Peter Grimm / 14.01.2020 / 14:30 / 36 / Seite ausdrucken

Bundesregierung ohne Zahlen

Wenn die Bundesregierung gefragt wird, von wie vielen Asylbewerbern die Identität nicht eindeutig geklärt ist, dann müsste diese Frage doch zu beantworten sein, denkt man sich als Bürger, denn im Asylverfahren dürfte die Identität des Antragstellers ja doch eine gewisse Rolle spielen. Weit gefehlt. Auf die Frage „Wie viele Identitäten von Schutzsuchenden sind derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung nicht eindeutig geklärt?“ gibt die Bundesregierung, also genauer das Bundesinnenministerium, die Antwort: „Hierzu wird keine Statistik geführt“.

Es wird sicher der Wahrheit entsprechen, dass darüber keine eigene Statistik geführt wird, dennoch sollte eine Ministerialbürokratie in der Lage sein, diese Informationen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vielleicht abzufragen. Oder ist die behördliche Datenverarbeitung dort nicht in der Lage, aus den Verfahren die mit nicht eindeutig geklärter Identität des Antragsstellers herauszufiltern?

Man fragt sich als Leser angesichts dieser Antwort aus dem Innenministerium, ob sich hier mehr Ahnungslosigkeit, Inkompetenz oder doch demonstrative Wurstigkeit zeigt. Immerhin kommt ja die Anfrage von der AfD, und die hat natürlich die Absicht, jede verwertbare Zahl in der Antwort dazu zu nutzen, die schöne regierungsoffizielle Sicht, nach der die Migrationskrise längst überwunden wäre, zu zerstören.

Auch wer im Politikbetrieb die AfD als größte Oppositionsfraktion im Bundestag aus verschiedenen Gründen nicht ausstehen kann, sollte wohl akzeptieren, dass es nun einmal zur Rolle einer Oppositionsparei gehört, die regierungsoffizielle Sicht der Dinge zu konterkarieren. Wessen Beschreibung der Wirklichkeit dann tatsächlich auch mehr mit der Erfahrung der Bürger übereinstimmt, können ebendiese dann selbst beurteilen.

Kein Interesse im Innenministerium

In der Vorbemerkung machen die Fragesteller zudem deutlich, auf welcher Fallhöhe sie das Thema sehen, indem sie auf einen Bericht der Jerusalem Post verweisen, in dem es unter Berufung auf den ehemaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes August Hanning heißt, dass noch immer über 300.000 Personen in Deutschland leben würden, deren Identität nicht zweifelsfrei geklärt sei, was ein massives Sicherheitsrisiko darstelle. Einer solchen Zahl sollte ein verantwortungsbewusstes Innenministerium eigentlich etwas Anderes entgegenzusetzen haben, als den Verweis darauf, dass es keine eigenen Zahlen gäbe. Nicht einmal Schätzungen? Hat diese Frage im Hause Seehofer nie jemanden interessiert? Das könnte dann auch als Offenbarungseid verstanden werden.

Oder wollte Horst Seehofers Ministerialbürokratie gegen etwas Anderes demonstrieren? Immerhin hat sich die Bundesregierung ja jüngst darüber beschwert, dass sie zu viel Arbeit mit den vielen Kleinen Anfragen aus dem Bundestag hätte. Insbesondere AfD, FDP und Linke hätten sich beim Fragestellen hervorgetan. Kein Wunder, denn die Kleinen Anfragen werden naturgemäß mehr von der Opposition als von der Regierung genutzt.

Zur Ergänzung: Die Frage danach, wie viele Asylantragsteller denn in den letzten Jahren ohne Papiere eingereist seien, wurde immerhin beantwortet und die genannten Zahlen waren auch beruhigend niedrig. Leider waren sie auch nur von begrenztem Wert, denn die Beamten vermerkten:

„Es wird darauf hingewiesen, dass diese Statistik keine Personen umfasst, die ohne Kenntnis der Behörden nach Deutschland eingereist sind und erst zu einem späteren Zeitpunkt einen Asylantrag stellen.“

Wer also nicht an der Grenze einem Bundespolizisten in die Arme gelaufen ist, ist hier auch nicht erfasst. Mit derart nichtssagenden Antworten dürfte man aber nur noch mehr Nachfragen produzieren. Gedient ist damit niemandem. Allerdings wüssten bestimmt sehr, sehr viele Bürger – weitaus mehr, als es AfD-Wähler gibt – sicher gern, wie viele Menschen mit ungeklärter Identität denn hier leben und von Steuerzahlern alimentiert werden. Sind es nun 300.000, wie Herr Hanning schätzt, oder weniger oder mehr? Vielleicht stellt eine andere Fraktion mal die gleiche Frage. Möglicherweise gibt’s dann ja auch eine andere Antwort.

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Leserpost

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K.Behrens / 14.01.2020

Ich sah das Problem der illegalen bereits in 2015 kommen, als die ersten Fotos von neuen Fachkräften durch die Medien schwappten. Heute ca. vier Jahre später tummeln sich hier immer noch wie viele und leben von was? Soll man daraus den Schluß ziehen, dass die Verwaltungsbehörden überfordert sind, dieses Klientel zu ausfindig zu machen? Das ist sehr beunruhigend! Zumal es ja an anderer Stelle von Seiten der Meldebehörden gut funktioniert. Wenn man innerhalb Deutschlands umzieht und vergißt, der GEZ von ARD und ZDF die neue Adresse mitzuteilen, dauert es nicht lange, bis der neue Wohnsitz an die GEZ von der Meldebehörde weitergegeben wird. Meiner Ansicht nach stimmt hier etwas nicht, ob gewollt oder verschlampt, sei noch dahin gestellt.

Robert Schleif / 14.01.2020

Was ist das hier für ein Bullshit? Wenn jemand untertaucht und KEINEN Asylantrag stellt, ist er auch kein Asylbewerber! Und wie stellt man einen Asylantrag und bleibt gleichzeitig anonym?

Detlef Dechant / 14.01.2020

Innenminister de Maizière:“Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern” Dem ist nichts hinzuzufügen!

Gereon Stupp / 14.01.2020

Was Sie freundlich »Wurstigkeit« nennen, ist schlicht Aussageverweigerung. Im Umkehrschluß heißt das aber auch, daß ich von 100% ungeklärten Identitäten ausgehen kann. Wenn es niemand weiß, kann es ja auch keiner widerlegen. Resultat: allesamt rausschmeißen, sofort und mit Schwung. Es kann ihnen dabei nichts passieren, die Grenzen stehen ja offen.

Gudrun Dietzel / 14.01.2020

Vor 25/30 Jahren bekam man auf Anfragen, egal wo und wozu, die Antwort: Unsere Computer sind gerade abgestürzt. Heute wird auf die nicht erstellte Statistik verwiesen. Können wir uns darauf einigen, daß damals wie heute gelogen wird?

Robert Jankowski / 14.01.2020

Wer zur Hölle bezahlt Geld für eine Sache, von der er nicht weiß, worin sie besteht?! Onkel Hotte aus Bajuwarien! Der Mann, der schonungsloses Vorgehen gegen Asylmissbrauch zu seinem Credo erhoben hatte, macht den zahlenden Grußaugust. Klasse Hotte!

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