Die Islamismusexpertin Sigrid Herrmann-Marschall schrieb vor zwei Jahren bei den Ruhrbaronen über die sozialdemokratische Praxis in Bezug auf den politischen Islam, dass „Muslimbrüdern und anderen Islamisten Orden verliehen, ihren Strukturen Preise für Integration zuerkannt“ würden und sich sogar „SPD-Oberbürgermeister vor Muslimbruderorganisationen“ stellten. Ein wesentlicher Grund hierfür nach Herrmann-Marschall ist, dass die SPD „Vielfalt wollte“ und dabei „Kollektive […] und auch Individuen […] als ‚bunt‘ gelabelt [habe], auch wenn sie in ihren tatsächlichen Haltungen und Handlungen autoritäre und fundamentalistische Züge tragen.“
Eine besonders schillernde Persönlichkeit im Islamismus-Komplex der deutschen Sozialdemokratie ist der Wuppertaler SPD-Politiker Helge Lindh, der bei der Bundestagswahl erneut seinen Wahlkreis „Wuppertal I“ gewonnen hat. Die SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ schrieb Lindh erst unlängst anerkennend zu, „die meisten Reden aller SPD-Bundestagsabgeordneten in den vergangenen vier Jahren gehalten“ zu haben und mit diesen „für die Demokratie [zu] streite[n]“.
Hierbei trat Lindh regelmäßig mit pointierten Reden gegen die „Alternative für Deutschland“ in Erscheinung. Aufgrund seines politischen Engagements „insbesondere für Muslima und Muslime“ sei er Zielscheibe von Rechtsextremen, so Lindh gegenüber der Wuppertaler Rundschau im Oktober 2020.
Abseits des parlamentarischen Betriebs indes hat Lindh wenig Berührungsängste, mit türkischen Rechtsextremen und Islamisten jedweder Couleur aufzutreten. Der Islamwissenschaftler Ahmad A. Omeirate, der viele dieser Verbindungen Lindhs ins islamistische Milieu dokumentierte und öffentlich machte, wurde in einem Kommentar im Februar 2021 dann auch recht deutlich.
Verbindungen zu Islamisten und Rechtsextremen
Omeirate warf Lindh vor, sich „für die Interessen von islamischen Verbände wie DITIB, ATIB oder ZMD“ einzusetzen, die schließlich eine dezidierte „Nähe zu islamistischen und rechtsextremen Ideologien haben“ würden.
Und diese von Omeirate angeführten Verbände haben es in sich. Deutschlands größter Muslimverband DITIB wird von Kritikern als verlängerter Arm des türkischen Staates und heute insbesondere dessen Präsidenten Erdoğan gesehen.
Die ATIB hingegen ist ein nationalistisch-islamistischer Kulturverein, der laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion vom Mai 2016 „eine hundertprozentige Abspaltung der Föderation der türkischen Idealistenvereine in Deutschland – ADÜTDF“ sei; ADÜTDF ist gemäß dem Bundesamt für Verfassungsschutz der größte Dachverband der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ in Deutschland.
Eines der Gründungsmitglieder des „Zentralrats des Muslime in Deutschland“ (kurz ZMD) war dann pikanterweise die ATIB selbst, womit der ZMD so mittelbar auch eine Nähe zu den „Grauen Wölfen“ aufweist.
Helge Lindh im Gespräch mit Erdoğans Propagandasender
Und tatsächlich: Lindhs Verbindungen zu Organisationen und Einzelpersonen mit einer „Nähe zu islamistischen und rechtsextremen Ideologien“ sind vielfältig. So war Lindh beispielsweise im April 2020 zu Gast in einer ATIB-Gemeinde in Wuppertal, wie es ein Video der Wuppertaler Moschee selbst zeigt.
Im Juni 2020 diskutierte Lindh mit einem Imam einer Moschee der islamistischen Bewegung „Millî Görüş“(vergleiche hier), die das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen – dem Bundesland, in dem Lindhs Wuppertaler Wahlkreis liegt – selbst als dem Islamismus zugehörig, antisemitisch und verfassungsfeindlich kategorisiert.
Die muslimische Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş wies im Februar 2021 darauf hin, dass Lindh einem „Magazin der vom Verfassungsschutz beobachteten Milli[ ]Görüs-Bewegung ein ausführliches Interview“ gegeben habe. Im selben Monat stand Lindh darüber hinaus Erdoğans Haus- und Propagandasender „TRT Deutsch“ in einem ausführlichen Gespräch Rede und Antwort.
Und erst im Juli dieses Jahres diskutierte Lindh mit dem österreichischen Politikwissenschaftler Farid Hafez, der brisanterweise auf Beschluss des EU-Parlaments seit Ende April 2021 keine EU-Mittel mehr bekommen soll, da er „eng mit der Muslimbruderschaft und der türkischen Regierung verbunden ist“.
Verteidigung einer Islamistin
Als der Leiter der Kultur- und Kommunikationsabteilung im Auswärtigen Amt, Andreas Görgen, die Islamistin und heutige Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nurhan Soykan, im Sommer 2020 zu einer Beraterin für ein Fachreferat berufen wollte, stellte sich Lindh, nach Bericht des Berliner Tagesspiegel, hinter diese Entscheidung und erwiderte Kritikern: „Wer Nurhan Soykan so scharf angreift, greift auch ihren Verband und die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit islamischen Verbänden grundlegend an.“
Was Lindh seinerzeit verschwieg: Die Islamistin Soykan verteidigte den vom iranischen Regime unterstützten antisemitischen Al-Quds-Tag, bei dem bekanntlich lautstark die Auslöschung Israels gefordert wird. Rabbi Abraham Cooper, der stellvertretende Direktor des Simon Wiesenthal Centers, kritisierte diese Entscheidung gegenüber der Jerusalem Post, da Soykan in dieser staatlichen Funktion „mehr antisemitische Al-Quds-Märsche fördern und den Hass auf den jüdischen Staat rechtfertigen“ könne, so Rabbi Cooper.
Bedenklich an diesem von Lindh gepflegten sozialdemokratischen Islamismus-Komplex ist so schlussendlich, dass die hier dokumentierten Verbindungen zu islamistischen Vorfeldorganisationen von Erdoğan, Millî Görüş oder der Mullahs beziehungsweise zu türkischen Rechtsextremen wie der ATIB sich im Umfeld der staatstragenden Partei Deutschlands zeigen, die bald sogar den Bundeskanzler stellen könnte.
„Wer mit Faschisten paktiert, darf in diesem Land keine Verantwortung tragen“, verkündete die SPD im Februar 2020 anlässlich der von der Thüringer Höcke-AfD unterstützenden Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten noch lautstark. Welche Wertigkeit dieser Aussage zukommt beziehungsweise welche Wahrhaftigkeit ihr innewohnt, wenn man sich die hier skizzierten islamistischen wie auch rechtsextremen Kontakte des SPD-Genossen Helge Lindh vergegenwärtigt, mögen die Leser selbst entscheiden.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Analyse „Was ein sozialdemokratischer Bundeskanzler für den politischen Islam bedeuten würde“, die zuerst bei Audiatur-Online erschien.