Ralf Schuler / 15.04.2019 / 06:25 / Foto: U.S. D.D. / 70 / Seite ausdrucken

Bürger-Ohnmacht hat einen Namen: BER!

Der Berliner Flughafen BER ist Deutschlands Statussymbol. Ein Symbol für den Status längst akzeptierten Staatsversagens. Zu hoch gegriffen? Mitnichten! Es ist das Versagen des Staates (Bund und zwei Länder, darunter die Hauptstadt), ein überschaubares Bauprojekt in der gebotenen Verantwortung für die Bürger umzusetzen.

Inzwischen drücken sich die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg davor, im Aufsichtsrat die eigentlich zwingende Mitverantwortung für die verschwendeten Steuer-Milliarden zu übernehmen, und der Bund lässt in Gestalt des Bundesverkehrsministeriums klar durchblicken, dass man sich die verhunzte Fliegerjacke ebenfalls nicht anziehen wolle.

Mit anderen Worten: Die Politik verweigert die Arbeit. Viel schlimmer aber ist: Der BER ist ausempört. Das milliardenschwere Versagen wird hingenommen wie die endlosen Folgen einer schmierengemimten Dauerserie am Vorabend. Es ist ein Running Gag für Comedians, der längst zu fad und wohlfeil geworden ist und seinen Rang an die klapprige Flotte der Regierungsflieger abgegeben hat. Selbst in der Kombination von beidem erntet man kaum mehr als resigniertes Abwinken: Flieger, die nicht fliegen auf einem Airport, der nicht öffnet. Haha.

Muss ja weitergehen

Es gibt keine Eskalationsstufen mehr. Der Autor dieser Zeilen mag sich ereifern, bis der Blutdruck die Messmanschette bersten lässt und schreibt doch ins Leere. Der Leser wird zustimmen und alsbald zum gewohnten Tagwerk übergehen. Muss ja weitergehen. Längst juxen die Hauptstadtzeitungen mit den gezählten Tagen seit der geplatzten Ersteröffnung des BER im Jahre 2012, haben Rubriken eingerichtet, um den täglichen Irrsinn geordnet abzulegen. Korrespondenten aus aller Welt haben sämtlich über das BERsagen Berlins und der Deutschen berichtet und in der Schönefelder Flugunfähigkeit ein stets verfügbares Reportage-Element zur Hand, um das aktuelle Deutschland-Panorama zu zeichnen.

Der BER ist in die deutsche Alltagsfolklore eingewachsen, wie der Hamburger Fischmarkt, von dem man ebenfalls immer gewiss sein kann, dass er da ist, auch wenn man gerade nichts von seinen Marktschreiern hört:

„Korruption, Unfähigkeit, völliges Chaos! Nennt mich verrückt, aber heute lege ich noch einen drauf! Hochdotierte und gescheiterte Top-Manager im halben Dutzend, Dübel, die nicht brandschutztauglich sind und einen noch frisch blutenden Steuerzahler… Und das Ganze nicht für eine Milliarde, nicht für zwei Milliarden oder drei – erzählen Sie es nicht weiter, es wird Ihnen sowieso niemand glauben: Dieses randvolle Paket voll Nichts heute und nur heute für Sie zum einmaligen Mitnahmepreis von sage und schreibe sechs Milliarden Euro! Das können Sie nicht fassen, die Dame dort in der ersten Reihe! Nicht gucken, zugreifen! Greifen Sie zu, solange der Vorrat reicht und die nächste Verschiebung des Eröffnungstermins noch nicht spruchreif ist…“

Züge, die auf Geistergleisen durch tote Tunnel fahren

Der BER ist ein Phantom, das schon lange nicht mehr schmerzt. Er ist ein eingewachsener Tumor, mit dem man sich abgefunden hat, und der höchstens noch zum geräuschvollen Fitness-Programm reicht. KOPFSCHÜTTELN über Züge, die auf Geistergleisen mehrfach am Tag durch tote Tunnel fahren, damit kein Pilz in den leeren Schächten wächst. SCHENKELKLOPFEN über Rolltreppen, die zu Ende sind, bevor das nächste Stockwerk da ist. Der BRÜLLER über Architekten, die auf die Physik PFEIFEN und im Brandfalle aufsteigendes Rauchgas nach unten absaugen wollen, damit zu Häuptern der Passanten kein Rohr das Hallenwerk verunziert.

Der BER ist ein Exempel-Tempel für die Selbstüberhebung, die inzwischen selbst dem deutschen Ingenieur so schwör geworden ist, dass der Hosenbund vom Blaumann platzt. Erst greift man für eine simple Lkw-Maut zu den Satelliten und bringt über Jahre nur milliardenschwere Anschubkosten zustande, dann lässt man sich ausgerechnet beim Schummeln am deutschen Volkswagen erwischen und scheitert nun eine knappe Dekade lang am Errichten von Hallen, Hangar & Co.

Nur juckt all das im Falle des BER niemanden mehr. Dass sich die Kosten für den Abfertigungskomplex auf mindestens sechs Milliarden Euro nahezu verdreifachen – geschenkt. Dass die Skandale um Baufirmen und Fehlkonstrukteure kaum noch zu entwirren, geschweige denn zu ahnden sind – tja. Dass niemand die politische Verantwortung für das Desaster übernehmen will – bekannt und abgehakt.

Bürger-Ohnmacht hat einen Namen: BER!

PS: Wer mehr von Ralf Schuler lesen möchte, kann auch zum aktuellen Buch greifen: „Lasst uns Populisten sein. Zehn Thesen für eine neue Streitkultur“, Herder Verlag.

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Karl-Heinz Vonderstein / 15.04.2019

Höre schon die anderen, wie sie sagen:“Und die wollen das Weltklima beherrschen und die Welt retten!”

Günter Schlag / 15.04.2019

Ich möchte wetten, das sich noch viele an der Ruine eine goldene Nase verdienen. Die Kuh, die man melken kann, wird doch keiner schlachten. Und wie sagte voriges Jahr unsere berliner Urlaubsbekanntschaft: “So lange bei uns im Portemonnaie die Knete stimmt, können die machen, was sie wollen.” Welch paradiesische Zustände für eine Regierung.

Karsten Reiter / 15.04.2019

@Peter Lieser Wir hier in Toronto sehen das auch so.  Der BER ist schon laengst ein gutes Witzalibi, dieses groteske Deutschland zu verlassen.  Wir hier warten nur noch darauf, dass das ganze System da drueben kollabiert. Unabhaengig vom BER.

Fritz kolb / 15.04.2019

Am Anfang war die Idee, einen Flughafen zu bauen, größer und schöner als alle anderen. Ja, sexy sollte er sein, so wie sein Heimathafen auch. Man bat die Firma Hochtief um ein Pauschal-Festpreisangebot, mit festem Fertigstellungstermin. Das Angebot wurde vorgelegt, aber ach, die 2,3 Milliarden erschienen den Entscheidern aus Politik zu hoch. Wir werden doch die Aktionäre und Vorstände nicht mit dem uns anvertrauten Steuergeld mästen, das kann unsere eigene Bauabteilung doch besser. Denen allerdings lief beim Bekanntwerden dieser genialen Wowereit-Idee ein kalter Schauer nach dem anderen über den Rücken. Man erreichte dort, daß ein renommiertes Planungsbüro die Planungsphasen 2-5 übernehmen sollte, also alles das, was festschreibt, was wie wo gebaut werden soll. Um es kurz zu machen: das Planungsbüro wurde per ordre de mufti (Wowreit) rausgeworfen, die nahmen daraufhin natürlich ihre gesamte Planung mit. Es gab ja noch offene Honorarforderungen. Währenddessen planten die Politiker um, also größer. Und weil sie keine Ahnung vom Bauen hatten, und auch kein Planer mehr im Boot saß, passte danach nichts mehr. Weil man z.B. grössere Leitungs-und Rohrquerschnitte in den bereits vorhandenen Strukturen nicht mehr unterbringen könnte. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Wowereit (also der „Unschuldige“) genießt derweil seine üppige Pension mit Mann und Haus im hohen Norden. Und wer bezahlt das alles? Sie verehrter Leser, genauso wie ich und die ca. 17 Millionen EK-Steuerzahler.

Dietmar Blum / 15.04.2019

Herr Krug-Fischer,  es gab es schon einmal, dass “in Deutschland eine „neue Physik“ eingeführt” wurde, sie nannte sich “deutsche Physik”. Auch diese wurde von DER Politik kreiert. Nun haben wir halt eine “grüne und rote”! Die Mischung ergibt Braun und gleicht aus Haar der damaligen Intention.

Anders Dairie / 15.04.2019

Die Investoren Bund/Berlin/Brandenburg haben beim BER den Hauptarchitekten den Vertrag nach Streitigkeiten gekündigt.  Der Vertrag umfasste die Planung bis zur Bauübergabe.  Da die Planungsunterlagen mitgenommen werden durften, sie standen unter Urheberrecht,  stand der Investor Bund/Berlin/Brandenburg ab dem Moment des Rückzugs komplett im Dunklen.  Wer die Technologie des Bauens und die Anwendung des Baurechts in der Arbeitsteilung nicht kennt und anerkennt,  kann keine schlüssigen Aussagen zum BER machen.  Der vorhandene Zustand ist das Werk entscheidungsstarker Laien. Nicht von Fehlern der Fach-leute.  PLATZEK und WOWEREIT haben sich wohl wissend aus dem Aufsichtsrat des BER “abgesetzt”. Als das kommende Desaster erkennbar wurde. Alle nach-folgenden Sanierer waren—ohne Planunterlagen aus rein fachlichen Gründe—chancenlos.  Sie konnten die Einarbeitung Neuer nicht leisten.  Und,  wer stürzt sich in den Strudel des sinkenden Schiffs?  Die Hauptarchitekten wären bei dem Zustand nicht wiedergekommen.

Werner Brunner / 15.04.2019

Es ist nicht das Versagen des Staates , sondern das jämmerliche Versagen von Menschen , die den Staat vertreten , und viel Geld dafür beziehen .... Es ist das grandiose Versagen von Politikern , Richtern , Beamten , Architekten und anderen Vögeln ! Der Riesenskandal ist doch , dass niemand zur Rechenschaft gezogen wird ! Es wird nicht einmal versucht ! Im Mittelalter z.B. hätte man diese Figuren einen Kopf kürzer gemacht ! Vielleicht sollte man diese Vorgehensweise wieder einführen .... Ich fände es gut .....

Torge Budzorski / 15.04.2019

Es ist nicht die deutsche Ingenieurskunst, die gnadenlos versagt. Sondern die inkompetente Führung. In der Politik, in den Unternehmen. Auf Arbeitsebene bei den Fachleuten ist man ob der angehäuften geballten Inkompetenz nur noch resigniert (O-Ton einer Erfolgsmeldung: “Wir haben uns jede Woche zum Arbeitskreis getroffen und sind damit ganz weit vorn!”). Führend ist Deutschland nur noch beim Wind erzeugen und Luftschlösser bauen.

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