Archi W. Bechlenberg / 26.07.2020 / 13:00 / Foto: W.W.Thaler / 26 / Seite ausdrucken

Bye Bye Man of the World

Als Mitte der 1960er Jahre britische Bands den Blues entdeckte, spielte bald eine Combo ganz vorne mit, die sich nach ihrem Schlagzeuger Mick Fleetwood „Fleetwood Mac“ nannte. Prägend war allerdings nicht Micks Getrommel, sondern das Gitarrenspiel Peter Greens, der zudem der Band eine Reihe von Originals schrieb, von denen bis heute etliche unvergessen sind, darunter „Albatross“, „Oh Well“, „The Green Manalishi“ und „Black Magic Woman“ sowie mein persönliches Highlight aus Greens Feder, „Man of the World“. 

Bevor er zu „Peter Green's Fleetwood Mac“ (so anfangs der komplette Bandname) stieß, war der Gitarrist, zu diesem Zeitpunkt zarte 20 Jahre jung, bei John Mayall's Bluesbreakers eingestiegen, als zeitweiser Nachfolger von Eric Clapton. Clapton kam allerdings bald zurück, Green musste gehen, und so bildete sich Fleetwood Mac. Man spielte Klassiker von Robert Johnson oder Elmore James nach, begnügte sich damit aber schon bald nicht mehr und veröffentlichte eine Reihe von eigenen Songs, die sich erkennbar vom traditionellen Blues entfernten. 

Als ich Fleetwood Mac live sah, war Peter Green noch dabei; doch nicht lange danach verließ er die Band, die im folgenden zu der zwar netten, aber läppischen Popband („Rumors“) degenerierte, die sie noch heute ist. Green hatte derweil die Gitarre in die Ecke gelegt und sich auf einen fatalen Drogentrip begeben, über den mancherlei Legenden im Umlauf waren und sind. Am sympathischsten ist mir noch das Gerücht, er sei ins Totengräbergewerbe gewechselt. Aber sein zeitweiliger Abstieg in Spiritualität und Religiösität war mir dann doch zuviel, er trat mit Kreuz und Kutte auf und beseitigte so jeden Zweifel daran, dass in seinem Kopf etwas aus dem Ruder geraten war. 1970 machte er eine verstörende Platte mit dem Titel „The End of the Game“; sie läuft gerade jetzt im Hintergrund und verstört mich noch immer (aber es wird!). 

Einmal Gitarrero, immer Gitarrero

Peter Green hatte das Spiel beendet und geriet bald aus dem Fokus des Musikfans. Bis 1979, da stand auf einmal eine LP mit dem Titel „In the Skies“ im Laden, nicht aus schwarzem Vinyl gepresst, sondern knallgrün. Natürlich musste ich sie kaufen, denn im Radio wurde gerne das Titelstück gespielt, und das gefiel mir gut. So wie auch der Rest der Platte, und danach kaufte ich auch noch „Little Dreamer“ (1980) und „Whatcha Gonna Do?“ (1981), aber die Magie von „In the Skies“ stellte sich auf diesen Scheiben nicht mehr so ganz ein. Erst viel später erfuhr ich, dass die grandiosen Soli auf „In the Skies“, vor allem in „Slabo Day“ gar nicht von Peter gespielt wurden, sondern aus den Fingern seines Kumpel Snowy White flossen. Was gewiss der nicht mehr ganz auf der Höhe seienden Kraft Greens geschuldet war.

Peter Allen Greenbaum, so sein ursprünglicher Name, machte in den folgenden Jahren kaum Schlagzeilen, er lebte eine Zeit in einem israelischen Kibbuz, verbrachte aber auch Monate in einer Psychiatrie. Immerhin, „In the Skies“ verkaufte sich prächtig, alleine in der BRD 200.000 Mal. Seine stilprägende Gitarre war eine „Gibson Les Paul“ mit einem irrtümlich falsch montierten Hals-Tonabnehmer-Magnet, die später von Gary Moore in Ehren gehalten, sprich: intensiv genutzt wurde. Eine Vermarktung dieser speziellen Konstruktion unter Greens Namen lehnte der Musiker ab; Geld („The Green Manalishi“), das wusste man seit Fleetwood Macs Zeiten, bedeutete ihm wenig. Er dürfte aber auch kaum Mangel an diesem gehabt haben, alleine die Tantiemen für seine vielfach gecoverten Songs (darunter „Black magic Woman“) sollten für ein finanziell geregeltes Dasein gesorgt haben.

Bis in neuere Zeit ging der große Peter Green mit ein paar Kumpel als „Peter Green and Friends“ auf Tourneen. Einmal Gitarrero, immer Gitarrero. Nun - ich will gar nicht viele Worte machen: die gesammelten Links sollen für ihn sprechen. Gestern ist Peter Green im Alter von 73 Jahren gestorben, laut seiner Familie friedlich im Schlaf.

A Fool No More 

Man Of The World 

Albatross 

The Green Manalishi 

Need your love so bad 

Peter Green und Snowy White: Slabo Day 

Albatross - Peter Green with The Splinter Group live 1998 

Bottoms Up (vom Album „The End of the Game“) 

Proud Pinto (In The Skies) 

Snowy White and Friends – Slabo Day (2012) 

Black Magic Woman 

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Sabine Schönfelder / 26.07.2020

Ganz genau, Claudius Pappe, Stevie Nicks at itˋs best. Der Song „Dreams“ trägt zu recht seinen Namen. „Albatross“ ist genauso ein Klassiker, - deshalb muß man Fleetwood Mac nicht als „läppische Band“  bezeichnen. Sex, drugs und ein exzessives Leben sind nicht per se ein Qualitätsmerkmal oder ein Indiz für Genialität. Thomas Mann rechnete mit einem kurzen Leben, weil er der irrigen Annahme unterlag, Genialität verkürze jedes Künstlerleben, denn die „Flamme der eigenen Inspiration“ zehre verstärkt an den Kräften jedes Kulturschaffenden. Völlig vergeblich. Er lebte entgegen seiner eigenen Prognose viel zu lange, um seiner eigenen Genialitäts-Definition gerecht zu werden. Für meinen Geschmack, die ich an Manns Endlossätzen nie eine übermäßig literarische Begabung erkennen konnte, starb er, diesbezüglich, noch viel zu früh.

Charles Brûler / 26.07.2020

Rameaus “L’accord tonique” und der Blues stehen Pate für diese wundervolle und entspannende Musik.

Joerg Machan / 26.07.2020

Danke für die Erinnerung. Wäre mir ansonsten wirklich entgangen. Vermisst habe ich seine Zeit in und mit der Splinter Group und ein Song wäre mir auch noch wichtig gewesen: Die wunderbare Instrumental - Ballade (The) Supernatural ...

Sabine Heinrich / 26.07.2020

Lieber Herr Bechlenberg, ich freue mich immer wieder, Ihre Auslassungen über Musik zu lesen! Wer - außer mir alten Musikliebhaberin, die nicht unbedingt NUR der Klassik oder dem Rock/Pop/Schlager zugetan ist, sondern sich einen weiten Blick bewahrt oder während des Alterns erworben hat - stößt sonst auf jemanden, der sich in vielen musikalischen Bereichen auskennt und für stets neue Anregungen sorgt? Danke dafür! Dass wir Peter Green sowohl “Albatross”, als auch “Oh well” und “Black magic woman” zu verdanken haben, wusste ich nicht - seinerzeit habe ich nicht immer so genau beim Betrachten der Plattenhüllen auf die einzelnen Interpreten geachtet. Ich habe soeben die LPs mit den von Ihnen gelobten Titeln- alle vor über 40 Jahren erworben - hervorgekramt und werde sie mir genüsslich zu Gemüte führen. - Ihrer abwertenden Beurteilung von “Rumors” von Fleetwood Mac kann ich allerdings nicht zustimmen - muss ich ja auch nicht. Ich fand - und finde immer noch - dass sie eine der besten LPs der Endsiebziger war. Und nur, weil die Band überwiegend Pop/Rock spielten (statt Blues), ist es doch kein Grund, sie derart abzuwerten. - Was nach Ihrem Artikel bleibt, ist die Vorfreude auf den nächsten, der sich mit Musik befasst. Leider kenne ich niemanden mehr, der - musikalisch gesehen - einen etwas weiteren Horizont hat oder bereit ist, sich auf Neues/Unbekanntes einzulassen. Drum genieße ich Ihre Texte besonders - auch wenn ich Ihnen wegen Ihrer Äußerung zu “Rumors” glatt die rote Karte zeigen würde! Mit besten Grüßen! Sabine Heinrich

Michael Backes / 26.07.2020

Für B.B. King war er der Gitarrist mit dem ,,Sweetest Tone”. Vielen Dank für diesen würdigen Nachruf! War sehr schön zu lesen!

Manfred Heuth / 26.07.2020

Was für ein Verlust! Peter Green hat Songs kreiert, die man zum Weltkulturerbe zählen muss. Namentlich “Oh Well”, “The Green Manalishi (With The Two Pronged Crown)”, “Rattlesnake Shake”, “Albatross” und “Black Magic Woman”. Für die Ewigkeit. Herzlichen Dank, Peter, für das, was Du damit der Welt gegeben hast!

Peter Petronius / 26.07.2020

Schrecklich, 73 ist heute doch kein Alter - Jagger wurde just heute 77 und mit 73 tänzelte er wie ein 20-Jähriger über die Bühne in Havanna. Ich hab’s in Radio Caroline gehört, auch die DJs waren hörbar schockiert über Greens Tod. “Man of the World” hörte ich erstmals im Spartensender Radio Caroline Flashback (dem Sender für die Musik der Swinging Sixties und der 70er) und war sofort hin und weg. Es ist so schrecklich, daß uns die Musiker jener Zeit so nach und nach verlassen und daß ein Nachwuchs, der diese Bezeichnung verdient, nicht in Aussicht ist.

Arnold Warner / 26.07.2020

Es ist das traurige Schicksal der Band, dass sie den später Geborenen nur als Poptruppe mit Lindsey Buckingham und Stevie Nix ein Begriff ist. Die konnte ich zwar ab und zu gerne hören, aber sie haben nun einmal nichts mit der Urbesetzung zu tun. Und die war eine erstklassige Bluesband mit großartigen Musikern, die auch bei ihren schwarzen Vorbildern viel Anerkennung fanden. Und Peter Green hat ohne Frage einige Stücke für die Ewigkeit geschrieben. Man denke nur an “Oh Well Part 1 und Part 2.” danke für die schöne Erinnerung. Auch wenn ich ungern Nachrufe auf Leute lese, die mir etwas bedeuten. Aber ich finde großartig, dass die Achse des Guten auch für solche Texte Raum bietet! Es muss nicht nur der alltägliche Wahnsinn sein.

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