Gestern haben Sie hier bei Achgut.com darüber gelesen, dass in Deutschlands kleinstem Bundesland die Uhren im Kampf gegen Antisemitismus etwas anders ticken. Judenfeindlichkeit ist es in Bremen nämlich nur dann, wenn es die örtliche Szene zu einer solchen erklärt. Während man am einen Tag ob eines mit Judenstern bekleideten Corona-Querdenkers in Kümmernis verfällt, steht man am andern Tag mit dezidierten Antizionisten und Israel-Boykotteuren auf einer Bühne. Die lokale Antifa interessiert sich indes nur für den Corona-Irrsinn, zum israelbezogenen Antisemitismus schweigt man sich beredt aus.
Mittlerweile scheint dieser Corona-Wahnsinn von Bremens Berufsantifaschisten jedoch selbst Besitz ergriffen zu haben. Wo sonst nur der Arzt kommt, ist die Antifa in Bremen nämlich schon einen Schritt weiter: So stattete eine Antifa-Gruppe am 21. April 2021 erstmalig einem Querdenker einen Hausbesuch ab, um ihn per Schocktherapie von seinem Corona-Irrweg zu kurieren. Weitere Hausbesuche bei Bremer Querdenkern stehen bereits im Antifa-Terminkalender.
Die Dramaturgie ist dabei sehr bremenspezifisch. Gingen doch die lokalen Antifaschisten der NIKA-Kampagne (NIKA steht für „Nationalismus ist keine Alternative“) zum Wohnhaus eines mutmaßlichen Organisators der Querdenker-Demonstrationen in Bremen und protestierten davor. Dabei waren sie maskiert und mit einer ärztlichen Schutzmontur bekleidet. Selbst schildert es die NIKA-Kampagne freimütig so auf einer linksradikalen Plattform:
„Wir wollen die antisemitische Verschwörungspropaganda und die rechten Erzählungen zur Pandemie in Bremen nicht hinnehmen und haben damit begonnen, die Querdenken-Aktiven an ihren Wohnanschriften aufzusuchen. Als erstes war J[...] H[...] dran, welcher sich aktiv in Struktur und Ablauf der vergangenen Querdenken-Veranstaltungen eingebracht hat. Mit Megaphon, Farbe, Parolen und Pyrotechnik haben wir ihn in der Bremer Neustadt besucht. Er war daheim, sodass wir ihm persönlich mitteilen konnten: H[...], halt dein rechtes Maul!“
„Kampf gegen Faschismus“ gegen die Querdenker
Wenn man den öffentlichen Pranger mit Ideologiekritik, die physische Bedrohung mit politischer Auseinandersetzung und die Ignoranz gegenüber linken Antizionismus mit dem „Kampf gegen Antisemitismus“ verwechselt, ist man in Bremens antifaschistischer Szene angekommen.
Dass obendrein Bremens linker Politkomplex, der sonst bei jeder Gelegenheit Hass und Menschenverachtung ausmacht, hier mal teilnahmslos, mal klatschend am Straßenrand steht, prädestiniert das Tollhaus des lokalen Linkskartells im „Kampf gegen Faschismus“ zu dem dezidiert gewaltaffinen Racket, bei dem früher wohl nur Josef Stalin feuchte Augen bekommen hätte. Gut, trifft es doch die Corona-Querdenker. Und die haben es ja schließlich auch nicht anders verdient.
Ob sich nun allerdings derjenige als „Faschist“ auszeichnet, der sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnimmt und die Corona-Maßnahmen-Politik als Privatmensch im Rahmen einer Demonstration sinnhaft oder unsinnig kritisiert, oder derjenige als „Faschist“ reüssiert, der mit „Megaphon, Farbe, Parolen und Pyrotechnik“ als „antifaschistischer“ Mob Hausbesuche macht, scheint Bremens Antifa sich selbst schon längst beantwortet zu haben: „In den kommenden Wochen werden weitere Besuche bei Corona-Rechten folgen“, so die NIKA-Kampagne abschließend.
Das vielsagende Verharren in aktiver Untätigkeit
Dieses Aufsuchen einer Einzelperson in und an seinem zu Hause ist eine neue Qualität des staatlich sanktionierten „Kampfes gegen Faschismus“ gegen die Querdenker-Szene, demonstrierte die Antifa doch bislang nur gegen deren Anti-Corona-Proteste oder machte Stimmung gegen eine Gruppe von Lokalpolitikern der Linkspartei, die die Lockdown-Politik von links kritisieren.
Bei unbedeutenden Politikern und Aktivisten aus der letzten Reihe wird die antifaschistische Meute mutig, bei der linken Parteiprominenz indes werden die Samthandschuhe angezogen. Denn an der im letzten Artikel referenzierten Pro-Mullah-Demonstration nahmen neben der Linkspartei-Landesvorsitzenden ebenso auch die Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bremischen Bürgerschaft sowie die friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion teil.
Eine wahrnehmbare Reaktion aus dem antifaschistischen Weltenraum gab es indes bis heute nicht. Keine Gegendemo, kein Kampf gegen Antisemitismus, nur das vielsagende Verharren in aktiver Untätigkeit. Und auch Bremens Senat und die lokalen Leitmedien üben sich derweil im Knarzen ihrer Senatssessel beziehungsweise im ebenso berüchtigten Schweigen im Blätterwalde. So weit, so Bremen.
Die Bremer Antifa und ihr struktureller Antisemitismus
Pikant ist auch die kognitive Dissonanz der NIKA-Kampagne, die heute „antisemitische Verschwörungspropaganda“ bei Querdenkern wittert, selbst jedoch nicht davor zurückschreckt, im Kontext der Corona-Pandemie Stereotype des strukturellen Antisemitismus zu verbreiten, wie ich im letzten Jahr in einem Artikel bei Achgut.com aufzeigte. So geht also der wahre Kampf gegen Antisemitismus in Bremen: Mit struktureller Judenfeindlichkeit gegen Corona-Antisemiten. Der virale Irrsinn scheint bei Bremens Antifa keine Grenzen zu kennen.
Doch ihre Verschwörungsesoterik hat die NIKA-Kampagne seitdem nicht überwunden, stattdessen schwadroniert sie heute von einem „Shutdown für das Kapital“, um so künftig „Gesundheit vor Profite“ zu setzen. So brauche es „endlich eine Unterbrechung des wirtschaftlichen Normalbetriebs, bezahlt von seinen Profiteur:Innen“ sowie eine „Handlungsfähigkeit […] gegenüber Pharmakonzernen und ihren Patenten“. Aktuell würde jedoch ein „[K]uschen vor der Wirtschaft“ stattfinden, „der man weiter volle Büros und Fabriken ermöglicht“. Worin sich, so die NIKA-Kampagne weiter, der „autoritäre [...] Populismus einer neoliberalen Regierung“ zeige, „die von Solidarität labert, aber mit Law and Order ihre faktische Durchseuchungsstrategie kaschieren will“.
Der österreichische Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger umreißt den „strukturellen Antisemitismus“ daher auch in einer derartigen „verkürzten Kapitalismuskritik“, in der „der Kapitalismus also nichts anderes wäre als eine Verschwörung bösartiger Reicher“, was indes „ein alter Mythos breiter Teile der Linken“ sei. Bereits im Jahr 1996 schrieben Andreas Benl und Stefan Vogt in der ideologiekritischen Bahamas, dass „im modernen Antisemitismus die Juden mit dem als abstrakt begriffenen kapitalistischen Verwertungsprozeß und schließlich mit ‚dem Kapital‘ identifiziert“ werden, so wie es die NIKA-Kampagne in ihrem antikapitalistischen Aufruf, ob nun absichtsvoll oder nicht, hinlänglich vorexerziert.
Bremer Antifaschisten, die Juden enteignen wollen
Auch die „Basisgruppe Antifaschismus“, die nach einem Bericht der taz aus dem Jahr 2018 die Bremer NIKA-Kampagne mitorganisiert, hat so ihr ganz eigenes Verhältnis zum antisemitischen Stereotyp. Reproduzierte sie doch vor einem Jahr die strukturelle Judenfeindlichkeit besagter NIKA-Kampagne und forderte erst unlängst in der Tonalität der antiimperialistischen Kapitalismuskritik: „Macht endlich die Großunternehmen dicht und gebt die Patente frei: die Pharmaindustrie muss enteignet, das Gesundheitssystem dem Markt entzogen werden!“
Obwohl der Kontrakt zwischen Pfizer und Israel ja gerade zeigt, dass dieser Markt funktioniert, kristallisiert er sich in dieser „Kapitalismuskritik“ vielmehr als eine spezifische „Verschwörung“. Mit dem für antiimperialistische Esoteriker der Antifa nicht unbedeutenden Haken, dass sie nicht nur den Staat der Juden selbst in diese imaginierte Konspiration einreihen, sondern mit dem Pfizer-CEO überdies einen Menschen, dessen Eltern den Holocaust überlebten.
Deutsche Antifaschisten, die demnach Juden enteignen wollen, deren Eltern selbst von den Nazis enteignet worden sind: Absurder wird es nicht mehr im deutschen Sozialismus. Das ist Antifaschismus an seinem Bremer Endpunkt. Und zudem ziemlich weit entfernt von der „Basisgruppe Antifaschismus“, die sich im Jahr 2011 gegen den von der Bremer Linkspartei unterstützen Israel-Boykott des „Bremer Friedensforums“ stellte.
Andererseits ist es aber die akkurate Fortsetzung einer historischen „Antifaschistischen Aktion“, die zu Zeiten der Weimarer Republik von der KPD begründet worden war und auf deren Gründungsmythos sich die deutsche Antifa bei ihrer Konstituierung in den 1970er Jahren explizit berief. Die KPD rief zu Weimarer Zeiten zum Kampf gegen „die jüdischen Kapitalisten“ auf, schrie „Nieder mit der Judenrepublik“ oder forderte gleich wahnhaft dazu auf: „Tretet die Juden-Kapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie.“
„Antisemitismus ist ein Ritual der Zivilisation“
Hätten die „Basisgruppe Antifaschismus“ und die NIKA-Kampagne besser einmal die Erklärung ihrer antifaschistischen Brüder und Schwestern der Berliner Antifa zum strukturellen Antisemitismus gelesen und wenn sie es getan haben sollten, auch richtig verstanden. So schrieb die Antifa Berlin bereits im Mai 2020 über die Überwindung der „eigene[n] Ohnmacht“ in „einer globalen Pandemie“ mittels des antisemitischen Stereotyps:
„Strukturell ist die Verschwörungstheorie Ausdruck des antisemitischen Ressentiments. Der Glaube, im Geheimen wirke eine mächtige Gruppe finsterer Verschwörer, ist historisch aufs Engste mit der Vorstellung verwoben, Jüdinnen und Juden seien diese Gruppe. Sie dienen, wie eine Alltagsreligion dazu, die eigene Ohnmacht zu überwinden. Sei es gegenüber einem omnipotenten Staat, einer globalen Pandemie oder einem, unser gesamtes Leben durchdringenden Kapitalismus. Außerdem bieten sie ein greifbares Feindbild, dass in einer komplexen Welt schwer zu finden ist.“
Horkheimer und Adorno nennen in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ den Antisemitismus „ein eingeschliffenes Schema, ja ein Ritual der Zivilisation“. Mag dieser Ritus seinen Judenhass in seiner Verschwörungsgläubigkeit einer neuzeitlichen Stellvertretung der Juden im „Kapital“ sich auch selbst noch so im Angesicht sozialer Ungerechtigkeit woke verkleistern. Es ist ein unheilschwangerer Brauch, der auch in seiner codierten beziehungsweise „modernisierten“ Form des strukturellen Antisemitismus nicht progressiv wird, sondern ein menschenverachtendes Ressentiment bleibt.
Während sich Antisemitismus, in seiner neuzeitlichen Fokussierung auf den Staat der Juden, seiner strukturellen Projektion und in der Normalisierung des vernichtungsantisemitischen Mullah-Regimes also bei Bremens Linken, vom antifaschistischen Hausbesucher bis hin zur Landesspitze ihres parlamentarischen Arms, der Linkspartei, als en vogue konsolidiert, erscheinen dennoch keinerlei „antifaschistischen Aktionen“ für die darin involvierten Politiker beziehungsweise Aktivisten absehbar. Bremens Antifaschisten sind schließlich mit Hausbesuchen bei Corona-Querdenkern vollumfänglich beschäftigt.
„Wir wollen die antisemitische Verschwörungspropaganda und die rechten Erzählungen zur Pandemie in Bremen nicht hinnehmen und haben damit begonnen, die Querdenken-Aktiven an ihren Wohnanschriften aufzusuchen“, schreiben die Antifaschisten der NIKA-Kampagne. Vielleicht sollten sie – auch unter Berücksichtigung ihrer historischen Wurzeln – erst einmal bei ihrer eigenen „antisemitische[n] Verschwörungspropaganda“ wie auch ihren „linken Erzählungen“ anfangen, und zur Klärung dessen sich dafür selbst zu Hause „auf[...]suchen“. Angesichts der nächtlichen Ausgangssperre hätten sie ja genug Zeit zur innerlichen Einkehr.
Teil 1 finden Sie hier.