Susanne Baumstark / 28.12.2017 / 17:00 / Foto: Ildar Sagdejev / 14 / Seite ausdrucken

„Bürgerasyl“: Der Rechtsstaat interessiert uns nicht!

Soziale Bewegungen werden gemeinhin nach wie vor als moralische Instanzen betrachtet. Dass diese häufig ganz öffentlich rechtliche und politische Beschlüsse unterminieren tut dieser Einschätzung seltsamerweise keinen Abbruch. Dabei ist es gerade im Aufgabenbereich der Integration logistisch unverzichtbar, nach verlässlichen Kriterien von offiziell zuständigen Stellen vorzugehen.

Wenn diese Stellen nicht in der Lage sind eine brauchbare Integrationsstrategie zu liefern, dann folgt daraus nicht, dass hergelaufene Aktivisten plötzlich legitimiert seien, de facto Regierungsgeschäfte zu übernehmen und die Bevölkerung den Folgen ihrer persönlichen Annahmen auszusetzen. Warum man sie das trotzdem tun lässt, wäre Teil einer Antwort auf die große Frage nach dem Warum dieser mutwilligen Preisgabe des Landes im Zuge des Zuwanderungsfetischismus. 

Aktuelles Beispiel einer weiteren Eigenmächtigkeit mit Vorbemerkung: Nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 1. September bestehe in Afghanistan „nicht landesweit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit für jede dorthin zurückkehrende Zivilperson“. Die Ausprägung des dortigen Konflikts sei regional unterschiedlich. Bei der Beschlussfindung bezog man sich unter anderem auf eine aktuelle Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Taliban weite Teile des Landes beherrschten.

"Notfalls in privaten Wohnungen verstecken"

Nichtsdestotrotz schwärmte die fest im linken Milieu verankerte Bewegungsstiftung kürzlich in ihrem Newsletter von Hagen Kopp, einer ihrer „Bewegungsarbeiter“: „Seit einem Jahr schiebt Deutschland Geflüchtete nach Afghanistan ab, obwohl sich die Sicherheitslage in dem Land massiv verschärft hat.“ Kopp startete deshalb in Hanau die „Initiative Bürgerasyl“. „Dabei kündigen UnterstützerInnen öffentlich an, afghanische Geflüchtete vor der Abschiebung in Krieg und Verfolgung zu schützen und sie notfalls in privaten Wohnungen zu verstecken.“ Gegenüber op-online kündigte Kopp an: „Wir werden alles dafür tun, die Betroffenen vor Abschiebungen zu schützen“; zusammen mit ähnlichen Initiativen in Darmstadt und Frankfurt sowie der Afghan Refugee Movement.

Häufige Fragen zum Bürgerasyl beantwortet die Hanauer Initiative unter dem Link solidarity-city.eu: „Zunächst geht es darum, den politischen Preis für die Abschiebungen hochzutreiben und perspektivisch – wenn sich in vielen Städten Tausende an ähnlichen Initiativen beteiligen würden – solche Abschiebungen politisch undurchsetzbar zu machen.“ Die Bewegung der Sanctuary Cities betreibt das in geografisch großformatigem Stil: „In Barcelona forderte jüngst die Stadtregungen die Bildung eines europäischen Netzwerks von rebellischen sanctuary cities. Angesichts des Rollbacks in der Flüchtlingspolitik und der immer brutaleren Abschottung der Grenzen ist es Zeit, an eine solche Politik von unten zu erinnern und diese Idee zu verbreitern.“ Bei einem Vortrag im März ging es auch um die Möglichkeit, „diese Bewegung auf deutsche Gegebenheiten zu übertragen“. 

Der hessische Innenminister Peter Beuth kündigte im August Strafen gegen das "illegale Bürgerasyl" an. Weiters hat man nichts mehr davon gehört oder gelesen.

Susanne Baumstark, Jahrgang 1967, ist freie Redakteurin und Diplom-Sozialpädagogin. Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel hier.

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Leserpost

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Rolf Menzen / 28.12.2017

In diesem Land ist eh der Irrsinn ausgebrochen. Da bürgen irgendwelche Vollidioten für “Flüchtlinge” und wundern sich dann,  dass sie tatsächlich für ihre Schützlinge bezahlen müssen. Solange die ihr Gutmenschentum auf anderer Leute Kosten austoben können wird sich da auch nix dran ändern.

Manfred Haferburg / 28.12.2017

Was ist der Unterschied zwischen einem guten Menschen und einem Gutmenschen? Ein guter Mensch gibt den Armen von seinem Geld. Ein Gutmensch gibt den Armen vom Geld anderer Leute.

Dirk Jungnickel / 28.12.2017

Die Abschiebung ist ein staatliches Hoheitsrecht, das nach eingehender Prüfung auch unter Zwang durchgesetzt werden kann. Auch darf und kann allein der Staat entscheiden, in welchen Staat abgeschoben werden kann und in welchen nicht. Das sogenannte Bürgerasyl unterläuft somit staatliche Maßnahmen. Selbstverständlich werden humanitäre Gründe gegen Abschiebungen angeführt und der Staat in gutmenschlicher Manier als brutal und unmenschlich hingestellt. Dem wäre zu entgegnen, dass dann auch Strafgefangene nach dem Gusto irgendwelcher selbsternannter Menschenrechtler frei gelassen werden müssten. Oder dass demnächst Minderheiten Gesetze verabschieden könnten usw. Auch Kirchen haben sich nicht über die Staatsgewalt zu erheben. Und solange Kirchenasyl toleriert wird, liefert man auch einer sogenannten Bewegungsstiftung Argumente. Sollte der Staat jedoch Hoheitsrechte missbrauchen, dann bleibt immer noch die Möglichkeit des Protestes. Zur Zeit wäre eher Protest nötig gegen die jahrelange Duldung von Migranten, die nicht asylberechtigt sind.

Sabine Müller / 28.12.2017

Wenn alle Linken und Gutmenschen einen Flüchtling bei sich beherbergen, ihn versorgen und intergrieren, ist das Problem doch gelöst.

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