Marcus Ermler / 01.04.2020 / 16:00 / Foto: Sandro Jalank / 17 / Seite ausdrucken

Bremer AfD: Höcke und Kalbitz sollten André Poggenburg folgen

Die Einstufung des „Flügels“ als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie Höckes Rede vom „Ausschwitzen“ parteiinterner Kritiker schlug in der AfD hohe Wellen. In manchen Landesverbänden rumorte es derart, dass zum Beispiel der Landesvorstand der AfD-NRW die Selbstauflösung des „Flügels“ forderte. Der Bundesvorstand folgte diesen Einwürfen am Freitag, den 20. März 2020, und empfahl dem „Flügel“ besagte Selbstauflösung bis Ende April 2020. Einen Tag später kamen Höckes und Kalbitz' Mannen dem scheinbar nach und beschlossen die formelle Auflösung des „Flügels“

Der Bremer AfD reicht all dies nicht. In einer Pressemitteilung vom 20. März 2020 geht der Bremer Landesvorstand der AfD noch weiter als der Bundesvorstand und fordert ausdrücklich, dass Höcke und auch Kalbitz die Partei verlassen sollen:

Der Bremer Landesvorstand erwartet vom Bundesvorstand eine lückenlose Aufklärung in Sachen Björn Höcke und vieler anderer Protagonisten, welche sich um Björn Höckes Dunstkreis herumbewegen […] Aus unserer Partei muss niemand ‚ausgeschwitzt‘ werden, sondern Leute wie Höcke und Kalbitz sollten Andre Poggenburg folgen!“

Besagter André Poggenburg war bekanntlich von 2014 bis 2018 Vorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt und gründete nach seinem Austritt aus der AfD eine Partei, deren Logo die Kornblume ziert, das Erkennungssymbol von Österreichs Nationalsozialisten in den 1930er Jahren.

Flügel-Mitglieder wollen Bremer AfD unterwandern

Der Landesvorstand der Bremer AfD begründet die Forderungen an Höcke und Kalbitz so auch damit, dass Aussagen vom „Ausschwitzen“ parteiinterner Kritiker „nur von jemandem kommen [können], der es mit der Demokratie nicht ernst meint, also tatsächlich ein Feind der Demokratie ist und somit nichts in der AfD zu suchen hat“. Der Landesvorstand nähme solche „Äußerungen von ‚Flügelleuten‘ sehr ernst und distanziert sich in aller Deutlichkeit von diesen“. Mehr noch sei:

der so genannte ‚Flügel‘ […] kein offizieller Bestandteil der AfD und soll es auch nicht werden. Der Bremer Landesvorstand wird weiterhin alles dazu beitragen, dass dieses so bleiben wird und setzt sich deshalb für einen dringend erforderlichen Selbstreinigungsprozess in der Partei ein.

Weiterhin schreibt der Landesvorstand, dass es Versuche gegeben habe „den Bremer Landesverband mit ‚Flügel‘-nahen Neumitgliedern zu unterwandern“, was jedoch durch den „Landesvorstand verhindert werden“ konnte. Diesbezüglich kontaktierte ich den AfD-Landesvorsitzenden Peter Beck per E-Mail und erhielt weitergehende Informationen. Beck schrieb mir hierzu:

Es gab in den vergangenen drei Wochen den Versuch über uns bekannte Personen, die nicht zu dem Bremer Landesverband gehören, Neumitglieder anzuwerben, damit bestimmte Personen für den jetzt verschobenen Parteitag bessere Mehrheitsverhältnisse erlangt hätten.“

Beck ergänzt ferner, dass sich aktuell unter ihren Mitgliedern circa fünf Mitglieder mit direktem Kontakt zum „Flügel“ befinden und zehn weitere Personen wiederum diesen Leuten sehr nahe stehen. Womit derzeit circa 10 Prozent der Mitglieder der Bremer AfD sich im „Dunstkreis“ von Björn Höcke bewegten. Der Landesvorstand wird diese Namen, wenn nötig, „dem Bundesvorstand mitteilen“, so Beck weiter.

Nazi-Schlägertruppe versucht sich Bremer AfD anzuschließen

Doch nicht nur das. Ebenso versuchten Mitglieder der vom Bremer Innensenator unlängst verbotenen Neonazi-Gruppe „Phalanx 18“, die im Bremer Steintorviertel politische Gegner tätlich angriff, „Räumlichkeiten bei einem AfD Mitglied anzumieten, das Partyräume vermietet“. Auch das „konnte im Herbst 2019 in Zusammenarbeit des Landesvorstands und dem AfD Mitglied verhindert werden“.

Zur letztgenannten Causa muss man wissen, dass der Bremer AfD-Watch im Oktober aufdeckte, dass sich Mertcan Karakaya, der Schatzmeister der Bremer AfD, mit Mitgliedern von „Phalanx 18“ im Rahmen einer gemeinsamen Plakatieraktion zur Bürgerschaftswahl 2019 ablichten ließ. Die Bremer Lokalredaktion der taz und das Nachrichtenformat buten un binnen berichteten ebenso hierüber. 

Peter Beck kommentierte dies im Oktober 2019 bei buten un binnen so: „Als Herr Karakaya und auch ein weiteres Mitglied der AfD fest[ge]stellt hätten, um wen es sich da gehandelt habe, hätten sie das Wahlkampfplakatieren abgebrochen“. Bremens Innensenator Mäurer bejahte im November 2019 die Nachfrage des Grünen-Fraktionschefs Björn Fecker, ob „erkennbar [war], mit wem man es bei Phalanx 18 zu tun hat, welche politische Gesinnung deren Mitglieder haben?“. Dazu schreibt mir Beck heute:

Selbst der Innensenator Mäurer gab während einer Bürgerschaftssitzung an, dass für ihn keine Verbindungen zwischen dem Schatzmeister und der Gruppe Phalanx 18 bewiesen seien. Herr Karakaya hatte zu den Vorgängen des Plakatierabends eine ausführliche Stellungnahme geschrieben, die dem Landesvorstand und auch dem Bundesvorstand vorliegt. Aufgrund seiner Stellungnahme wurde seitens des Bundesvorstands auf einen Gesprächstermin verzichtet.“

Ob die Bremer „Flügelanhänger Verbindungen zu der verbotenen und aufgelösten Neonazi-Gruppe Phalanx 18 pflegen“, ist dem Landesvorstand, so Beck, „nicht bekannt“. Klar ist nur, dass neben Schatzmeister Mertcan Karakaya und Beisitzer Heiner Löhmann, die laut Beck „keine Verbindungen zu der ehemaligen, verbotenen Gruppe Phalanx 18“ haben, auch der AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Mark Runge „an dem besagten Abend“ der gemeinsamen Plakatieraktion „ebenfalls vor Ort war“, so Beck in seiner Antwort weiter.

Die politisch motivierten Äußerungen der Bremer Linksfraktion

Nelson Janßen, einer der Vorsitzenden der Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft, behauptet in einer aktuellen Stellungnahme vom 12. März 2020, dass auch Peter Beck „Kontakte zu der mittlerweile verbotenen neonazistischen Gruppierung Phalanx 18“ haben soll. Ohne dafür jedoch irgendeinen Beweis zu erbringen. Konfrontiert mit diesen Vorwürfen, antwortet Peter Beck mir diesbezüglich:

Sollte Herr Janßen Beweise für seine politisch motivierten Äußerungen besitzen, dann kann dieser sich an den Verfassungsschutz wenden. Aus meiner Sicht ist Herr Janßen ein geistiger Brandstifter, der nun versucht, von den ‚Erschießungsplänen‘ seiner Genossen abzulenken [Beck bezieht sich hierbei auf eine Aussage auf der Strategiekonferenz der Linkspartei Anfang März 2020, Anm. des Autors].“

Übrigens: Weder taz, noch buten un binnen, der Weser-Kurier oder der AfD Watch Bremen haben irgendetwas zu diesen angeblichen Kontakten dokumentiert. Warum der Fraktionsvorsitzende Janßen hier also bewusst unbelegbare Behauptungen über Peter Beck von sich gibt, lässt sich anhand weiterer Aussagen aus der benannten Stellungnahme der Bremer Linksfraktion erahnen:

Diese und weitere Verbindungen zeigen, dass die Bremer AfD mit dem Flügel und weiteren Gruppierungen tief verwurzelt ist, die regelmäßig mit rechtsextremen und neonazistischen Äußerungen und Handlungen in die Öffentlichkeit treten. Spätestens nach Halle, Hanau und weiteren neonazistischen Anschlägen und dem regelmäßigen Auffliegen von rechtsterroristischen Gruppierungen muss es das Gebot der Stunde sein, diese Bestrebungen mit allen Mitteln zu bekämpfen. Das heißt aber auch, dass die AfD nicht nur ein Fall für den Verfassungsschutz ist.“

Dass sich diese Einschätzung der Linksfraktion in Bezug auf den Landesvorsitzenden Peter Beck nicht mit der aktuellen Verlautbarung des Landesvorstandes deckt, ist evident. Vielmehr zeigt die Pressemitteilung der Bremer AfD, dass sich der Landesvorstand Höcke und Kalbitz entgegenstellt sowie diese beiden „Flügel“-Protagonisten offen wie öffentlich zum Verlassen der AfD auffordert.

Am Ende seiner Antwort distanziert sich Beck so im Namen des Landesvorstandes der Bremer AfD noch einmal dezidiert von „Herrn Höckes Ausspruch über das ‚Ausschwitzen seiner parteiinternen Gegner“. Gerne hätte Beck übrigens Björn Höcke einmal mit seinen Aussagen konfrontiert, doch:

Über Herrn Robert Teske (Büromitarbeiter bei Herrn Höcke) [und ehemaliger Vorsitzender der Jungen Alternative Bremen, Anm. des Autors] bat ich schon im letzten Jahr um ein Gespräch mit Herrn Höcke, um diesen persönlich besser kennenzulernen und ihm meine Positionen innerhalb der AfD kundzutun. Leider rief Herr Höcke bis heute nicht zurück!“

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Volker Kleinophorst / 01.04.2020

@ Herr Ermler Schon “Ausschwitzen” groß zu schreiben ist unredlich. Als Saunarier habe ich mit dem Wort “ausschwitzen” kein Problem, habe in 30 Jahre Sauna nicht einmal den Zusammenhang zu Auschwitz gezogen. Sicher auch weil sich das eine mit einem W das andere mit zwei schreibt. Sprachlich ein Indiz, das es sich nicht um das gleich Wort handelt. Aber Sie und auch sonst die gesamte Erregungsjournaille wissen ja einfach, wie der Höcke das gemeint hat. Mir machen die neuen “Flügel” der Merkel-Partei - the Artist formerly known as CDU - also Linkspartei und Grüne inkl. Antifa einfach mehr Sorgen. AfD lasst euch nicht spalten, die Neo-SED zeigt doch: In der Geschlossenheit liegt die Macht. Wenn die AfD Höcke rausschmeisst, kriegt sie keine Wählerstimme mehr. Eher weniger.

Klaus Reichert / 01.04.2020

Nun ist es immer problematisch, wenn Vertreter eines Landesverbandes, für den sich sechs Prozent der Wähler entschieden haben, den Rücktritt der Vorsitzenden von zwei Landesverbänden fordern, die jeweils knapp ein Viertel ihrer Wähler erreicht haben. Ähnlich wie aus Bremen tönte es aus Hamburg, und auch dieser Verband schnitt beim Wähler sehr schwach ab. Die wenig erfolgreichen Landesverbände im Norden müssen m.E. darauf achten, nicht als eine Art ausgelagerter Werteunion oder bessere FDP zu erscheinen. Sie können nicht das Spiel des politischen Gegner spielen, sonst gehen sie unter. Ihre durchaus fundamentale Oppositionsrolle aber müssen sie spielen, ohne dass sie den Verdacht auf Neonazi - Konspiration wecken. Das heißt, eine harte Fundamentalopposition darstellen, gerade im superlinken, heruntergewirtschafteten Bremen dürften sich da genug Themen finden. Gleichzeitig aber kein Spiel mit zweideutigen Begriffen, wie Höcke es fatalerweise tut. Und ansonsten nicht gegen Höcke und Kalbitz tönen. Den Schuh müssen sie sich nicht anziehen, das sollten sie dem Bundesvorstand überlassen. Dies wäre so meine Politikberatung.

Steffen Rascher / 01.04.2020

Vor dem Bundesamt, das die Verfassung nicht schützt, darf die AfD nicht auf die Knie gehen - umgekehrt wird eher ein Schuh draus. Ebenso ist es nicht hinnehmbar, das ein kleiner Teil der Partei so beflügelt ist, dass es Mitglieder rauswerfen will. An der Stelle muss Schluss sein. Auch gilt - umgekehrt wird ein Schuh draus.

Peter Thomas / 01.04.2020

Vorurteile? Urteile? Zeitmanagement! Ich habe auf der Achse mehrere Artikel des Autors über die AfD gelesen: sie waren propagandistisch und verleumderisch, oder - m.a.W. - “Hauptstrom” (Stichworte: “Denkmal der Schande”, “Wende um 180 Grad” usw). Darum werde ich keinen Artikel des Autors mehr lesen. Vorurteil? Nein, Zeitmanagament.

Georg Dobler / 01.04.2020

Und warum muss ich das als Achse-Leser wissen? Der Inhalt ist doch eher für einen Rundbrief für Parteimitglieder der AfD geeignet, oder?

Frank-Michael Goldmann / 01.04.2020

Verstehe kein Wort. Um was geht´s hier eigentlich?

Thorsten Pallmauer / 01.04.2020

Lesetipp: André Poggenburgs Wikipediaeintrag. Das Ding ist so lang und detailliert, man könnte fast meinen, der Mann sei eine historische Größe - oder es handelt sich dabei um sein Profil beim Verfassungsschmutz.

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