Broder und die Zukunft der SPD

Von Hans-Hermann Tiedje.

Henryk Broder, der würdige Deszendent des großen Kurt Tucholsky, hat nichts gegen Auszeichnungen: Börne, Schubart-Literatur, Goldener Prometheus, Hildegard-von-Bingen, Bayerischer Fernsehpreis. Broders Schränke sind voll von Ehrungen. Grund: Mit messerscharfer Intelligenz und unverblümter Sprache wurde er zum Signet für unkonventionelles Denken.

Dazu folgende Richtigstellung:

Eine bestimmte Ehrung wollte Broder nicht mehr über sich ergehen lassen. Den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Literatur und Politik – den hat er dieser Tage abgelehnt. Der Preis wird alle drei Jahre verliehen im niedersächsischen Nordseebad Otterndorf an der Elbe. Preisträger bisher: Peter Rühmkorf, Richard von Weizsäcker, Sarah Kirsch, Hans-Dietrich Genscher und Wolfgang Schäuble. Nicht schlecht. Bei Broder nun regte sich Protest, vor allem bei der Orts-SPD. Der Humanist Broder soll sich „menschenverachtend“ über Flüchtlinge geäußert haben, ätzten sie schäbig gegen ihn.

Genau das hat Broder nie getan. Allerdings betrachtet er die von Frau Merkel zu verantwortende Migrationsschwemme argwöhnisch. Broder kritisiert „nicht die Flüchtlinge, sondern die Flüchtlingspolitik“. Darin unterscheidet er sich übrigens weder von der Mehrheit der Deutschen noch von der Mehrheit der restlichen SPD-Wähler, aber schon von der Mehrheit der SPD-Funktionäre.

Und weil diese SPD-Linken ständig so dumm daherschwadronieren wie in Otterndorf, kommt die SPD auch nicht mehr auf die Füße. Bei 25, bei 23, bei 21, bei 19 Prozent dachten viele: Tiefer geht‘s nimmer. Doch, es geht. Aktuell liegt die Partei bei 17 Prozent. 15 Prozent sind zum Greifen nah.

Weil es für die SPD keine Obergrenze gibt, gibt es für die SPD auch keine Untergrenze. 

Zuerst erschienen im Euro am Sonntag

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Uta Buhr / 01.06.2018

Danke, Herr Tiedje, in wenigen Sätzen haben Sie kurz und knackig alles gesagt, was zu diesem Thema zu sagen ist. Hendryk M. Broder ist ein Geschenk des Himmels für all jene, die die ÖRs und alle linientreuen Presseorgane inzwischen meiden wie der Teufel das Weihwasser. Was die Sozis anbelangt, stimme ich voll mit Ihnen überein. Nur dass ich noch einen Schritt weitergehe und die SPD in naher Zukunft eher bei 7%  verorte. Sind Ihre 15% eher dem Mitleid geschuldet, das Sie mit dieser einst großen Volkspartei unter einem politischen Titanen wie Helmuth Schmidt empfinden? Aus Ihrer kritischen Feder wünsche ich mir noch viele Beiträge auf der ACHSE.

Gertraude Wenz / 01.06.2018

Zu Zeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt habe ich auch die SPD gewählt. Die beiden würden sich jetzt im Grabe umdrehen. Wie eine Partei sich selbst solch einen Niedergang bereiten kann, indem sie die wahren Probleme ihrer Klientel nicht sehen will, ist beispiellos. Doch, es gibt eine Parallele: Unser Deutschland, das sich ohne Not und freiwillig in denselben Untergang begibt.

Andreas Rühl / 01.06.2018

Eine Anmerkung dazu: Ich höre im Radio einen Bericht über die SPD und dabei vor allem über Herrn Scholz. Die Basis - aber auch einige in der BT-Fraktion - knurren und murren, hieß es. Scholz gefalle ihnen nicht. Schreibt eine schwarze Null in den Haushalt, also gibt nur soviel Geld aus wie reinkommt! Wo kommen wir denn hin?! Das Hauptargument gegen diesen hanseatischen Sprödkopf ist aber, dass er einfach nicht begeistern kann, nicht mitreisst, dass er keine Emotionen weckt, die der deutsche Sozialdemokrat offensichtlich braucht; Gefühle, in denen er sich verlieren kann. Der Sozi euphorisiert und begeistert sich an seiner Euphorie und Begeisterung, kurzum er will nicht diskutieren, sondern jubeln, vor Freude weinen, er will euphorisch mitgerissen werden in dem Glauben, seine Vision einer besseren Welt werde wahr. Es wird immer deutlicher an der Stelle, das der Abstieg der SPD genau in dem Moment begonnen hat, als die “Basis” Schmidt abgeschossen hat. Seitdem erleben wir keine Politiker mehr, sondern Laiendarsteller, die allesamt psychiatrisiert werden müssten, zumindest sah dies wohl Schmidt so. Die SPD signalisiert: Wer uns wählt, setzt auf Emotionen, nicht auf Vernunft, setzt auf ein gutes Gefühl, nicht auf gute praktische Lösungen, wir sind eine Partei, die nicht mit dem Kopf gewählt werden will, sondern mit dem Bauch. Ich frage mich, wann die SPD an der 5%-Hürde scheitern wird im Bund. 1 - 2 Wahlen noch. Und selbst dann werden diese Verrückten nicht auf die Idee kommen, dass genau dieses Geschrei, diese Geheule, Gekreische, diese emotionale Aufgeladenheit der Grund ist, warum sie keiner mehr wählen oder gar regieren sehen will.

M. Haumann / 01.06.2018

“Wenn mich ein Esel getreten hätte, würde ich den verklagen?” soll Sokrates seinen Kumpels erklärt haben, warum er sich nicht auf eine Auseinandersetzung mit geistig weniger Gesegneten einliess, die ihn beleidigt hatten. Ich vermute, Herrn Broder ist manches schlichtweg zu blöd, um damit seine Zeit zu verplempern. Der Esel SPD ist so moribund, auf den sollte man schon aus Fairnessgründen keinen Mann mit Herrn Broders messerscharfer Präzisionszunge mehr loslassen. In unserer Kultur lässt man die zu Boden Gegangenen ja in Ruhe, auch wenn sie noch einmal paar Mal auskeilen.

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