Angela Merkel gibt als Lieblingsspeise eine Pommersche Kartoffelsuppe an. Von Verfeinerung keine Spur, aber das war ja auch das Prinzip ihrer wortkargen Holzfäller-Politik.
Der 25. Februar 1975 war ein großer Tag in der gastronomischen Geschichte Frankreichs. An diesem Tag nämlich servierte Paul Bocuse im Pariser Elysée-Palast, dem Sitz des französischen Staatspräsidenten, erstmals seine berühmte „Soupe aux truffes Elysée“, auch bekannt unter dem Namen „Soupe aux truffes V.G.E.“. Das Akronym verweist auf den damaligen Amtsinhaber Valéry Giscard d’Estaing, der vergangenen Dezember im Alter von 94 Jahren verstarb. Damals verspeiste er die neue Kreation zusammen mit Madame d‘Estaing aus Anlass der Erhebung von Bocuse zum Ritter der Ehrenlegion, die höchste Auszeichnung, die das Land zu vergeben hat.
Beim großen Mittagsbankett im Elysée durchbrach das Präsidentenpaar mit einem Löffel die Teigkruste, die die Suppenterrine verschließt, und ließ die Brösel in die Suppe fallen, die in ihrer einfachen Köstlichkeit bis heute bestechend ist. Es handelt sich eigentlich um eine doppelte Geflügel-Kraftbrühe mit in Butter gedünsteten Gemüsen als Einlage, verfeinert mit Trüffelscheiben und roher Gänsefettleber und verschlossen mit einer Platte aus Blätterteig. Sie wird nur im heißen Ofen kurz gegart, wobei sich der Teig in eine goldbraunen Haube verwandelt. Dazu wurde aus dem Weinkeller des Präsidentenpalastes ein 1970er Montrachet der illustren Domaine de la Romanée-Conti aus Burgund gereicht. Alexandre Dumas soll einmal gesagt haben, diesen Weißwein müsse man auf Knien mit gezogenem Hut trinken.
Wildschwein unter freiem Himmel
Dass ein gastronomischer Staatsakt wie dieser bei uns undenkbar wäre, ist unmittelbar einleuchtend, wenn man sich die Lieblingsspeisen deutscher Kanzler und der Kanzlerin vor Augen führt: Rheinische Apfelpfannkuchen (Konrad Adenauer), Linsensuppe mit Würstchen (Ludwig Erhard), Kartoffelpuffer mit Preiselbeeren (Willy Brandt), Erbsensuppe (Helmut Schmidt), Pfälzer Saumagen (Helmut Kohl), Currywurst (Gerhard Schröder) und Pommersche Kartoffelsuppe (Angela Merkel). Allesamt bevorzugten sie das, was man deutsche Hausmannskost nennt, wobei der Sozi Schröder mit der prolligen Wurst seine einfache Herkunft betonen zu müssen glaubte, während der Pfälzer Kohl Wert auf seine landmannschaftliche Abkunft legte, wobei man ihm zugute halten muss, dass er wohl von allen deutschen Regierungschefs seit Ende des Zweiten Weltkrieges derjenige mit dem größten kulinarischen Sachverstand war, was unter anderem der Nähe der Pfalz zu Frankreich zu verdanken ist. Welche möglicherweise unbefriedigten Gelüste die Möchtegern-Kanzlerin Annalena Baerbock mit ihren Leibspeisen Spargel und Banana-Split verbindet, soll hier nicht diskutiert werden.
In Deutschland am weitesten von Frankreich entfernt ist Mecklenburg-Vorpommern, wo der Wahlkreis von Angela Dorothea Merkel liegt. Merkel ist zwar gebürtige Hamburgerin und wuchs in Brandenburg auf, vertrat jedoch 31 Jahre lang den Wahlkreis Vorpommern-Rügen, in den sie alle möglichen Politiker schleppte, etwa Francois Hollande oder George W. Bush. Für den Fleisch liebenden Texaner gab es unter freiem Himmel Wildschwein vom Grill, als Beilage Jagdhornklänge. Kohl hatte weiland Gorbi wenigstens in den renommierten Deidesheimer Hof gebeten, eine der besten Adressen an der pfälzischen Weinstraße.
Wildschwein ist allerdings nicht als Merkels Leibspeise bekannt. Als diese wird in der Literatur eine „Pommersche Kartoffelsuppe“ genannt. Schwer zu beurteilen, ob Merkel wirklich darauf steht oder sie nur propagierte, um ihre Verwurzelung in Meckpomm zu dokumentieren und ihre Wiederwahl als CDU-Direktkandidatin abzusichern. Bei der Kartoffelsuppe à la Kanzlerin handelt es sich um eine Kreation, die man selbst mit reichlicher Zugabe von Trüffelscheiben und Gänseleber nicht in den Rang einer Delikatesse katapultieren könnte.
Von Verfeinerung keine Spur
Auf der Webseite der Humboldt-Kinder-Uni der Berliner Humboldt-Universität findet sich ein vermutlich vom Bundeskanzleramt offiziell autorisiertes Rezept, schließlich war Merkels Gatte Joachim Sauer ebendort Ordinarius für Physikalische und Theoretische Chemie. Es soll hier im Original wiedergegeben werden:
Pommersche Kartoffelsuppe
Zutaten für ca. 4 Personen:
1 kg Kartoffeln
100 g durchwachsener Speck
1 Zwiebel
150 g Möhren
50 g Sellerie
1 Stange Lauch
¾ l Gemüsebrühe
Salz, Pfeffer, Petersilie.
Zubereitung:
Geschälte Kartoffeln in Stücke schneiden. Speck würfeln und in großem Topf anbraten, Zwiebel würfeln und dazugeben. Gemüsebrühe dazugießen und Kartoffelstücke in die Brühe geben. Möhren, Sellerie und Lauch klein schneiden und in die Suppe geben. Die Suppe ca. 30 Minuten kochen lassen. Kartoffelsuppe pürieren, mit Salz und Pfeffer abschmecken, mit gehackter Petersilie bestreuen und servieren.
Das „Geheimnis“ ihrer Suppe ist freilich keine Blätterteighaube oder etwas ähnlich filigranes, im Gegenteil. „Ich zerstampfe die Kartoffeln immer selbst mit einem Kartoffelstampfer und nicht mit der Püriermaschine. So bleiben in der Konsistenz noch immer kleine Stückchen übrig", lässt sich Merkel andernorts zitieren. Diese Zubereitungsmethode macht ihre Pampe zu einer noch grobschlächtigeren Angelegenheit, als sie es ohnehin schon ist. Von Verfeinerung keine Spur, aber das war ja auch das Prinzip ihrer wortkargen Holzfäller-Politik.
„Das Schöne am Kochen ist, dass man schnell gute Ergebnisse erzielen kann“
Es geht natürlich weitaus anspruchsvoller als bei der scheidenden Kanzlerin. Bei Bocuse findet sich ein Rezept für eine Potage Parmentier, benannt nach Antoine Augustin Parmentier, der im 18. Jahrhundert die Kartoffel in Frankreich populär machte. Dazu wird das Weiße zweier Lauchstangen in Ringe geschnitten und in Butter angedünstet. Dann kommen gewürfelte, mehlige Kartoffeln dazu sowie reichlich Fleischbrühe. Nach 25 Minuten Garzeit wird das Ganze durch ein Sieb oder Tuch passiert, mit Milch bis zur gewünschten Konsistenz verdünnt, mit Mehlbutter gebunden und etwas dicker Sahne, Crème fraiche oder Crème double, verfeinert. In Butter gebratene Weißbrotwüfel und Kerbel machen diese Suppe zu einer feinen Sache.
Wolfram Siebecks Variante der Kartoffelsuppe ist deftiger und extravaganter. Auf einen dreiviertel Liter Fleisch- oder Hühnerbrühe kommt bei ihm ein Viertelliter Sahne als Geschmacksträger. Außerdem lässt er zusammen mit Karotten und Lauch, Schalotten und den Kartoffeln auch geräucherten Bauchspeck mit anbraten, der freilich vor dem Pürieren entfernt wird. Einen exotischen Pfiff erhält die Suppe durch Zugabe etwa von Curry oder Safran sowie eine Einlage aus, ja, Räucherfisch oder der vom Meister gerne verwendete Chorizo, eine luftgetrocknete, spanische Hartwurst.
Der Soupe des pommes de terre A.D.M. wird man wohl ebenso wenig nachweinen wie ihrer Propagandistin. Leider ist auch von einem möglichen Kanzler Olaf Scholz wenig Besserung in Sachen Kanzler-Kulinarik zu erwarten. Im Netz findet sich der kryptische Hinweis, dass Scholz zuweilen eine nicht näher bestimmte Frühlingssuppe löffelt, die unter anderem aus Tiefkühlerbsen besteht. „Das Schöne am Kochen ist, dass man schnell gute Ergebnisse erzielen kann – ganz im Gegensatz zur Politik“, wird der SPD-Politiker dazu zitiert.
Die SPD-Kampa teilte auf Anfrage mit, dass Scholz zu Hause mit seiner Frau auch schon mal Königsberger Klopse zubereite. Er koche gerne und werde immer besser, sagte er in einer Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Hoffentlich nimmt Scholz für die Klopse kein billiges Schweinefleisch und vergisst die Sardellen nicht. Armin Laschet mag dicke Bohnen nicht, was ihn mir sympathisch macht, denn die mag ich auch nicht. Dafür liebt der „Nudeln“, besonders, Überraschung, „italienische Pasta“. Das ist nicht besonders originell, doch mit ihm als Kanzler könnte ich leben, zumindest kulinarisch.
Zu guter Letzt möchte ich den Lesern der Cancel Cuisine noch die restliche Speisenfolge des legendären Präsidentenmenüs von Paul Bocuse mitteilen. Nach seiner Trüffelsuppe gab es Escalope de saumon de Loire a l’oseille (Sauerampfer) nach einem Rezept der Brüder Troisgros, gefolgt von einer Canard Claude Jolly nach Michel Guérard sowie Les petites salades du Moulin nach Roger Vergé. Ensuite Käse und eine Dessertauswahl, für die wieder Bocuse selbst verantwortlich zeichnete. Letztere gibt es auch nach seinem Tod in seinem Restaurant in Collonges-au-Mont-d’Or bei Lyon. Wer sich dort den legendären chariot de desserts nicht heranrollen lässt, ist selbst schuld.