Georg Etscheit / 09.06.2024 / 14:00 / Foto: Tim Maxeiner / 7 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Alpenküche

Kaiserschmarrn, Kaspressknödel und verschiedenen Käsesorten sind der Inbegriff der alpinen Küche.

Dass der Deutsche Alpenverein nur eine Ansammlung bräsiger Bergfexe ist, die nicht mit der Zeit gehen, lässt sich nun wirklich nicht sagen. Immerhin war der DAV unter den ersten, die noch in den zwanziger Jahren auf seinen Berghütten Juden den Zutritt verwehrte. Fortschrittlicher geht nicht. Heute gibt man sich darob überaus geknickt. So etwas soll natürlich nicht wieder vorkommen, weshalb sich der Alpenverein jüngst brav in die „Koalition gegen rechts“ einreihte. Auch ökologisch hat man immer die Nase vor. In jeder Ausgabe des DAV-Magazins „Panorama“ werden die „sterbenden“ Gletscher betrauert und der Klimakrise Tribut gezollt.

Aus Klimaschutzgründen sollen die geneigten Mitglieder, auch das erfährt man in „Panorama“, am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur nächsten Bergtour fahren, was mitunter nicht ganz leicht ist, weil Berge in der Regel nicht in Ballungsgebieten liegen. Andererseits wirbt die DAV-Berg- und Skischule „Summit Club, der kommerzielle Ableger des gemeinnützigen Vereins, für „über 600 Reisen in 100 Länder“, oft per Flugzeug. Das beeinträchtigt natürlich ein bisserl die Glaubwürdigkeit des DAV, der auch eine behördlich anerkannte Umweltschutzorganisation ist. Als ökologische Ausgleichsmaßnahme gibt’s Solarkollektoren auf den Berghütten und zur Stärkung der Bergwanderer Kaiserschmarrn mit Bio-Eiern.

Womit wir beim Thema wären, dem vielleicht leckersten Gericht der alpinen Küche, die derzeit ziemlich gefragt ist. Auszüge aus Zirben- oder Tannennadeln, mit denen man Soßen und Butterzubereitungen aromatisieren kann, haben es längst in die Gourmetküche geschafft, wo Luxusköche damit herumexperimentieren. Der Südtiroler Sternekoch Stephan Zippl, gelernter Tischler, traktiert seine Gäste mit „Yakfleisch mit Latschenkiefer“, in Zirbensud gegartem Fisch, Sägemehl-Brot und einem Apfel-Dessert mit Lärche. Sägemehlbrot bzw. Brot, das mit gemahlener Baumrinde gestreckt wurde, galt mal als „Hungerbrot“ in Notzeiten. Dekadenter geht’s nicht.

Für mich manifestiert sich die Alpenküche nicht in modischem Chichi für gelangweilte Großstädter, sondern vor allem in zwei außerordentlich wohlschmeckenden, denkbar unkomplizierten Speisen: Kaspressknödel und Kaiserschmarrn. Kaspressknödel werden aus altem Weißbrot hergestellt, wie man es auch für Semmelknödel verwendet. Dazu gibt man Eier, Milch, Petersilie und einen würzigen Bergkäse oder Tiroler Graukäse, ein gräulich aussehender und in gereiftem Zustand ziemlich kräftiger Magerkäse, der aus entrahmter Milch hergestellt wird und einem hessischen Handkäse ähnelt. Diese Masse wird zu Buletten geformt (gepresst) und in Schmalz ausgebacken. Servieren kann man Kaspressknödel in einer schönen Rinderbrühe oder als Zwischengericht zusammen mit einem gemischten Salat. In Österreich ist es der Berghüttenklassiker schlechthin. Ideal als (nicht zu sehr) sättigende Stärkung am Ziel einer Bergwanderung, vor allem wenn man den Teig noch mit Speckstücken und Zwiebel anreichert.

„Schmarrn“

Ein weiterer alpiner Klassiker ist der Kaiserschmarrn. Das Wort hat wohl nichts zu tun mit Kaiser Franz Joseph I., sondern leitet sich vom Wort „Kaser“ für „Käser“ oder „Senner“ ab. Ein Schmarrn wiederum ist etwas in Fett („Schmer“) Zusammengerührtes. Im übertragenen Sinne entspricht ein „Schmarrn“ dem von meinen Achse-Kollegen allmonatlich zusammengetragenen „Irrsinn des Monats“. Bei einem Kaiserschmarrn handelt es sich also um ein Gericht, das arbeitende Menschen wie Kuhirten und Holzfäller mit wenigen Zutaten und einer geringen Zahl von Küchengerätschaften schnell zubereiten konnten und das darüber hinaus sehr sättigend ist, was jeder bestätigen kann, der schon einmal einen großen Teller davon gegessen hat, zusammen mit Preiselbeerkonfitüre oder einem Apfelkompott.

Die Herstellung ähnelt der eines Pfannkuchens, der im Laufe des Backprozesse mit einer Gabel auseinandergerissen wird. Es gibt jedoch ambitioniertere Rezepte, bei denen zum Teig aus Milch, Mehl, Eigelb, (brauner) Butter, Vanillemark und Zitronenabrieb noch mit Zucker steif geschlagener Eischnee hinzugefügt wird, um ihn lockerer zu machen. Die Mischung kann man vor dem Zerreißen in einer großen Panne auf dem Herd backen oder im Ofen. Immer ist dabei eine gewisse Vorsicht erforderlich, weil der Teig schnell anbrennt. Bei Alfons Schubeck findet sich das Rezept eines Apfel-Walnuss-Schmarrns, bei dem säuerliche Apfelschnitze und gehackte Walnüsse in Butter und Zucker karamellisiert werden, bevor man sie unter die Schmarrnmasse hebt.

Schubeck ist auch Schöpfer einer etwas abgefahrenen Kaiserschmarrn-Variante, dem „Geeisten Kaiserschmarrn“. Dabei handelt es sich nur optisch um das Namen gebende Dessert, eigentlich ist es ein Parfait. Bis zu Schubecks Inhaftierung infolge eines Steuervergehens gehörte es zum kulinarischen Kanon seines mittlerweile geschlossenen Restaurants „Südtiroler Stuben“ am Münchner Platzl. Aber vielleicht gelingt Schubeck und dem geeisten Kaiserschmarrn ja ein Comeback.

 

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mitgegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

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Leserpost

netiquette:

Paul Preuß / 09.06.2024

Der DAV ist inzwischen in der Tat zu einem opportunistischen Agitpropverein verkommen. Ohne zu erkennen, dass man sich erneut politisiert und der Macht andient. Statt sich unabwendbaren (!) klimatischen Veränderungen anzupassen und dafür Geld aufzuwenden, will man das Weltklima retten und verschwendet dafür die Gelder. Manche Hütten glauben gar, mehr Besucher anzulocken, indem man das Angebot auf vegetarische oder vegane Küche reduziert. Wer sich gerne Vorschriften machen und vom Hüttenwirt erziehen lässt, ist dort gut aufgehoben. Der links-grün-ideologische Gehorsam manifesttiert sich auch im zunehmenden Gendern in den diversen (!) Publikationen. Trotz stetig steigender Mitgliederzahlen und Einnahmen, hat man Schwierigkeiten, die Kernaufgaben, den Erhalt der Hütten und Wege, zu stemmen. Dafür biedert man sich sich der MTB-Fraktion an, die sich das Recht herausnimmt, die Grasnarbe an schmalen Steiglein abzuradieren und der Erosion Vorschub zu leisten. Und der Summit Club hat sich mit seinen besonders Corona-extremistischen Reisebedingungen ohnehin nachhaltig (!) disqualifiziert. Jedenfalls bei mir…

Eva Marcuse / 09.06.2024

Geeister (nicht Geister!) Kaiserschmarrn ist nichts gegen eine geeiste Crème brulée, wie ich sie in einem abgelegenen Restaurant im Elsass gegessen habe. Ganz ohne mediale Aufmerksamkeit. Es waren aufmerksame Gäste dort. Das Foto davon befindet sich bis heute in meinem wertgeschätzten Bestand.

Sam Lowry / 09.06.2024

@Hans-Ullrich Hendriks: Bei mir sind Preiselbeeren immer in der Mitte des “Toast Hawaii”. Neulich ging es auch mit Schwarzkirsch-Marmelade und mundete durchaus gaumenfreundlich. Heute gabs marinierte Champignons vom Grill laut “Chefkoch”. Perfekt gelungen. Keine Beschwerden. Morgen Backfisch mit Remoulade auf Sandwichbaguette mit Käse und Salat. Man kann ja nicht immer 5 Sterne…

Hans-Ullrich Hendriks / 09.06.2024

Da täten sich der Franzl und die Sisi aber im Grab rum drehen. Apfelkompott gehört zu Kartoffelpuffern und Preiselbeeren zu Salzburger Nockerln. Kaiserschmarrn geht nur mit Zwetschgen- oder Marillienröstern,  die mit einem ordentlichen Schuss Rum abgelöscht werden.

Robert Bauer / 09.06.2024

Heißt er nicht “Kaiserschmarrn”, also ohne “e” am Ende, der übrigens im Gegensatz zu der/die/das Alpenverein*in männlichen Geschlechts ist?

Lilja Wiese / 09.06.2024

Kaminwurzen ? sind die noch erlaubt ? und Südtiroler Speckhhh ??  (mit dem entspr. Wurzenbrot und Wein !)  Marillenknödel gehn noch ?

Gerd Maar / 09.06.2024

In Schubecks unfreiwilligem Domizil wurde ja schonmal ein Riesenschmarrn von einem anderen prominenten Häftling fertiggestellt. Leider war der nicht so appetitlich wie der geeiste Pfannkuchen.

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