und erledige das mit der Rechnung diskret im Hintergrund. Dann wird nur noch mitgeteilt: "Habe schon bezahlt." Aus meinen jüngeren Jahren ist mir noch eine mißliche Situation in Erinnerung: Ein im Ausland lebender Freund feierte seinen Geburtstag in einem Lokal, es wurden einen Abend lang hochpreisige alkoholische Getränke konsumiert, ich selbst, damals mit wenig Geld, hielt mich bei den Bestellungen zurück, stellte dann am Ende des Abends aber mit Schrecken fest, dass die Rechnung durch die Zahl der Anwesenden geteilt wurde, und jeder gleichviel zahlen sollte - in meinem Fall war das fast mein ganzes Monatsbudget. Von daher: pauschales Bashing von getrennter Kasse und Stöhnen über die "pingeligen" Deutschen kann ich nicht so ganz nachvollziehen, es kommt immer auf die Situation und die Anwesenden an, beides (Getrennt- und Zusammenzahlen) hat Vor- und Nachteile.
hi, ein guter Test für Kellner oder Wirte ist das Sparschwein oder Pfennigglas. Man übergibt dem Gastronomen dann den Hammer. Hoffentlich geht er damit nicht auf die Gäste los. So wie die Hammerbande auf die Rechten. Die empfindet sich als Negativ von Karl Martell und ist infolgedessen pro Islam.
Sehr geehrter Herr Etscheit, wie wäre es denn, Ihrer Meinung nach, "richtig"? Mich persönlich kotzt die Unsitte '"Trinkgeld" schon maßlos an! Wenn es wenigstens dafür verwendet würde, wofür es gedacht ist. Ich überweise seit Jahrzehnten im Auftrag meines Chefs an hunderte Mitarbeiter jeden Monat das richtige Gehalt. Zu mir kam noch nie jemand und hat mir zehn Prozent seines Gehaltes mit dem Hinweis der Dankbarkeit einer korrekten Überweisung steuerfrei in die Hand gedrückt. Noch nie! Warum bin ich gesellschaftlich gezwungen, dies bei Kellnern, Taxifahrern und Friseuren zu tun?
@Karsten Dörre: In Frankreich gehen die Restaurants und Cafes ja auch nicht pleite, nur weil's Wasser umsonst gibt. Liegt vielleicht eher am Geiz der Deutschen, dann tatsächlich nur Wasser zu trinken und nicht noch eine Flasche Wein zum Essen zu bestellen wie's gehört. In den USA gibt es ja zum Beispiel auch den "free refill" von Kaffee und Soft Drinks. Alles eine Frage der Servicekultur. ... Und ein Glas Wasser gehört auf jeden Fall zum Kaffee, zumindest in Ländern mit Stil. Da hat Herr Etscheid auch schonmal drüber geschrieben, glaube ich.