Rainer Bonhorst / 26.02.2025 / 12:00 / Foto: Montage achgut.com / 100 / Seite ausdrucken

Brauchen wir eine neue deutsche Teilung?

Die Wahlergebnisse zeigen: Es gibt ein schwarzes Deutschland und ein blaues Deutschland. Es ist auseinander gewachsen, was anscheinend doch nicht zusammengehört. Wären wir glücklicher, wenn wir uns nach 35 Ehejahren wieder trennen würden?

Die Wahlnacht brachte es an den Tag: Es gibt nicht nur ein Deutschland, es gibt zwei. Ein Blick auf die Karte der Wahlkreissieger zeigt zwei nahezu monochrome Bilder. Im Westen eine nur hier und da durch rote Tupfer unterbrochene schwarze Fläche. Im Osten eine noch seltener durch rote Tupfer unterbrochene blaue Fläche. Ein schwarzes Deutschland und ein blaues Deutschland. Es ist auseinander gewachsen, was anscheinend doch nicht zusammengehört. Sorry, Willy Brandt. Was tun, wenn ein Land zweigeteilt ist, in einen CDU/CSU-Teil und in einen AfD-Teil? Die klassische Antwort ist: Sezession.

In Amerika hat das seinerzeit nicht geklappt, als der Süden nicht mehr mitmachen wollte. Aber die Idee lebt. Zum Beispiel in Kalifornien. Dort denken einige – nicht ernsthaft, aber immerhin – darüber nach, sich aus den Vereinigten Staaten Donald Trumps zu verabschieden und es mit der Unabhängigkeit zu versuchen. Der Staat wäre stark genug, um wirtschaftlich zu überleben. Würde Trump, wie vor rund eineinhalb Jahrhunderten Abraham Lincoln, seine Truppen an die Westküste schicken? Vermutlich, auch wenn er die komischen Kalifornier nicht ausstehen kann. Aber Präsident von nur 49 Staaten? Das würde ihm nicht passen, selbst wenn er sich, was unwahrscheinlich ist, Kanada dann eben als 50. und nicht als 51. Bundesstaat einverleiben könnte.

Dieser kleine Ausflug soll nur illustrieren, dass so eine Sezession kein Selbstläufer ist, auch wenn der Augenschein sie nahelegt. In Europa hat es hier und da geklappt. Die Tschechen haben sich von den Slowaken getrennt und sind als zwei unabhängige Größen ziemlich beste Freunde. In Jugoslawien ging es nur mit Blutvergießen. Aber man ist glücklicher in den Einzelteilen, ob Slowenien, Kroatien oder Serbien.

Ein real existierendes blaues Deutschland?

Wären wir Deutschen auch glücklicher, wenn wir uns nach 35 Ehejahren wieder trennen würden? Es müsste natürlich so friedlich geschehen wie damals die Vereinigung. Heute würde man vielleicht Inklusion sagen. Nun, Friedrich Merz müsste sich damit zufrieden geben, ein Stück Deutschland zu regieren, wie es vor der damaligen Wende aussah. Aber das mussten auch Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt und lange Zeit sogar Helmut Kohl ertragen. Was diesen Größen recht war, sollte dem Neuen, der erst noch eine Größe werden will, billig sein.

Allerdings müsste Friedrich Merz sich dann daran gewöhnen, dass es da im Osten ein real existierendes blaues Deutschland gibt. Unter der Führung von Alice Weidel. Aber das könnte nach einer Eingewöhnungsphase durchaus klappen. Die beiden haben ja ein paar Schnittmengen, auch wenn Alice Weidel zu sehr mit Putin flirtet und Merz weiter hofft, eine wunderbare Freundschaft mit Donald Trump aus dem Hut zu zaubern.

Über heikle Fragen könnte man sich von Zeit zu Zeit diskret abstimmen, zum Beispiel in der neutralen Schweiz, im Wohnzimmer von Alice Weidel und Sarah Bossard. Auch die Namensfrage der beiden unabhängigen Staaten sollte sich mit ein bisschen Wortakrobatik gütlich klären lassen. Die Bundesrepublik Deutschland müsste sich, um nicht nach Osten übergriffig zu wirken, künftig Deutsche Bundesrepublik nennen. Alice Weidel könnte ihr Land als Ostmark eintragen lassen, da dieser Begriff ja schon lange vakant ist.

Wo bliebe die Brandmauer?

Gäbe es Eifersüchteleien? Die gibt es überall. Da ist zum Beispiel Alice Weidels guter Draht zu Elon Musk und auch Donald Trump. Da hinkt Friedrich Merz doch deutlich hinterher, obwohl er als Konservativer beim US-Präsidenten durchaus Chancen hat. Jedenfalls bessere als der immer noch übergangsweise amtierende Olaf Scholz.

Und wo bliebe in diesem Fall die Brandmauer? Muss man sie ausbauen oder einreißen? Das lässt sich heute noch nicht sagen. Es kommt darauf an, ob Alice Weidel mit ihrer Ostmark in der EU bleiben möchte. Eigentlich will sie ja nicht, aber wenn sie die Sache genauer durchrechnet, ließe sie sich vielleicht von Georgia Meloni zum Bleiben überreden. Die hat ja auch alles durchgerechnet und dann gesagt: Ich bin doch nicht blöd. Zur Sicherheit könnte Frau Weidel ja noch bei Keir Starmer nachfragen, ob sich der Brexit für England gelohnt hat.

Auch den Euro, den sie eigentlich nicht mag, würde Alice Weidel am Ende wohl doch behalten. Eine neue „Ost-Mark“ hätte es schwer in der Finanzwelt. Und wenn sie sich einfach die alte westdeutsche D-Mark stibitzen würde? Dagegen würde Friedrich Merz schleunigst eine Brandmauer errichten. Im Übrigen hätte die Brandmauer ausgedient. In der EU herrscht freier Personen- und Warenverkehr. Wir hätten eine unsichtbare Grenze wie nach Österreich. Merz bräuchte auch keine Grenzkontrollen wegen illegaler Einwanderer mehr. Die würde ihm Alice Weidel vom Halse halten. Eine Win-Win-Situation.

Und Bayern?

Kurz und gut. Eine friedliche Sezession Ostdeutschlands würde viele Probleme lösen. Wie eine vernünftige Scheidung, wenn beide Partner feststellen, dass sie nicht mehr zusammenpassen. Gäbe es denn überhaupt keine Probleme, wenn beide Seiten, die schwarze und die blaue, die Konsequenzen zögen? Eines schon: Friedrich Merz müsste aufpassen, dass die vielen westlichen Weidel-Anhänger nicht allesamt nach Osten zu Alice rüber machen.

Habe ich etwas übersehen? Ach ja, was ist mit Berlin? Mit der deutschen Hauptstadt? Nun, die gehört geografisch ins blaue Deutschland. Soll sich doch Alice Weidel mit den Berlinern herumschlagen. Und Friedrich Merz? Vorwärts in die Vergangenheit? Also nach Bonn? Das wäre dem Sauerländer dann doch zu rheinisch. Im Sauerland selber gibt es keine überzeugende Hauptstadt-Kandidatin. Iserlohn? Lüdenscheid? Ist nicht das Wahre.

Frankfurt, die Finanzmetropole am Main, mit der Paulskirche und dem Entstehungsort der ersten demokratischen Verfassung, wäre eine starke Kandidatin. Aber Frankfurt hat keinen Markus Söder. Der würde schon dafür sorgen, dass Deutschlands heimliche Hauptstadt endlich aus der Heimlichkeit heraustritt und die offizielle Hauptstadt wird. Es sei denn, er nutzt die Gelegenheit, zu einer weiteren, der lang ersehnten bayerischen Sezession.

 

Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

Foto: Montage achgut.com

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Micha Märker / 26.02.2025

Lektüreempfehlung zum Thema:  “Wir schaffen das alleine. Warum kleine Staaten einfach besser sind.” Von Andreas Marquart und Philipp Bagus, Vorwort von Roland Tichy.

Oliver Hoch / 26.02.2025

Berlin gehört natürlich zur Bunten Republik LKGB*Land. Ich bin durchaus Willens, das Gebiet der A2 bis Helmstedt für einen kontrollpunktfreien Verkehr der Lastenfahrräder abzutreten - schließlich haben unsere Freunde im Westen die frühere Autobahn auch bezahlt. Im Gegenzug sollte Sylt an Deutschland gehen. Damit dort wieder Meinungsfreiheit herrscht; und es sieht auf jener schönen Insel ohnehin so aus wie an unserer nahen Ostsee.

Chris Kuhn / 26.02.2025

Der Autor hat ein Talent für Kopfgeburten, die auf den ersten Blick originell sind, aber von den Realitäten längst überholt wurden. Herrn Bornhorst scheint erstens entgangen, daß die AfD inzwischen quasi unter dem Schutz der US-amerikanischen Regierung steht. Zweitens langweilt es, wenn wieder das Ossie-Wessi-Klischee bedient wird. Vielmehr ist doch zu fragen, ob man vielleicht besser auf die ehemaligen DDR-Bürger hätte hören mögen, von denen die Älteren genau wissen, was es heißt, von einem Blockflötenkartell genasführt zu werden, wie es sich seit den Merkeljahren an den Machtschalthebeln aller Bundesländer etabliert hat. Wie ich heute schon anderswo ausgeführt habe, besteht vielmehr ein Reformbedarf quer durch die ganze Republik. Zuerst müßte die Zahl der Bundesländer halbiert werden. Den verbleibenden sollten dann subsidiär Rechte gegeben werden, wie sie etwa die US-Bundesstaaten haben. Dazu gehören eine eigene Polizei und ggf. Nationalgarde, vor allem aber eine eigene Steuerhoheit und Industriepolitik. Abgeschafft gehört der Länderfinanzausgleich mit dem jeglicher sozial- und wirtschaftspolitische Wettbewerb seit Jahren erdrosselt wird. Ausnahmen davon erkenne ich nur beim - dann sowieso deutlich geminderten - Bedarf des Bundes in Berlin, bei Unterstützungen für Hafenstädte und den Grenzschutz sowie in einem Fonds für individuell und unverschuldet notleidende Bürger.

Robert Weihmann / 26.02.2025

Ja, unbedingt. Aber was machen wir mit Berlin? Wird es eine geteilte Stadt sein wie Belfast oder Jerusalem? Oder bauen wir um Westberlin eine Mauer und bekommen dann eine Art Gaza-Streifen, aus dem heraus durchgedrehte Linksextremisten Ostberlin und Brandenburg terrorisieren?

Sabine Ehrke / 26.02.2025

‘Wären wir glücklicher, wenn wir uns nach 35 Ehejahren wieder trennen würden?’ Schockierend, der Wessi, so bräsig, selbstgefällig, denkfaul, wohlstandsmüde und knallrot! Ich würde zurück fliehen nach Sachsen.

K.Behrens / 26.02.2025

Seit wann bestimmt ein daher gelaufener Haufen an “Tätowierten”. Es dürfte mittlerweile selbst im letzten Dorf angekommen sein, dass die Kellnerin in der Dorfkneipe wie ihr Pendant als “Nutte im Berghain” bereits ihr Verfalls Datum überschritt. Das wird noch witzig, wenn die ganzen weiblich und männlich “Tätowierten” ob ihres fortgeschrittenen Alters unweigerlich der Erdanziehung folgen.  Aber gut, ich fliege auch gegen Empfehlung im Oktober dieses Jahr nach Tel-Aviv.  Einfach mal raus Deutschland, denn nicht nur Sylt ist wirklich so abgestanden wie das letzte Dorf Usedom.

Wolfgang Weber / 26.02.2025

“Ostdeutschland ist momentan defacto besetztes Gebiet und bekommt die westliche Ideologie aufoktroyiert obwohl eine überwiegende Merheit der Ostdeutschen politisch anders denkt.” Und von was träumen Sie so nachts? Sie machen sich die ostdeutschen Bundesländer zurecht wie einst Dornröschen sich ihren Prinz. Es gibt keine Mehrheiten in der ehemaligen DDR, die Ihre Vorstellungen teilen. In Thüringen haben 38,6% am Sonntag die AfD gewählt, d.h. dass über 61% der Thüringer die AfD nicht wollten. In Meck-Pomm waren es 35%, die die AfD wählten, also 65% wollten die nicht. In allen östlichen Bundesländern kamen BSW und Linke zusammen je Bundesland auf über 20% der Stimmen, teilweise sehr deutlich. Beide Parteien sind für “Asyl”. Irgendein Einstein der Linken hat vor einigen Tagen sogar gefordert, dass wir zwei Millionen Flüchtlinge aufnehmen sollten, und zwar jährlich. Die PDS/Linke ist ideologisch gesehen praktisch reines Erbe der DDR. Was dem Wessi seine Grünen, sind dem Ossi seine PDS/Linke/BSW. Egal ob Grüne oder Linke: Sie wollen unser Land mit “Facharbeitern” überschwemmen. Viele Ossis sind sehr wehleidig und jammern immer über die blöden Wessis mit ihren Grünen, aber übersehen dabei, dass der Stimmenanteil für Linke/BSW größer ist als der für die Grünen. Und in den östlichen Bundesländern sind beide zusammen sogar eine über 20%-Kraft. Was das Aufoktroyieren angeht: Hat irgendwer den Ossis die Dee Maak aufoktroyiert oder die Ansicht, dass Bananen viel besser schmecken als langweilige deutsche Äppel? Oder Blabla-Sekt besser ist als Rotkäppchen-Sekt, weil er westlich ist oder Coca-Cola überhaupt total geil? Nein, das haben sich die Ossis alles selbst suggeriert. Das waren alles immer langgehegte Sehnsüchte. Und jetzt müsst ihr halt den Preis dafür bezahlen. Umsonst ist nur der Tod. Euch steht genau wie uns der Untergang bevor. Titanic ahoi!!!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 09.05.2025 / 06:05 / 74

Papst Leo: Der Gegen-Trump

Amerikas Freunde haben in Zukunft die Auswahl zwischen Donald und Leo. Und weil die beiden doch sehr unterschiedlich sind, ist für jeden was dabei. Es…/ mehr

Rainer Bonhorst / 07.05.2025 / 06:00 / 76

Habemus einen Kanzler

Das Konklave, bestehend aus CDU/CSU und SPD, hat getagt und den schon halb verlorenen Sohn gerettet. Das war keine leichte Übung. Damit der künftige Kanzler…/ mehr

Rainer Bonhorst / 03.05.2025 / 12:00 / 27

Trump und Selenskyj – der Durchbruch

Gut hundert Tage nach Trumps Amtsantritt kann Putin sich seine hegemonialen Träume über die ganze Ukraine nun endgültig abschminken. Im Weißen Haus haben sie sich…/ mehr

Rainer Bonhorst / 30.04.2025 / 12:00 / 18

Kanada: Das Boomerang-Phänomen

Eigentlich hätten die Konservativen klar gewinnen müssen, und eigentlich hätten die Liberalen deutlich verlieren müssen. Dann kam dem kanadischen Spitzenkandidaten der Linken Donald Trump zur…/ mehr

Rainer Bonhorst / 28.03.2025 / 14:00 / 62

Kanada? Grönland? Oder was?

Heute besucht US-Vizepräsident J.D. Vance Grönland. Dänemark hat indes angekündigt, dass man die allgemeine Wehrpflicht auch für Frauen einführen will. Damit bekäme es Trump auf…/ mehr

Rainer Bonhorst / 24.03.2025 / 14:00 / 27

Der kuriose Kanada-Konflikt

Kanada gilt als Amerika mit strikten Waffengesetzen und einer allgemeinen Krankenversicherung. Mit Donald Trump herrscht jetzt dicke Luft zwischen den beiden Zwillingen. Mit manch unerwarteter…/ mehr

Rainer Bonhorst / 20.03.2025 / 14:00 / 14

Donald Trump und die Phalanx der Frauen

Donald Trump, der zweimalige Frauenbezwinger (Hillary Clinton und Kamala Harris), sieht sich inzwischen einer Phalanx von Frauen ausgesetzt, die sich von ihm nicht bezwingen lassen…/ mehr

Rainer Bonhorst / 02.03.2025 / 11:00 / 56

Ein Oscar für Vance und Trump

Die Frage ist: Wird es einen zweiten Teil des Dramas „Eklat im Weißen Haus“ geben? Und wird es nach der inszenierten Zuspitzung des ersten Teils wider…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com