Eigentlich sollte es doch klar sein, daß Lenin ein schlechter Kronzeuge für eine demokratische Protestkultur ist, denn mit seinem Bahnsteigkartenvergleich hat er doch seiner Enttäuschung über das Scheitern einer bolschewistischen Revolution 1918/19 in Deutschland Ausdruck verliehen. Sollten wir uns denn wünschen, daß sie nicht gescheitert wär?
Ich kann nur immer wiederholen: Die Hoffnungslosigkeit eines deutschen Aufstands ist am anschaulichsten im Straßenverkehr zu erkennen. Dort wird sich um die Wette an alle Regeln gehalten, ob es ums Parken oder um die Geschwindigkeitsbegrenzung oder sonstige Regeln geht. Der Deutsche versteht offenbar nicht, dass die Regeln nicht von Gott, sondern von anderen Menschen gemacht wurden, die einen bestimmten Zweck damit verfolgen, der nicht per se gut sein muss. Und dass der, der Regeln überschreitet, die von anderen Menschen gemacht wurden, ohne damit andere zu schädigen, nicht in jedem Fall ein Verbrecher und Störenfried, Nestbeschmutzer, Raudi und Paria ist, den man dringend umerziehen muss. Insofern kann sich der deutsche Staat der Obrigkeitshörigkeit seiner Bürger immer völlig sicher sein. Als Ausgleich haben sie ja dann das gute Gewissen, alles “richtig”, nämlich so wie von ihnen verlangt, gemacht zu haben. Freiheit und Selbstbestimmung braucht der Deutsche nicht. Aufstand?! „Das ist verboten!“ Na, dann ...
Es ist ganz einfach so, dass man heute jederzeit seinem Zweitklassler-Kind den Auftrag geben kann auf ein Ringbuchblatt zu kritzeln: “Söder ist blöd” und dieses in der Öffentlichkeit hochzuhalten. Oder Sugar-Mommas mit ihrem Anhang im Enkelalter eine Regenbogenfahne im Haar tragen, um damit für ein “Bunt” zu werben. Tatsächlich alles erlebt in der Münchener U-Bahn. Niemand nimmt Anstoß daran, oder besser gesagt, keiner muss irgendetwas befürchten. Dagegen hat man Probleme in der Fußgängerzone, wenn Pegida oder die AFD einen Informationsstand aufstellen. Da ist der Polizeikorso derart zahlreich, dass man spontan einen Terroranschlag vermutet. Auf Nachfrage wird einem dann erzählt, dass man diese vor “Gegendemonstranten” schützen müsse, die aber nirgends zu sehen sind. Grund genug mich schon deshalb durchzuzwängen. Aber es bleibt doch ein beklemmendes Gefühl, auf einer größeren Fläche von einem großen Polizeiaufgebot optisch eingekesselt zu sein. Wohl auch von der Stadt so beabsichtigt und ich kann diejenigen verstehen, die sich dem nicht aussetzen wollen, zumal ja auch persönliche Nachteile daraus erwachsen können. Andererseits bewundere ich die Menschen, die all das trotzdem ständig erdulden. Meist sind es ja wirklich Robuste aus dem bayerischen Umland (Kerndlgfurderd/Körnergefüttert) oder gleich aus dem Osten Deutschlands, die sich sowieso keine Angst einjagen lassen. Respekt, Burschen ...!
Es wird nicht “am Volk vorbei” regiert, sondern aktiv GEGEN das Volk regiert.
Sehr geehrter Herr Broder, gestatten Sie mir in Ergänzung meines Tweets noch aus einem Beitrag von dem von mir sehr geschätzten Herrn Posener, der heute in der Welt erschien zu zitieren, schon deshalb, weil auch Herr Posener sich auf Lenins Spruch von der Bahnsteinkarte kaprizierte, wenn auch marginal. „Während sich Großbritannien von der Vernunft verabschiedet und das Chaos wählt, bedrohen in Frankreich die Gelbwesten die Ordnung. Hierzulande herrscht dagegen Ruhe und Frieden. Grund ist die Staatsgläubigkeit der Deutschen. Lenin spottete, deutsche Revolutionäre würden sich, bevor sie einen Bahnhof besetzten, eine Bahnsteigkarte kaufen. Der Spruch, einst bei den 68ern beliebt, zirkuliert heute unter Rechtspopulisten. Selbst bürgerliche Deutsche zitieren ihn. Dabei sind Ordnungsliebe und Gesetzestreue gute Eigenschaften und Ergebnis eines Staatsvertrauens, das auch in der Hochzeit der Deregulierung in den Nullerjahren zum Leidwesen der Marktliberalen kaum erschüttert und durch den Krach von 2007 nur bestätigt wurde. Die kurze Antwort geben die Rechtspopulisten, wenn auch sarkastisch. Danke, Merkel.“ Fühlen Sie sich als Rechtspopulist, sehr geehrter Herr Broder? Also olle Icke würde da ein verschmitztes cum grano salis zwitschern:-)
“, dass Revolutionäre in Deutschland nicht einmal einen Bahnhof besetzen könnten, weil sie ja erst eine Bahnsteigkarte lösen müssten.” Welche Revolutionäre ?? Übrigens, Bahnsteigkarten bei uns in München gibt es noch ! Es gibt viele “Ossis” allen voran die Sachsen, die auch von vielen “Wessis” Zustimmung bekommen, mehr auch nicht. Es ist ja auch gemütlicher andere zu loben, als selber mit auf die Straße zu gehen. Gelbe Westen in Frankreich werden bewundert aber ob sie auch in Deutschland “aufstehen” werden ist fraglich. Die Franzosen haben eben noch Mumm. Von den Franzosen lernen heißt “SIEGEN” lernen ??
Mir scheint, der typische Deutsche ist solange passiv, bis ihn der Wahnsinn streift. Ob er dann noch in der Lage ist, dies selbst wahrzunehmen? Hmm, auch hier melde ich Zweifel an.
Die deutsche Brot-und-Spiele Gesellschaft funktioniert noch besser als die französische. Das erklärt schon etwas. Und die grüne Ökoreligion macht die Menschen sanft wie sonst vielleicht nur der Buddismus.
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