Thilo Schneider / 16.01.2019 / 15:00 / Foto: U.S.NARA / 76 / Seite ausdrucken

Brennende Integration

Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, in Deutschland – dem Land der „Dichter und Denker“ zu leben. Fortschritt und Innovation sind ein Markenkern unserer Wirtschaft. Welch bedeutende Geister hat dieses Land hervorgebracht. Kant, Leibniz, Röntgen, Hahn, von Braun, um nur einige wenige zu nennen. In diese Riege reiht sich jetzt auch Jun.-Prof. Dr. Ilona Horwath von der Uni Paderborn ein. 

Was ist´s, was Frau Prof. Dr. Horwath in den Kreis der bahnbrechenden Wissenschaftler und Forscher aufrücken lässt? Hat sie ein Mittel gegen Krebs gefunden? Das Universum neu erklärt? Die Antimaterie entdeckt oder den Warp-Antrieb entwickelt, das Beamen erfunden oder die Antigravitation? Nein, viel wichtiger! Frau Prof. Dr. Horwath hat sich mit den deutschen Feuerwehren beschäftigt. Nein, sie hat kein Mittel gegen die CO2-Emmissionen von Löschmitteln wie Kohlenstoffdioxid (zur Bekämpfung von Bränden der Brandklassen B und C) gefunden. Vielmehr lässt sich Frau Prof. Dr. Horwaths Entdeckung durchaus in eine Reihe mit der Erfindung des Bauchnabelpinsels oder der Entwicklung des Brillenputztuches setzen: 

Frau Prof. Dr. Horwarth hat herausgefunden, dass bei Feuerwehren „weiße, heterosexuelle Männer aus der Arbeiterschicht die Mehrheit darstellen und das Bild des typischen Feuerwehrmannes prägen“. Ich war genauso überrascht wie Sie, liebe Leser und musste mich erst einmal hinsetzen. Das hätte ich jetzt auch nicht gedacht. Aber ich denke ja sowieso nicht viel, wenn der Tag lang ist, dafür gibt es die Frau Prof. Dr. Horwaths dieser Republik.

Löschen oder Integrieren?

Aber es kommt noch schlimmer: „Die Aufrechterhaltung dieses Ideals beeinflusst die Chancen auf soziale und kulturelle Integration.“ Im Klartext: „People of Color“, die Noch-nicht-so-lange-hier-Seienden, haben, ebenso wie Frauen, wenig Chancen, Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau oder Feuerwehrsonstige zu werden, denn sie sind nicht nur „unterrepräsentiert, sondern häufig auch unerwünscht“. Frau Prof. Dr. Horwath hat sogar in regelrecht kräftezehrenden Stunden herausgefunden, warum das so ist: „Änderungen von lange praktizierten Routinen oder Arbeitsabläufen werden dann als kritisch angesehen, wenn zugrunde liegende Orientierungen und Werte infragegestellt werden. Der Spagat zwischen etablierten Verfahren, die gerade in Gefahrensituationen wichtig sind, und neuen Methoden sowie einer situationsspezifischen Ausgestaltung der Routinen ist schwierig.“ Auf Deutsch: Der Einsatzleiter hat im Ernstfall relativ wenig Zeit, einem Brandneu-Hinzugekommenen den Unterschied zwischen einem B- und einem C-Rohr zu erklären und warum er das Rohr lieber in das Feuer als sich vor das Gesicht hält. 

Das ist natürlich nicht so richtig integrativ, und deswegen hat Frau Prof. Dr. Horwath das Projekt „FORTESY“ mit Hilfe von Steuermitteln aus dem Topf des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, kurz BMBF, ins Leben gerufen, denn hier werden „mittels Technik-, Diversity-, Organisations- und Resilienzforschung sowie mithilfe der Ingenieurswissenschaften diejenigen Faktoren herausgearbeitet, die effektive Kooperationen in heterogenen Teams fördern oder behindern.“ Und nicht nur das! Außerdem „soll auch aufgedeckt werden, unter welchen Bedingungen sich die Organisationen gegenüber gemischten Einsatztruppen öffnen und welche Rolle Technik bei der Integration spielt“.

Gut, ich gebe es zu: Ich habe kein Abitur und ich dachte, der Job der Feuerwehr sei es, anzurücken und meine Bude zu löschen, wenn beispielsweise „das experimentelle Zubereiten einer interkulturellen Speise unter Zuhilfenahme physikalischer Lichterscheinungen aufgrund chemischer Reaktionen auf Basis von hochprozentigem Alkohol“ (auf Koch-Deutsch: Flambieren) etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Oder um meine dämliche Katze vom Baum zu holen. Mehr habe ich bisher von der Feuerwehr nicht erwartet. Und ob da dann ein heterosexueller Mann mittleren Alters mit weißer Hautfarbe, eine einbeinige schwarze Lesbe mit einer Pollenallergie oder ein multisexueller Beuteafghane mit einem Hang zu jüdischer Klezmer-Musik das C-Rohr hält, war mir bisher völlig egal. Ich würde nur gerne meinen Kram gelöscht haben wollen. 

Multikulturelle Diskussionen am Brandort

Und ob dabei „interkulturelle (...) Kompetenzen gewinnbringend eingesetzt werden könnten, insbesondere vor dem Hintergrund unserer multikulturellen Gesellschaft“, spielte für mich bedauerlicherweise keine Rolle. Zumindest, so lange der Feuerwehrmann nicht sagte: „In Afrika lassen wir das einfach herunterbrennen und bauen es dann zusammen mit den Nachbarn neu auf. Du kannst so lange bei mir wohnen.“ Ich wusste aber bisher auch nicht, dass „Diversitätsförderung mit einem hohen Innovationspotenzial einhergeht, das sich in einer sichereren und effektiveren Einsatztechnologie manifestiert.“ Zum Glück will Frau Prof. Dr. Horwath „mit FORTSY genau das herausarbeiten und zur allgemeinen Umsetzung beitragen.“ 

Freuen wir uns also demnächst auf wertschätzende und respektvolle multikulturelle Diskussionen auf Augenhöhe am Brandort, ob nun auf deutsche, kongolesische, syrische, afghanische, marokkanische oder algerische Art gelöscht werden soll und ob es in Ordnung ist, die strenggläubige Muslima aus dem dritten Stock ohne Begleitung eines männlichen Verwandten aus den Flammen zu retten. Oder ob hier eine kultursensible Güterabwägung stattfinden muss. 

Und da haben wir noch lange nicht darüber geredet, wie Transsexuelle, Angehörige des Dritten Geschlechts, Hermaphroditen, Oberschichtintellektuell*innen und Vegetarier*innen technisch und kulturell in die bisher so dumpfen und drögen „aus weißen heterosexuellen Männern der Arbeiterschicht“ bestehenden Feuerwehren integriert werden können. Feuerwehrschläuche in Rosa und Helme mit schmucken Federboas könnten hier ein guter Anfang sein. Oder Frau Prof. Dr. Horwath fackelt nicht lange und sich selbst einfach mal die Bude ab und verlangt, dass bei der Löschmannschaft aus möglichst jeder Minderheit Feuerwehrmenschen vor Ort sind. Alternativ wäre es nett, wenn die Feuerwehr, wie bisher, einfach löscht und hilft. Zumindest mir als altem, weißem, heterosexuellem Mann würde das vollkommen genügen. Aber ich bin ja auch nicht Frau Prof. Dr. Horwath. Ich bezahle die über meine Steuergelder nur. 

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Leserpost

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Arne Busch / 16.01.2019

Und da schuf Gott, in seinem Zorn, die Universität von Paderborn.. Das fürchterliche Virus aus Berlin breitet sich viel schneller aus als erwartet

Eleonore Weider / 16.01.2019

Und wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, tritt eine Frau Prof. Dr. Horwath in das Zimmer (Öffentlichkeit), übrigens mußte ich still grinsen bei: “Feuerwehrschläuche in Rosa und Helme mit schmucken Federboas könnten hier ein guter Anfang sein. Oder Frau Prof. Dr. Horwath fackelt nicht lange und sich selbst einfach mal die Bude ab und verlangt, dass bei der Löschmannschaft aus möglichst jeder Minderheit Feuerwehrmenschen vor Ort sind”. Ein sehr gute Ausgangsposition in Orten, sagen wir salopp mal unter 20.000 Einwohnern, um diese rosa Helme und Federboas zusammen trommeln zu können, wäre eher der Ort abgebrannt. Na, ja, was tut man nicht alles zu GUT Werden.

Lothar Kempf / 16.01.2019

Da fällt mir nur die Klapsmühle ein, suchte man eine echte Herausforderung für die Lehrstuhl-Inhaberin.

Oliver Lang / 16.01.2019

Energischer Einspruch: Die Entwicklung des Brillenputztuches ist eine äußerst nützliche.

Steffen Neuwirth / 16.01.2019

Lieber Herr Schneider in letzter Zeit habe ich den einen oder anderen Ihrer Beiträge mit einem gewissen Unverständnis aufgenommen. Der heutige hat mich allerdings vollkommenen überzeugt, daß Sie inzwischen auf einen guten Weg zurückgekehrt sind. Auf den Weg der Realität. Herzlichen Dank dafür. Steffen Neuwirth

Uta Buhr / 16.01.2019

Vollkommen irre, lieber Herr Schneider, wie leider so vieles in diesem Hippiestaat. Danke für den dennoch sehr amüsanten Text. Leider muss ich Sie aber auf einen gravierenden Fehler in der Aufzählung aller betroffenen Gruppen hinweisen: Sie haben die wichtige Spezies der Veganer/innen vergessen. Holen Sie das tunlichst nach, bevor Sie von manchen Vertretern dieser Gruppe wegen Diskriminierung vor den Kadi zitiert werdcen.

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