So, Ihr Patriarchen, Ihr alten Säcke in den Machtzirkeln, zieht Euch warm an! Lange hat man Euch gewarnt, jetzt ist es da: Das Foto. Darauf protestieren Juso-Frauen nackt gegen Sexismus und verbrennen Büstenhalter – ganz nach Manier der 70er Jahre Frauenbewegung. Wenn das mal Eure antiquierten Denkweisen nicht komplett auf den Kopf stellt.
"Wir nehmen den Frauenhassern, Chauvinisten und Altherren-Runden damit ihre eigenen Waffen weg, laden sie neu und schiessen zurück!" Juso Schweiz-Präsidentin Tamara Funiciello fand vergangene Woche klare Worte im Blick. Mit der provokativen Nacktaktion wollten die Damen auch auf den Women's March in Zürich aufmerksam machen.
Zum Glück gibts die Jungsozialisten. Egal, ob in der Schweiz oder in Deutschland oder sonst wo, ihre Aktionen besitzen stets Unterhaltungswert. Als Vorbilder nennen die Schweizer Juso-Ladies die "Femen"-Damen, die ja vor einigen Jahren mit ihren entblössten Körpern schlagartig Weltruhm erlangten. Nacktheit als Kampfeinsatz hat sich mittlerweile etabliert: Tierschutz-Aktivisten protestieren nackt gegen die Fellindustrie. Moderatorinnen gegen Instagram. Studenten für mehr Gelder für den öffentlichen Verkehr. Veganer, um auf den Weltvegantag hinzuweisen. In Madrid protestierte eine Frau mit nackter Brust gegen Donald Trump.
Soziales Engagement ist gut. Die Welt braucht Aktivisten, um Umdenken und Veränderungen herbeizuführen. Aber warum muss das nackt sein? Ich halte das für Überdramatiserung. Was genau hat ein nackter Frauenkörper mit Tierrechten zu tun? Was ein nackter Männerkörper mit dem öffentlichen Verkehr? Warum sollten Chauvinisten ihre Vorurteile gegenüber Frauen abbauen, weil sich diese in aller Öffentlichkeit oben ohne zeigen? Ironischerweise sehen die Anti-Sexismus-Expertinnen im Nacktaktivismus keinen Widerspruch: Den weiblichen Körper einsetzen und zum politischen Objekt degradieren, geht offenbar in Ordnung – solange es den eigenen Absichten dient.
Nacktaktivismus als easy Clickbaiting
Ich habe nichts dagegen, wenn Frauen sich nackt ablichten lassen, um etwa als "Freiheitskämpferinnen" Schlagzeilen zu generieren. Das Problem ist, wir sind abgestumpft. Nacktaktivismus gestaltet sich in Zeiten allgegenwärtiger Sexualisierung so wirkungsvoll wie ein Fleischverbot für Vegetarier. Die Bilder dienen höchstens den Medien als easy Clickbaiting: Sie stellen das Foto Online und lassen einfach die Leser darüber streiten.
Dass Nacktaktivismus als Stilmittel ein Trugschluss ist, beweist die (deplatzierte) Häme, die sich über das Juso-Bild ergoss: Die Aufmerksamkeit transferiert sich nicht auf die gewünschte Thematik, sondern rein auf die Körper der Protagonistinnen. Die Juso-Präsidentin sagt: "Es sind unsere Körper, ohne Filter, ohne Photoshop! Sie sind schön und genauso möchten wir uns zeigen." Alles, was damit ausgedrückt wird, ist aber doch das Verlangen, von anderen als schön empfunden zu werden. Warum ist es so wichtig, was Leute denken? Menschen dazu zu bewegen, dass sie einen mögen, ist der falsche Ansatz im Kampf für Gleichberechtigung.
Das so verhasste Patriarchat, das uns Frauen ja angeblich nicht ernst nimmt und aufs Körperliche reduziert, wird seine Haltung angesichts demonstrativer Hüllenlosigkeit nicht schlagartig ändern. Aber während die einen permanent den Sexismus bejammern, stellen sich die anderen auf die Hinterbeine, mucken auf gegen Ungerechtigkeiten, nehmen Kurse in Verhandlungstaktik, gehen Risiken ein, finden neue kreative Wege zur Jobverwirklichung, übernehmen die Verantwortung über ihr Leben. Für all das braucht es eines garantiert nicht: Nackte Brüste.
Tamara Wernlis Kolumne gibt es auch als Videobotschaft, man kann sie auf ihrem youtube Kanal auch abonnieren.
Tamara Wernli arbeitet als freischaffende News-Moderatorin und Kolumnistin bei der Basler Zeitung. Dort erschien dieser Beitrag auch zuerst. In ihrer Rubrik „Tamaras Welt“ schreibt sie wöchentlich über Gender- und Gesellschaftsthemen.