Anfang der Dreißiger lebten etwa 160.000 Juden in Berlin, also ein Drittel des jüdischen Bevölkerungsanteils im Reich. Zum großen Teil Intellektuelle, Künstler, Wissenschaftler, Ärzte, Rechtsanwälte, Gewerbetreibende, Banker, kurz das, was die soziokulturelle Elite von Hauptstädten ausmacht. Ich behaupte, von diesem entsetzlichen Aderlass hat sich Berlin nie erholt. Gehen Sie nicht auch noch, verehrter Herr Noll. Die residuale deutschstämmige Elite verabschiedete sich nach der Berlin-Blockade 1948/49, während des Chruschtschow-Ultimatums 1958 (der Berliner Senat ließ an den Transitübergängen die Anzahl der Umzug LKWs zählen) und spätestens nach dem Mauerbau 1961. Zur Qualität des rekrutierten Ersatzes wäre eine längere Betrachtung wünschenswert.
Ich war in der Zeit kurz nach der Wende mehrfach in Berlin; mein allerletzter Aufenthalt dort liegt ebenfalls bereits viele Jahre zurück. Zu sehen, was aus dieser Stadt geworden ist, tut mir geradezu im Herzen weh. Mich bekommen nicht einmal die berühmten ‘zehn Pferde’ jemals wieder dorthin.
Auf dieses Land mit seiner prermanenten Verweigerung, wirkliche politische Veränderungen durch das richtige Kreuz auf dem Wahlzettel oder flächendeckende Proteste herbeizuführen, trifft der Satz von Einstein zu: “Es ist ein Zeichen von Wahnsinn, immer das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.” Insofern hält sich mein Mitleid über die derzeitigen Zustände arg in Grenzen. Das war alles schon vor Jahrzehnten vorhersehbar - wenn man bereit war, die Augen aufzumachen.
Heute ist Belin „a failed city“und morgen ist D “a failed state”.
Bei sogenannten Geschmacks(Normativ-)urteilen, kann und darf es natürlich keinerlei Diskussionen geben. Wer oder was als schön (oder “schön”) empfunden wird, liegt daher ganz im Auge des Betrachters. Daß sich aber Frau Chapli - oder wie war noch gleich der richtige Name? - bei dieser Art Zuschreibung veräppelt fühlt, kommt etwas unerwartet. Dieses hohe Maß an Einsichtsfähigkeit ist überraschend und auch sehr beachtlich. Das muß der Neid ihr lassen. Soviel zu dieser Person, über die zu spotten, fast schon zu billig ist. Obwohl ich mit Berlin nichts am Hut habe, lieber Herr Noll, aber bei der Lektüre Ihres Artikels möchte einem schon das Herz bluten. In meinen jungen Jahren, ist schon etwas her, war ich zweimal in dieser Stadt. Ich erinnere mich gerne. Insbesondere an “My fair Lady” und “Es grünt so grün, wenn…” Zum Kaputtlachen? Eher im Gegenteil. Vielleicht kann man es so umschreiben: Berlin wurde und wird immerdar nur gepampert. Die brauchten nie eigenes Geld verdienen - nicht wirklich. Eine pubertäre Stadt. Und die, die im Ernst “auf diese Stadt schauen” sollten, haben sich längst in ihrer Wohlfühlecke (Blase) gut und gerne eingerichtet. Kein Anlaß daher - nirgends.
Man kommt immer mehr zu dem Schluss, dass es sich nicht nur um eine “failed city”, sondern bei diesem Land um einen (kommenden?) failed state handelt. Offensichtlich möchte die Mehrheit der Wahlberechtigten dies aber so. Leider.
Der entzückende Morgenthauplan wurde in Berlin zur Chefsache erklährt. Es sollte zwar kein Kartoffelacker entstehen, noch besser, es entstand das hybride Verfalls-Gebilde aus Null. Nach dem Ende der Plünderungen und Vergewaltigungen versorgten überwiegend die Russen die Menschen in ihrem Sektor mit den notwendigsten Lebensmitteln . Fast alle systemrelevanten Betriebe und Banken verlegten ihre Führungen Richtung Westen. Der Schwarzmarkt am Potsdamer Platz blühte. Nun öffneten sogar noch die Russen die Humboldt Universität, und der Westen hatte diesem Treiben nichts entgegen zu setzen. Doch, die Währung wurde gewechselt, und der Konsum angekurbelt. Das Schaufenster Westen wurde aufpoliert, und dem hatte das ausgebrannte alliierte Russland nichts entgegen zu setzen. Den Rest kennen wir, und der wird von Ihnen wunderbar geschildert. Und für diesen Rest sollen wir Berliner unsren Schutzmächten noch dankbar sein ?..... Ich verließ am 15 Oktober 1970 diese meine Geburtsstadt, und ich hätte keinen glücklicheren Entschluss fassen können. Trotzdem munter bleiben.
Sehr geehrter Chaim Noll, kennen Sie den? “Kommt am 9. November 1989 ein Zoni über die Grenze, läuft, die Worte ‘Wir sind ein Volk, wir sind ein Volk…’ schreiend auf einen Westberliner zu. Als jener bei diesem angekommen ist, sagt dieser: ‘Wir auch!’” Die Mauer, der antifaschistische Schutzwall, hätte am 9. November von den Westdeutschen verteidigt werden müssen. Aber wieder einmal wollten die Deutschen von Dialektik nichts wissen und entschieden sich für die Volksgemeinschaft Wer einmal einer Grenzöffnung zugejubelt hat, wird schwerlich Argumente gegen eine andere Grenzöffnung vorbringen können. Mafiöse Zustände in der Berliner Bauwirtschaft sind ja nun wirklich nichts neues, der alte Sumpf hat sich nur ausgeweitet Zuletzt: “Mit einer Vorgeschichte von vier Generationen” gehörte man in Berlin wahrscheinlich immer zu einer Minderheit. Vielleicht ist es an der Zeit, dass sich die alteingesessenen Berliner als Minderheit bemerkbar machen und ihre Rechte als Minderheit einfordern. Das wäre doch auf der Höhe der Zeit! Ich kann da leider nicht mitmachen, da ich mich am falschen Ort zur Welt habe bringen lassen.
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