Drei Jahre lang hat die Briten der Brexit beschäftigt. Und jetzt? Jetzt spricht und schreibt alles über den Megxit. Spinnen sie vielleicht doch, die Briten? Oder sind es nur die britischen Medien? Sie sind jedenfalls mit verantwortlich dafür, dass sich Meghan Windsor, geborene Markle, und Harry Windsor aus dem Königshaus in Richtung Kanada absetzen.
Nun gut, Prinz und Herzogin bleiben sie ja noch, jedenfalls vorerst, obwohl einige beleidigte Journalisten, ihres Freiwilds beraubt, jetzt fordern, dass man den beiden auch ihre Titel nehmen soll. Andere machen sich Sorgen, der Megxit könne der Anfang vom Ende des britischen Königtums sein. Droht etwa auch noch ein Quexit?
Nun gut, die Queen ist mit ihren 94 Jahren nicht mehr die Jüngste. Aber sie hat die steifste Oberlippe der auf ihre steifen Oberlippen stolzen britischen Oberschicht. Und da ist ja noch ihr Sohn Charles. Der ist mit seinen 71 Jahren zwar auch kein Küken mehr. Und wirklich beliebt beim Volk ist er auch nicht, weil er statt der süßen Diana die weniger süße Camilla liebte und liebt. Er ist aber durchaus in der Lage, dem Königshaus einen neuen Sinn zu geben. Charles ist ein echter Herzens-Grüner, eine Rarität auf der Insel. Er war schon grün, als Greta Thunberg noch gar nicht geplant war. Er könnte die Monarchie zur Vorreiterin einer Greta-fähigen Zukunft machen.
Ob seine eher frivolen, jeder Weltrettungs-Schwärmerei abholden Landsleute dabei mitspielen, ist eine andere Frage. Meghan und Harry haben sich jedenfalls anders entschieden. Wie es scheint, wollen sie im kalten Kanada ruhig die Erderwärmung abwarten.
Brexit? War da noch was?
Jedenfalls hat der Megxit den Brexit medial völlig in den Schatten gestellt. Ein weiterer Beleg dafür, dass man in England die Leichtigkeit des Seins zu schätzen weiß. Brexit? War da noch was? Wo ist der überhaupt geblieben? Er ist dort, wo Boris Johnson ihn haben wollte, als er immer wieder predigte: Let's get Brexit done. Jetzt ist der Brexit da, in halbtrockenen Tüchern, und die Engländer können sich wieder darum kümmern, wie sie ihren Laden in Ordnung halten.
Da gibt es, wie bei uns auch, viel tu tun. Aber die Briten haben, anders als wir, erst einmal wieder freie Hand. Brüssel kann vorerst nur murrend zuschauen, was Boris Johnson alles tun wird, ohne bei der Kommission um Erlaubnis zu bitten.
Ganz sicher wird er versuchen, den englischen Norden, den er der Labour-Partei abspenstig gemacht hat, auf Dauer für seine Konservativen zu gewinnen. Das heißt, er muss seine Konservativen in eine Partei verwandeln, die nicht nur für die Oberschicht und die ewigen Spießer etwas tut, sondern auch für die weniger Betuchten und die weniger Feinen. Und zwar etwas Konkretes, das sich angenehm vom Marxismus der ideologisch festgefahrenen Corbyn-Partei abhebt.
Aber was? Jede Menge Busse zum Beispiel, die die abgehängten Orte des Nordens mit den prosperierenden Großstädten verbindet. Johnson hat sich schon in London als Bus-Bürgermeister gute Noten und viele Stimmen geholt. Für die marode Bahn wird er sich wohl auch etwas einfallen lassen. Mobilität als ein Stück Sozialpolitik, wofür ihm die bisher vergessenen Nordlichter Englands bei der nächsten Wahl mit ihrer Stimme danken sollen..
Johnson ist ein Pragmatiker der Macht
Johnson ist eben kein Ideologe, auch kein konservativer, sondern ein Pragmatiker der Macht. Er ist zwar von Hause aus durch und durch ein Herr der Oberschicht, aber einer, der diesen Quatsch problemlos hinter sich lassen kann. Er kann rechts und links. Und diese Fähigkeit ist genau das, was im Brexit-Britannien gebraucht wird.
Wer nach dem Brexit den Untergang Britanniens erhofft, dürfte sich genauso täuschen wie jetzt die Propheten, die im Megxit von Meghan und Harry den Untergang des englischen Königshauses herannahen sehen. Und selbst wenn: In England nimmt man Untergänge jeglicher Art nicht so tragisch. Immerhin haben die Briten den Untergang des größten Weltreichs der Geschichte ganz gut verkraftet und im Commonwealth sogar noch eine Fiktion der einstigen Größe erhalten. Und wer spielt in dieser Fiktion die Hauptrolle? Die Königin natürlich. Auch Kanada, der Fluchtort der Königsenkel Meghan und Harry, ist Teil des Commonwealth-Märchens und seiner alten Märchenkönigin.
Hauptsache der Brexit ist Realität. Oder vielleicht doch nicht? Nach langen Verhandlungen über Englands künftige Beziehung zur EU könnte sich der Brexit am Ende doch noch als eine Fiktion erweisen. Oder als nur noch halbe Realität. Und dann? Wenn ein Volk auch damit fertig würde, dann sind es die Briten. Und wenn ein Politiker damit klar käme, dann der Ex-Journalist Boris Johnson, der weiß, dass die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion fließend sein können.