Steffen Meltzer, Gastautor / 22.07.2018 / 14:00 / Foto: Doc.Heintz / 29 / Seite ausdrucken

Busanschlag in Lübeck: Wie man Gerüchte produziert

"Das Motiv für die Gewalttat war noch unklar. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, einen terroristischen Hintergrund könne man nach bisherigem Kenntnisstand ausschließen,“ sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) am Freitagabend bei einer Pressekonferenz. Ein Aufatmen geht durchs Land. Über die Motivlage weiß man nichts, aber will trotzdem ganz genau wissen, dass es sich um "keinen Terroranschlag" gehandelt haben soll. Decodiert soll das bedeuten, wir wissen nichts, außer dass es kein Terroranschlag war, das wissen wir aber ganz genau. Das grenzt für mich an hellseherische Fähigkeiten.

Weiter heißt es, in dem Rucksack des Mannes fanden Experten Brandbeschleuniger, aber keine weiteren Sprengmittel oder Ähnliches. Die aufgefundenen Spuren deuteten nicht auf „einen Sprengsatz oder ein ähnliches Vergehen“.

Diesmal darf man sich nicht über eine „mangelnde oder regional begrenzte Berichterstattung“ beschweren. Im Gegenteil, es wird umfangreich in fast allen überregionalen Medien darüber berichtet, was keine Fakten bei diesem Anschlag gewesen sein dürfen. Ich fasse zusammen:

  •  "keine weiteren Sprengmittel oder Ähnliches vorgefunden"
  •  "... deutet nicht(s) auf einen Sprengsatz oder ein ähnliches Vergehen (hin)“
  •  "eindeutig keinen terroristischen Hintergrund"

Erstaunlich finde ich auch, dass man von keinen "weiteren" Sprengmitteln spricht, denn das vorgefundene beziehungsweise angenommene „Spiritus“, als Brandbeschleuniger geeignet, gilt nicht als „Sprengmittel“. Was für ein Sprengmittel wurde gefunden?

Messerangriffe sind heutzutage Alltagskriminalität

Der Anschlag mit einer Waffe und dem Brandbeschleuniger wird zur "Messerattacke" umdekliniert. Messerangriffe sind heutzutage Alltagskriminalität. „Messerattacke“ heißt auch noch lange nicht, dass damit ein Mensch getroffen wurde. Das beste Abwehrmittel gegen Messerangriffe sind Flucht und Distanz. Die Attacke hat deshalb trotzdem stattgefunden. Das war aber im engen Raum des „ziemlich voll besetzten Busses“ vorerst unmöglich, bevor der Fahrer die Türen geistesgegenwärtig geöffnet hat. Demzufolge gab es 12 Verletzte, davon einen Schwerverletzten, der nur durch eine Notoperation gerettet werden konnte.

Die "Messerattacke" im Einzelnen: „Verdacht des versuchten Heimtückemordes mit gemeingefährlichen Mitteln in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und versuchter besonders schwerer Brandstiftung“.

Politik und Behörden beklagen sich oft über Gerüchte, die in den sozialen Medien gestreut werden. Ich muss sagen, mitunter auch zu Recht. Allerdings haben wir hier das klassische Beispiel einer Berichterstattung, die genau solche Gerüchte produziert und befeuert. Neuerdings scheint es wichtiger zu sein, darüber zu berichten, was nicht stattgefunden haben darf.

Beispielsweise schreibt (normalerweise) auch kein Mensch: „Der Bankräuber hatte keine Bombe bei sich, kein Sturmgewehr (es war nur eine scharf geladene Pistole), kein Messer, kein Fluchtauto (es war nur ein Fahrrad). Bei seinem Bankraub hatte er keine Menschen getötet (nur Geiseln zeitweilig genommen), kein Gold erbeutet (es waren nur 10.000 Euro) und es wurde bei der Verfolgung auch kein Polizist verletzt (nur das Polizeiauto beschädigt).“

Was sich im vorhergehenden Absatz komisch liest, ist es auch, denn genau so berichtet man über den oben genannten Anschlag in vielen Medien. Was offensichtlich beabsichtigt ist (die Bevölkerung nicht zu "beunruhigen"), wird aufgrund dessen millimetergenau als Gegenteil durch die Ziellinie laufen.

Eine AK 47 ist nicht zwingend vorgeschrieben

Mutmaßlich ist es vielmehr beherzten Fahrgästen und vor allem dem couragierten Eingreifen des Busfahrers zu verdanken (Innenminister Grothe bezeichnet in Verklärung der Lage diesen dramatischen Überlebenskampf geradezu liebevoll „Handgemenge“, mit dem üblicherweise eine Schubserei oder Ähnliches beschrieben wird), dass es keine Toten und noch mehr Verletzte gegeben hat. 

Kann man auch mit einem Messer und Brandbeschleunigern einen Terroranschlag oder Amoklauf begehen? Selbstverständlich! Sprengmittel oder eine AK 47 sind hierfür nicht zwingend erforderlich und vorgeschrieben.

Pflichtverteidiger Oliver Dedow erklärte dann auch sogleich, sein Mandant habe eine psychische Störung: "Das ist auf jeden Fall der Grund für die begangenen Straftaten, kein politischer Hintergrund." Warum soll ein Rechtsanwalt auch etwas anderes erklären? Das scheint der Politik und der medialen Berichterstattung sehr zupass zu kommen. Eine willkommene bunte und vielfältige Steilvorlage, um das „subjektive Sicherheitsempfinden“ wieder zu beruhigen und die „sinkende Kriminalität“ im Land zu untermauern. Irre und Verrückte hat es schließlich schon immer gegeben. 

Gezielt Brandbeschleuniger in einem vollbesetzten Bus zu aktivieren, bedarf einer umsichtigen Vorbereitung beziehungsweise eines Planes. So etwas hat niemand „zufällig“ bei sich, das trifft ebenso auf ein „taugliches Messer“ zu, dessen Klinge im massiven Einsatz nicht abbricht.  Bei einem Messerangriff kann eine Winterjacke darüber hinaus von großem Vorteil sein, sie kann die Wirkung von Schlägen oder Gegenständen durch den Abwehrkampf der Angegriffenen vermindern. Der Busfahrer wurde gezielt von hinten in kurzer zeitlicher Abfolge mit einem Faustschlag angegriffen. Für eine angeblich schizophrene Person eine ganze Menge an rationalen und überlegten Handlungen.

Ob der Täter „psychisch gestört“ ist oder nicht, hat für die Opfer keine wirkliche Bedeutung. Um als Terrorist und Amokläufer Menschen ins Jenseits befördern zu wollen, ist sowieso ein Mindestmaß an religiösem oder anderweitigem Wahn notwendig. Demzufolge müssten nach der oben genannten Berichterstattung beide Kategorien ab sofort abgeschafft werden. So erzeugt man eine schöne heile Welt.

Steffen Meltzer ist Autor von „Schlussakkord Deutschland: Wie die Politik unsere Sicherheit gefährdet und die Polizei im Stich lässt“.

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Michael Jansen / 22.07.2018

Tja, immer dieselben Worthülsen: regionale Bedeutung, Einzelfall, kein terroristischer Hintergrund, psychisch kranker Täter. Wie viele regionale Einzelfälle braucht man, bis es für die Bezeichnung “landesweites Massenphänomen” reicht? Wieso haben die Täter als ideologisch-religiösen Hintergrund fast immer die sogenannte Religion des Friedens und richten sich mit ihren Angriffen üblicherweise gegen Personen, die schon länger hier leben? Ist die vorgebliche psychische Erkrankung eines Täters da nicht ein prima Vorwand, dass man die Verantwortung in klassischer 68er Manier an “die Gesellschaft” weiterreichen kann, die mal wieder nicht genug für die Integration getan hat? Könnten sich da nicht noch ein paar prima Verdienstmöglichkeiten für unsere wohlmeinenden Psychotherapeuten ergeben, die sich um das Seelenheil der Täter kümmern können? Fragen über Fragen!

Frank Stricker / 22.07.2018

Die offizielle Tonaltät bei solchen oder ähnlichen Ereignissen ist doch immer gleich. Erstmal wird ein Terroranschlag ausgeschlossen , dann wird die Tat verniedlicht , “Handgemenge o. ä.”, dann wird der Täter automatisch als psychisch gestört klassizifiert und abschließend sind es die “tollen Sicherheitsmaßnahmen”, die schlimmeres verhindert haben. Fazit , wer solche Attentate als nicht normal einstuft, muß ein böser Rechter sein……..

Thomas Roth / 22.07.2018

Das hat einen literarischen Präzedenzfall: In Grimms Märchen “Der große und der kleine Klaus” findet der kleine Klaus einen Münzschatz, kann aber seinen Wert nicht erfassen. Darum schickt der kleine Klaus seine Frau zum großen Klaus um sich einen Topf auszuleihen, schärft ihr noch ein zu sagen, dass sie damit kein Geld messen will.

Jochen Wegener / 22.07.2018

Und selbstverständlich hat das alles nichts mit dem Islam zu tun. Es geschah ja auch nur an einem Freitag wie so viele der von den Tätern selbst als religiös getriebenen Anschlägen. Eben nur einer aus dem Iran, in Deutschland aufgewachsen aber offensichtlich zumindest sozial nicht so ganz Angekommenen der am islamischen Feiertag demonstrierte was von den Ungläubigen so zu halten ist. Was werden die anderen von ihren Hoffnungen enttäuschten Zuwanderer wohl unternehmen wen sie merken über H4 nicht hinauszukommen?

Bernhard Freiling / 22.07.2018

Und wieder meine Frage: Wie machen “die” das? Unisono, durch die gesamte Republik, durch sämtliche Gazetten von Rang, überall die gleiche verschwurbelte Information. Da gibt es keine Fragestellungen und auch keine Hinweise auf Ungereimtheiten. Da wird nirgends auch nur ein Hauch eines Zweifel niedergeschrieben.  Lt. Statista gibt es ungefähr 36.000 festangestellte Journalisten bei Printmedien, bei TV und Hörfunk. Das können doch nicht Alle nur linksrotgrüne Lohnschreiber sein. Oder doch? Oder werden die unter Druck gesetzt von Chefredaktionen, die unter Druck gesetzt werden von Herausgebern, die unter Druck gesetzt werden von Verlegern?  Und wer setzt die unter Druck? Wird dieses Land nur noch durch mündliche Anordnungen regiert? Nur keine Spuren hinterlassen? Ist es wirklich so, daß Abweichler nur in “Randmedien” wie der Achse, bei TE, Cicero und einigen anderen zu finden sind? Das hört sich bald nach einem neuen “Underground” an.  Und da soll man nicht an Verschwörungstheorien glauben?

M. Haumann / 22.07.2018

“Die grössten Triumphe der Propaganda wurden nicht durch Handeln, sondern durch Unterlassung erreicht. Gross ist die Wahrheit, grösser aber, vom praktischen Gesichtspunkt, ist das Verschweigen von Wahrheit.” Aldous Huxley

Ulv J. Hjort / 22.07.2018

Dazu passt nahtlos die nebensatzmeldung ,der tæter ist deutscher mit iranischem hintergrund.Hat ne weile gedauert bis das -iranisch- ausgesprochen wurde.Wie gerne hætte man das -deutsch-hervorgehoben . Und die richter werden nun natuerlich den kulturellen hintergrund des koranverblendeten messerkæmpfers zu beruecksitigen wissen.-In meiner naivitæt dachte ich immer auf deutschem boden gilt allein das deutsche grundgesetz.Entweder die richter liegen falsch oder der fehler liegt bei mir -gruebel-.Muss noch mal in mich gehen-lebe ich etwa auf dem falschen planet?

Frank Holdergrün / 22.07.2018

Vielen Dank, Herr Meltzer, für diesen verbalen und krimintaltechnischen Faktencheck. Die Sprache der Verharmlosung (Handgemenge) durch Politiker ist der beste Beweis für die Verheimlichung aller wahren Probleme. Hat die Politik schon Untersuchungen in Auftrag gegeben, inwieweit psychische Probleme durch die vorgegebene Herabwürdigung aller Ungläubigen entstehen könnten, die ja lt. Koran die abscheulichsten aller Wesen seien, weniger wert als Tiere?

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