Die Bundeswehr hat jede Menge Probleme. Neben einer mittlerweile als „rudimentär“ zu bezeichnenden Ausrüstung und einem Mangel an militärischen Facharbeitern weiß sie sich als Armee nicht einmal mehr zu identifizieren. „Traditionen“ und „Militär“ lassen sich im genderisierten und pädagogisch sanften Deutschland des Jahres 2018 nicht mehr sinnvoll in einen Kontext bringen.
Bei Durchsuchungen in diversen Kasernen wurden sogar Wehrmachtsstahlhelme gefunden. Da fragen sich innere und äußere Führung der Bundewehr natürlich schon, „ob es immer noch so weit ist“… Aus diesem Grunde hat sich nun das Verteidigungsministerium entschlossen, auch die Armeen von Kaiserreich und DDR in die Traditionspflege – so es sie überhaupt gibt – mit einzubeziehen.
Nun stellt sich ja tatsächlich die Frage, ob die sinnlos verheizte Kaiserarmee und die preußisch gedrillte NVA (mit dem Wehrmachtsstahlhelm nach Muster 1944) als Vorbild für die Bundeswehr taugen. Ich meine: Nein. In beiden Armeen herrschten Ungerechtigkeit, ein rauer Umgangston, und außerdem gab es keine Frauen in den Kampftruppen. Sogar das Material war umweltfeindlich und nicht ökologisch abbaubar, alte Gräben aus der Zeit des Ersten Weltkrieges geben hier noch beredtes Zeugnis. Unmöglich, hier Traditionen herleiten zu wollen.
Nein, die Bundeswehr 2018 muss sich tatsächlich neu erfinden, freundlich werden, gendergerecht und soldatenfreundlich sein. Und täglich drei warme Mahlzeiten und demokratischere Umgangsformen zwischen Mannschaften und Vorgesetzten wären auch angesagt. Da kann es auch nicht sein, dass heutige Schützenpanzer nicht schwangerengerecht sind. So muss eine neue Tradition entstehen, die den aggressiven „Barraston“ vergangener Zeiten genau in diesen alten Zeiten lässt, und die sich auf menschliche Wärme und Freundlichkeit als höchste Werte gründet.
Ein Gehöft in der Nähe von Mopti/Mali
Daher könnten Kampfberichte in Zukunft auch so aussehen:
Die zweite Gruppe des 3. FallschirmjägerInnenbataillons 272 (Leitmotto: „Erst fragen, dann schießen“) hatte am 30.03.2020 den Auftrag, unter Stabsunteroffizier Thane in der Nähe von Mopti/Mali ein Gehöft zu durchsuchen, aus dem am vorangegangenen Tag Schüsse auf einen Militärkonvoi abgegeben wurden und verdächtige Personen gegebenenfalls festzunehmen. Ausdrücklich durfte von der Schusswaffe bei Widerstand Gebrauch gemacht werden, die militärische Lage war unklar.
Der sechs Kilometer lange Anmarsch bereitete Schwierigkeiten, da der Puma-Schützenpanzer aufgrund eines abgelaufenen TÜVs und Problemen mit den Schadstoffemissionswerten nicht genutzt werden konnte. Von der neunköpfigen Gruppe fielen daher Jägerin Hartmann und Obergefreite/rX Jansen wegen Blasen an den Füßen durch unbequeme Schuhe während des Marsches aus und mussten etwa auf der Hälfte der Strecke durch einen Sanitätswagen abgeholt und auf die Krankenstation in „Camp Sonnenschein“ verbracht werden.
Die Topographie des Geländes am Einsatzort zeigt ein nicht umfriedetes Gebäude mit einer Stallung. Etwa 100 Meter westlich über die Straße hinweg befindet sich eine Bruchsteinmauer, hinter der die Gruppe vor dem Einsatz Stellung bezog.
StUffz Thane stellte beim Herstellen der Einsatzbereitschaft folgende Mängel fest:
- Gefreiter Dietrich hat auf dem Marsch seine Handcreme verloren.
- Gefreite Lenhardt bemerkt eine Ladehemmung an ihrem G36, die nicht ohne technisches Personal beseitigt werden kann.
- Obergefreiter Sander und Obergefreiter Ömer haben Feierabend und scheiden für den Einsatz aus, erklären sich aber bereit, trotzdem mitzumachen, wenn sie dafür die doppelte Zahl an Überstunden gutgeschrieben bekommen.
- Hauptgefreite Rindberg-Halmackenreuther hat während des Marsches ihre Periode bekommen und keine entsprechende Ausrüstung an Frau.
- Obergefreite Özlem ist etwas besorgt wegen der nicht eingehaltenen Gebetspausen.
- Jäger Müller hat ein gesprungenes Handydisplay und ist dementsprechend demotiviert.
Den Befehl durch mehrheitliche Handabstimmung gebilligt
StUffz Thane befahl, dass sich zwei Kollegen der Gruppe dem Gebäude von links und zwei Kollegen von rechts nähern, während die restlichen Mitglieder der Gruppe Feuerschutz geben und das Gebäude beobachten sollen. Die Mannschaft hat den Befehl durch mehrheitliche Handabstimmung gebilligt, allerdings bestanden OG Özlem und OG Sander darauf, keiner der flankierenden Gruppen anzugehören. Begründet wurde dies mit dem grundsätzlich höheren Gesundheitsrisiko einer Annäherung im Gegensatz zum Verbleiben in einer sicheren Deckung. Jg Müller bemängelte zudem den Umgangston von StUffz Thane, er sei freier Bürger und müsse sich von niemandem etwas in diesem Ton befehlen lassen. OG Ömer bat um Wiederholung des Befehls auf türkisch oder englisch, da er ihn nicht exakt verstanden hatte.
Aus dem Verlauf der angeregten und achtsamen Diskussion ergab sich somit folgendes Einsatzbild:
- OG Özlem und OG Sander bleiben in Deckung und geben gegebenenfalls Feuerschutz
- StUffz Thane, Jg Müller und Ge Lenhardt nähern sich dem Gebäude von der linken Flanke
- Ge Dietrich und HGe Rindberg-Halmackenreuther sowie OG Ömer flankieren das Gebäude von rechts
Ge Dietrich musste allerdings nach etwa 30 Metern in die Deckung zurückkehren, da sein linker Schnürsenkel offen war, was arbeitsrechtlichen Vorschriften zuwider lief, weshalb HGe Rindberg-Halmackenreuther und OG Ömer ihre Annäherung alleine weiterführten.
Nach etwa 50 Metern wurde auf diese Gruppe aus dem Gehöft das Feuer eröffnet, weswegen sie liegend in Deckung gingen und die Annäherung abbrachen. Ge Özlem wies, aus der Deckung rufend, auf Englisch darauf hin, dass sich hier Menschen im Anmarsch befänden und die im Gebäude verschanzten SchützInnen bitte das Feuer einstellen möchten. Dieser Bitte wurde seitens des oder der SchützInnen in der Folge nicht stattgegeben. Auch das erneute Anrufen von Ge Özlem und der Hinweis auf den durchaus möglichen Einsatz von Schusswaffen blieben erfolglos.
Unterdessen hatte sich das Team von StUffz Thane dem Gebäude so weit genähert, dass die Position des Schützen eindeutig identifiziert werden konnte. Ein kaltblütiger Mord an dem Schützen durch StUffz Thane konnte durch das beherzte Eingreifen von Ge Lenhardt, die dem Unteroffizier in den Arm fiel, in letzter Sekunde verhindert werden. Die sich daraufhin entspinnende wertschätzende Diskussion wurde durch erneuten Beschuss durch den gegnerischen Schützen unterbrochen, da die Gruppe ebenfalls in Deckung gehen musste.
Der Schütze forderte dann auf Englisch durch Zuruf die Einsatzkräfte auf, sich zu ergeben, da er auf jeden schießen würde, der sich bewegen würde. Das Gegenangebot von StUffz Thane, dem Schützen freies Geleit und die Gelegenheit zu einem Asylantrag in Deutschland zu geben, wurde von diesem mit einer erneuten Gewehrsalve beantwortet. Der gegnerische Schütze bestand vielmehr auf seiner Forderung der Kapitulation. Dieser Forderung wurde durch Handabstimmung mit 6:1 Stimmen stattgegeben, da sich OG Sander der Stimme enthielt, StUffz Thane stimmte dagegen. Der Bitte um ein Gruppengespräch mit anschließender erneuter Abstimmung durch StUffz Thane wurde seitens des Schützen nicht stattgegeben. OG Sander notierte während dieses Gesprächsverlaufs eine rassistische sowie zwei sexistische Bemerkungen von StUffz Thane, über die in einem gesonderten Verfahren zu berichten sein wird.
Der Einsatz endete somit in der Kapitulation der Gruppe, die nach Abgabe ihrer Waffen, der Helme, Smartphones und Nachtsichtgeräte sowie der persönlichen Wertgegenstände und unter dem Verbleib von Ge Lenhardt und HGe Rindberg-Halmackenreuther als Geiseln wohlbehalten nach „Camp Sonnenschein“ in den verdienten Feierabend zurückmarschierte und der ruhmreichen Geschichte des 3. FallschirmjägerInnenbataillons 272 ein weiteres Lorbeerblatt hinzufügte.
Über die spätere Geiselbefreiung nebst gewaltsamer Eliminierung des Schützen gibt der brutale Einsatzbericht der Abordnung des 2. Luxemburgischen Jägerbataillons an anderer Stelle Auskunft.
(P.S. Ich leistete im Jahr 1985 bei dem mittlerweile aufgelösten 3. Fallschirmjägerbataillon 272 in Wildeshausen meinen Grundwehrdienst, mein Unteroffizier hieß Thane. Ich habe ihn gehasst. Aber im Kampfeinsatz hätte ich mich auf ihn verlassen können. Somit sei ihm hier ein kleines Denkmal gesetzt.)