Ich schrieb letztes Jahr um diese Zeit einen kleinen launigen Artikel, warum es sinnvoll sein könnte, eine Partei zu wählen, die man aufgrund ihrer politischen Positionen nicht leiden kann. Und da ich, wie immer, meistens stets manchmal selten recht habe, hat sich die neue Wehrbeauftragte und SPD-Winkelementin Eva Högl für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen. Weil sie, ganz neu im Amt, jetzt schon die Faxen dicke hat.
Sie begründet ihre eher untypische „SPIdee“ damit, dass es so irgendwie, man raunt es, zu viele Rechtsextreme in der ohnehin schon zusammengeschrumpelten Bundeswehr gebe. Ein, wie ich finde, mathematisch durchaus nachvollziehbarer Ansatz: Wenn derzeit 100 Prozent aller Soldaten rechts wären, so wären es bei einer Verdreifachung aller Diensttuenden nur noch 33 Prozent.
Der eigentliche Punkt aber ist, dass „rechtes Gedankengut“ in einer Armee, deren Soldaten immerhin für ihr Land ihr Leben riskieren sollen, Einstellungsvoraussetzung sein muss. Niemand kann und wird für eine Sache überzeugt und überzeugend eintreten, die ihn nicht interessiert oder die er verachtet. Bei einem Beruf mit Lebensgefahr ist das sogar unabdingbar. Das ist eine Sache der – Achtung – militärischen Moral, die in tausenden Schlachten der Weltgeschichte schon das eine oder andere Mal zum Sieg über auch überlegene Gegner geführt hat.
Die Franzosen, die 1940 nicht nur eine falsche Strategie und Taktik, sondern auch eine erschütternd niedrige Moral hatten, wurden von der größenteils immer noch unmotorisierten, aber umso motivierteren Wehrmacht innerhalb von sechs Wochen dazu gezwungen, ihre fabrikneuen Gewehre an den Sammelplätzen der kapitulierenden Einheiten abzugeben. Umgekehrt hat die Royal Air Force trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit den Luftraum über England gegen die Luftwaffe behauptet.
George Patton hat einmal gesagt: „Es ist nicht das Ziel eines Krieges, für das eigene Vaterland zu sterben, sondern den anderen Bastard für sein Vaterland sterben zu lassen.“
Nichtsdestotrotz gehört ein sehr hohes Maß an Enthusiasmus (und, glaubt man den Chronisten des 19. Jahrhunderts, an Alkohol) dazu, sehenden Auges in einen Kugelhagel zu laufen oder sich unter Artilleriefeuer zu legen. Das macht niemand freiwillig, der nichts von seiner Mission hält oder, alternativ, den Politoffizier in seinem Rücken weniger als den Gegner vor ihm fürchtet. Und erst recht tut er es nicht unter Zwang, vulgo Wehrpflicht.
Es liegt in der Natur einer Berufsarmee, wie sie die Bundeswehr nun einmal ist, dass sie ein Magnet für Waffenfanatiker, Technikbegeisterte, Sportfans und vor allem auch Landsknechtnaturen ist. Diese und nur diese sind nicht nur körperlich, sondern auch geistig und moralisch in der Lage, schwierige Operationen wie Geiselbefreiungen oder gezielte Eliminierungen von Gegnern durchzuführen. Nur diese sind auch willens und bereit, den extrem körperlichen und geistigen Anforderungen in bretterharten Ausbildungen zu genügen.
Im Jahr 2020 ein Unding, 1985 ganz selbstverständlich
Wir hatten damals, als wehrpflichtige Frischlinge, während eines Manövers englische Fallschirmjäger zu Gast in der Kaserne: Gnade Gott dem, der diesen rüden Gesellen im handlichen Schrankformat gegenübergestanden hätte. Diesbezüglich möge man
argentinische Veteranen des Falklandkriegs oder Iraker befragen. Mir ist aus meiner eigenen Bundeswehrzeit als Wehrpflichtiger noch der Spruch vom „Staatsbürger in
Uniform“ als Leitbild in den Ohren. Wir kamen zur Armee als mündige Bürger, bereit, unser Land, unsere Freiheit und unsere Art zu leben gegen die finsteren Horden aggressiver sozialistischer Invasoren zu verteidigen, und ich hatte mein Koppelschloss noch nicht geschlossen, als unser Unteroffizier verkündete, dass wir „das mit dem Staatsbürger in Uniform vergessen können“.
Aus uns würde er Fallschirmjäger machen (was bei mir eher suboptimal funktioniert hat). Als soldatische Vorbilder wurden uns die Leistungen deutscher Fallschirmjäger bei der Besetzung Hollands und bei der Kreta-Invasion vermittelt. Im Jahr 2020 wäre dies ein Unding. 1985 ganz selbstverständlich. Das, was heute entsetzt als „rechte Umtriebe“ beklagt wird, war und ist zum Großteil nichts anderes als die Loslösung der militärischen Leistungen der Wehrmacht von der Ideologie, der die Wehrmacht gefolgt ist und sie nach Moskau und Stalingrad (und wieder zurück) hat laufen lassen.
Die moralische Frage ist, ob dies für einen Soldaten eines demokratischen Staates statthaft ist. Vergleichen müsste man dieses Thema damit, welchen militärischen Vorbildern und Traditionspflegen die NVA folgte, deren Helme und Uniformen nahezu 1:1 von der Wehrmacht übernommen worden waren. Der Bezug zu den preußischen Befreiungsarmeen der napoleonischen Ära wurde hüben wie drüben gelegentlich zwar gesetzt, aber nicht ernsthaft dekliniert. Was soll ein Panzerfahrer auch mit einer Guerilla-Truppe wie den Lützowern anfangen?
Die 65-jährige Geschichte der Bundeswehr ist, Gott sei Dank, eine Geschichte ohne Heldentaten, dafür aber voller Bürokratie und Missverständnisse. Der einzige wirklich ernstzunehmende militärische Einsatz war ein Fehlschlag, als ein Bundeswehroberst einen Luftschlag auf zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge anforderte, wodurch knapp 100 Zivilisten getötet wurden. Bei der im Auftragsrahmen erfolgreich durchgeführten Operation „Libelle“ gab es so gut wie keine Kampfhandlungen und diese ist als singuläres Ereignis zur Traditionspflege ungeeignet.
Mehr teilbewaffnete Trachtengruppe als leistungsfähige Armee
In den letzten Jahrzehnten kämpften die Amerikaner, Franzosen und Briten, die Bundeswehr begnügte sich bei jedem Auslandseinsatz mit Straßensperren, Logistik, Patrouillen in bereits gesicherten Gebieten und ein paar hübschen Luftbildern aus Tornado-Aufklärern. Sicher auch sehr wichtig, aber nichts, worauf sich mit militärischem Stolz für außergewöhnliche Tapferkeit blicken lassen würde oder zum Bezugspunkt einer militärischen Traditionspflege taugt. Die Morgen-Patrouille in Pristina ist, militärisch gesehen, nun einmal immer noch weniger spektakulär als der Handstreich auf Eben Emael, wenngleich natürlich die Motive und Ausgangslagen völlig andere waren und sind. Palastwachen entscheiden keine Schlachten.
Hinzu kommen aus Regierung und Bevölkerung wenigstens Misstrauen, wenn nicht sogar offene Verachtung und Feindseligkeit gegenüber den eigenen Streitkräften, in den USA oder Russland ein Unding. Sandsäcke sollen sie tragen dürfen, die deutschen Soldaten, wenn es an Oder und Elbe mal wieder feucht wird, ansonsten soll die Bundeswehr möglichst durch gendergerechtes und umweltschonendes Auftreten in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Wenn überhaupt. Mehr teilbewaffnete Trachtengruppe denn wehrhafte und leistungsfähige Armee. Mit einem Satz: Die Bundeswehr als heimeliger Ort für bunte Geschlechterdiversität statt als abschreckender Schlagarm Deutschlands.
Wo soll sich da eine Traditionspflege herleiten? Von evangelischen Kirchentagen? Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, wie von Eva Högl als Sommerlochamusement vorgeschlagen, wird daran nichts ändern – außer noch mehr Bürokratie, und vielleicht bleibt auch der eine oder andere Rechtsradikalinski, der bisher an den Einstiegshürden der Bundeswehr scheiterte, dann dort hängen. Insgesamt aber stellt sich für die Soldaten der Bundeswehr, ob freiwillig oder wehrpflichtig, die Kernfrage, ob es sich überhaupt lohnt, DIESES Deutschland glutenallergischer Geschlechtsdiverser und Gestaltenwandler, moralinsaurer Spinner, Geschichts- und Tatsachenverdreher und Teddybärenweitwerfer unter Einsatz des eigenen Lebens zu verteidigen.
Ich würde das nicht tun: Den lustigen Hengameh Yaghoobifahrs dieser Republik helfen, mich weiterhin beschimpfen zu können. Da diese sowieso stets besser wissen, wie sich die Welt zu drehen hat, sollten die das auch schön selbst machen.
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