Felix Perrefort / 17.02.2023 / 14:00 / Foto: Frank Vincentz / 28 / Seite ausdrucken

Bunte Deutsche schulmeistern Juden, wie zu gedenken ist

Ein buntes Bündnis aus Bamberg wirft dem Vorsitzenden der dortigen jüdischen Gemeinde vor, eine Gedenkrede zur „Reichspogromnacht“ politisch missbraucht zu haben. Aus dem Schreiben, das Achgut vorliegt, spricht die pure Anmaßung und Selbstgerechtigkeit.  

Wie deutsche Juden dem Holocaust gedenken, da werden geläuterte Deutsche doch wohl noch ein Wörtchen mitzureden haben! So jedenfalls sehen es die Andrea, der Bastian und der Ralph, deren Nachnamen die NZZ freundlicherweise unerwähnt ließ, als sie Folgendes berichtete: 

Am 9. November 2022 beließ es der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg, Martin Arieh Rudolph, nicht dabei, anlässlich des Jahrestags der „Reichspogromnacht“ der Deportation und Ermordung fast aller Bamberger Juden zu gedenken, sondern nahm sich die Freiheit heraus, „heutige Missstände der Politik zu kritisieren“. Dass er dabei auch die Corona-Politik ins Visier nahm, etwa die Lockdowns und die Ausgrenzung der Ungeimpften, nimmt das bunte Bamberger Bündnis ihm besonders übel. Er hätte damit Positionen vertreten, die sie sonst nur aus der „Corona-Leugner*innenszene“ kennen, und die sei schließlich antisemitisch. 

So machen irrsinnigerweise nun Deutsche Juden Antisemitismus-Vorwürfe, weil sie die Corona-Politik kritisieren – und nicht nur das. Rudolph hätte gar das „Thema verfehlt“, so die schulmeisternden Anwürfe, die Rudolph besonders verärgern: „Soll Juden es nicht erlaubt sein, in ihrer eigenen Art und Weise des Schicksals ihres Volkes bis in die heutige Zeit zu gedenken?“

In dem Schreiben, das Achgut.com vorliegt, heißt es in einem Ton anmaßender Selbstgerechtigkeit, bei dem einem die Spucke wegbleibt: 

Der Schaden Ihrer Rede für die Würde der Gedenkfeier und das Ansehen Ihrer Gemeinde ist immens. Wir erwarten eine kritische Reflexion, denn Bamber*innen und Schüler*innen, die an dieser Veranstaltung teilnehmen, kommen, um mit ihrer Beteiligung ein Zeichen des Respekts für das jüdische Leben in Bamberg und gegen das Verbrechen eines faschistischen Regimes zu setzen. 

Die drei Bündnissprecher äußern sich „irritiert“ darüber, dass Rudolph ein vorangegangenes Gesprächsangebot abgelehnt hätte, und schließen an: 

Deshalb schreiben wir Ihnen diesen Brief. Denn wir können und wollen Ihre Rede nicht so stehen lassen. Denn der 9. November ist für die Erinnerungskultur ein wichtiger Tag, an dem das Gedenken an die Opfer und das Verhalten der Täter im Mittelpunkt stehen, denn „wer seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist verdammt sie zu wiederholen.“

Was die bunten Vorzeige-Gedenker mit ihren routiniert-gedankenlos verwendeten Textbausteinen hier faktisch sagen, ist makaber: Sollte es einmal zu künftigen Rückfällen in die nationalsozialistische Barbarei kommen, gingen diese auch auf das Konto des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Bamberg, schließlich habe der ja die Gedenkarbeit versemmelt. Obendrein kommt das von Leuten, die sich Rudolph gegenüber mit einer jahrelangen „Bekämpfung des Antisemitismus durch eine würdige und gegenwartsbezogene (!) Gedenkarbeit“ brüsten. Wir lernen: Welche Gegenwartsbezüge in der Gedenkarbeit erlaubt sind, das bestimmen die Andrea, der Bastian und der Ralph. So viel ist sicher: Auf die nicht nur gesundheitspolitisch astreine Bundesregierung lassen sie dabei mal gar nichts kommen:

Gerade an diesen Tagen, wo Antisemitismus wieder sein hässliches Gesicht offen zeigt und die jüdischen Gemeinden davon betroffen sind, möchten wir diesen Tag mit gebührender Intensität und Würde begehen. Aus unserer Sicht haben Sie das Thema verfehlt und die Gedenkrede missbraucht und sie dafür genützt ihre persönliche Abrechnung mit der Bundesregierung zu machen. 

Foto: Frank Vincentz CC BY-SA 3.0 via Wikimedia

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Karl Mai / 17.02.2023

und die neue Fahne für das “H-Kreuz” ist der “R- Bogen”.

A.Schröder / 17.02.2023

” ...  eine Gedenkrede zur „Reichspogromnacht“ politisch missbraucht zu haben ... “. Da haben wirklich welche nicht begriffen, das die Reichspogromnacht ausschließlich nur noch zu politischen Zwecken eingesetzt wird. Genauso könnte man einer Partei vorwerfen, vor der Wahl Wahlplakate zu Werbezwecken mißbraucht zu haben.

Gudrun Meyer / 17.02.2023

@Peter Krämer: Nur teilweise richtig. Es gibt einen rechten Antisemitismus, ganz klar. Aber die meisten Rechten in Deutschland, zumindest die meisten nicht-extremen Rechten, haben kapiert, dass der Beschuss der Rechten und der Juden aus derselben Ecke kommt. Diese Wahrnehmung fördert eine zunächst noch situationsabhängige, später tiefere Solidarität.

Peter Krämer / 17.02.2023

Der Jude wird von vielen in diesem Land nur akzeptiert, wenn er sich für den Kampf gegen “Rechts” verwenden lässt. Ist er dazu nicht bereit oder sagt gar Dinge, die zwar richtig, aber von Rechten auch so gesagt werden, ist es aus mit der Sympathie. Dann erntet er von Linken und “Progressiven” die gleiche Verachtung, die ansonsten aus der rechten Ecke kommt.

ricardo sanchis / 17.02.2023

Na ja das sind die Jünger von Merkels Stasi Freundin Kahane. Letztere behauptete ja auf einer Bundespressekonferenz des corona-maßnahmen Kritiker alle Verschwörungstheoretiker seien und Verschwörungstheorien hätten immer einen antisemitischen Hintergrund. Auf den Hinweis eines Journalisten das auch die orthodoxen Juden in Israel impfkritisch wärden bekam Kahane dann Schnappatmung und empörte dich maximal ohne auch nur ein Argument vortragen zu können. Argumente braucht man ja auch nicht wenn man die richtige Überzeugung hat. Dann wird man auch reichlich mit staatlichen Mitteln versorgt wie die Kahane Stasi Stiftung.

Klaus Beusch / 17.02.2023

Diese drei geistig leeren Hülsen sind nur Produkte einer Erziehung, wie vor 90 Jahren die Produkte der Hitlerjugend. Gefährlich sind die Einpeitscher an den Schulen, Unis, ” sozialen Einrichtungen “, die mit Rückendeckung der Altparteien und vieler Medien rechnen können. In D ist nach meiner Meinung das Sozitum ( Nationalsozis, Internationale Sozis ( Kommunisten )) wieder flächendeckend verbreitet. Es begann mit dem Marsch der 68er in die Institutionen, die alle staatlichen Einrichtungen verseucht haben. Der Antisemitismus ist und war bei diesen Leuten immer eine Basis ihres Gedankenguts gewesen. Ich glaube nicht, daß der Müll, den die drei da abgesondert haben, dem Denken der deutschen Bevölkerung entspricht, aber dazu dient, das Ansehen Deutschlands im Ausland zu beschädigen. Ich wage einfach einmal eine These gegen diese Hetzer: ” Alles was links ist, ist antisemitisch”. Denn auch Hitler und Göbbels behaupteten, daß die NSDAP eine sozialistische Partei, also nach meiner Auffassung links, sei. Man sollte vielleicht einmal nachforschen aus welcher Schule, Kaderschmiede, die drei stammen. Es wäre sicher für alle Eltern wichtig zu wissen in welches Etablisment sie ihre Kinder schicken. Man stelle sich vor, ich schicke mein Kind mit besten Absichten auf gute Bildung auf eine solche Schule und bekomme eine oder einen völlig verblödeten antisemitischen,rassistischen ( Weißbrote) woken, vergenderten Idioten zurück. Dem Rabbi möchte ich gerne die Hand drücken.

Wilfried Cremer / 17.02.2023

hallo Herr Perrefort, dieses bunte Bündnis ist ein Ausschnitt aus der Welt der zweidimensionalen Menschen, deren Emotionen geometrisch her- und dargestellt sind. Solche Wesen produzieren nur Konturen von Gefühlen, weil sie als Produkte und nicht als Geschenke auf die Welt gekommen sind.

Emmanuel Precht / 17.02.2023

Andrea, der Bastian und der Ralph. Die duschen sicherlich auch mit FFP2 Maske. Und fühlen sich sowas von geschützt. Und im Recht. Wohlan…

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