Stefan Klinkigt / 31.07.2022 / 06:15 / Foto: Stefan Klinkigt / 60 / Seite ausdrucken

Brände in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz

Fast eine ganze Woche wüteten in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz die verheerenden Waldbrände. Meinen herzlichen Dank an alle Feuerwehrleute, Helikopterpiloten/Bordtechniker und anderen Helfer, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz das flammende Inferno eindämmen konnten. Gestern Mittag ist nun endlich auch der lang ersehnte Regen hier eingetroffen – zwar nicht so viel wie erwartet, aber jeder Liter hilft.

Ich habe in den vergangenen Tagen versucht, mir einen Überblick über die Gesamtsituation zu verschaffen. Und vorsorglich vorab der Hinweis: Nein, ich bin kein „Gaffer“. Solche Zeitgenossen traf ich allerdings an einigen Stellen an. Wie am Montag (25. Juli) in Schöna in der Nähe des Zirkelsteins: Dort hatte es sich ein Pärchen auf einer Bank vor einem staubtrockenen Kornfeld gemütlich gemacht und betrachtete versonnen die riesige braune Qualmwolke, die über dem Großen Winterberg stand – ob die beiden dabei rauchten oder Picknick machten, habe ich nicht gesehen, es hätte jedenfalls zu der kuscheligen Szene gepasst. Während die Löschhubschrauber ununterbrochen kreisten und ihre Ladung abwarfen. Ja, ein bisschen Romantik muss schon sein, wenn man schon den Urlaub nicht uneingeschränkt genießen kann, gell?

Am Dienstag stieg ich zum höchsten Punkt des Elbsandsteingebirges, dem Hohen Schneeberg (Děčínský Sněžník, 723 m ü.NN), hinauf. Von dessen Turm aus konnte man vor allem die Ausmaße der Verwüstung auf tschechischer Seite erkennen. Die Brände wüteten derweil heftig weiter. Besonders betroffen waren in diesem Moment – soweit man das aus dieser Entfernung sehen konnte – große Bereiche um das Prebischtor und die Auerhahnwände. Der Wind hatte sich über Nacht gedreht und wehte nun stärker aus westlicher Richtung, was offenbar immer wieder neue Brandherde anfachte. Besonders wüteten die Feuer zu diesem Zeitpunkt anscheinend auf Höhe Hrensko/Edmundsklamm. Die riesige Qualmwolke, die am Montag über dem Großen Winterberg gestanden hatte, zerteilte sich nun mehr und mehr in Richtung Osten, weit in das Böhmischen Mittelgebirge hinein, bis zum Rosenberg. Auch in der Sächsischen Schweiz auf deutscher Seite sah ich wieder Rauchsäulen, sie schienen aus Richtung Kleiner Winterberg / Affensteine aufzusteigen – was man allerdings vom Hohen Schneeberg aus nicht genau ermitteln konnte. In der Nacht zum Dienstag waren in der Böhmischen Schweiz Teile der Ortschaft Mezná den Flammen zum Opfer gefallen; in Hrensko wurden ca. 50 Menschen evakuiert, als die Feuer mehrere Gebäude erreicht hatten. 

Nein, ich gehöre nicht zu den Gaffern

Am Mittwochnachmittag war ich am Schaarwändeweg, oberhalb von Mittelndorf, um die derzeitige Situation fotografisch zu dokumentieren. Von diesem Standort hat man einen guten Überblick über große Teile der hinteren Sächsischen Schweiz – vom Großen Zschand bis zu den Schrammsteinen. Dem ersten Anschein nach schien sich dort die Lage offenbar etwas zu entspannen. Die riesige Rauchwolke war verschwunden, vereinzelte Brandnester am Kleinen Winterberg und im Bereich der Bärenfangwände/Pechofenhörner wurden gerade mit drei Löschhubschraubern bekämpft. Am Wanderparkplatz Schaarwändeweg hatten sich übrigens auch wieder etliche Personen mit gezückten Smartphone-Kameras eingefunden. Minuten später wurde ich dann noch von einem eintreffenden Kamerateam von MORGENPOST/Tag24 interviewt, die mich wohl zuerst für einen dieser Schaulustigen gehalten hatten.  

Die Lage blieb jedoch auch am Mittwoch weiterhin kritisch. Wie Sächsische.de berichtete, hatten sich die Brände von böhmischer Seite her in Richtung Großer Zschandbach nach Sachsen ausgeweitet. Der Große Zschand ist das größte Trockental der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, den man, ohne Steigungen zu überwinden, durchwandern kann – deshalb diente er bereits vor 200 Jahren als Handelsweg nach Böhmen. Nach Nordosten hin wird er begrenzt durch die Thorwalder Wände mit der Hickelhöhle, der zweitgrößten Schichtfugenhöhle der Sächsischen Schweiz. Dort hatte ich zum ersten Mal im Frühsommer 2018 den Beginn des großflächigen Fichtensterbens beobachtet, als es ununterbrochen grüne Nadeln von den Fichten „herabregnete“ und der ganze Wald roch, als hätte es in einer Fabrik für Fichtennadel-Badezusatz gebrannt – der Waldboden war dort damals teilweise knöcheltief mit diesen grünen Nadeln bedeckt. Fast alle Fichten wiesen extremen Borkenkäferbefall auf. Die Bekämpfung des Borkenkäfers war jahrzehntelang vernachlässigt beziehungsweise bewusst unterlassen worden, denn nach dem Konzept der Nationalparkverwaltung ist der Borkenkäfer der „Freund und Helfer des Waldes“ (nein, das habe ich mir nicht ausgedacht!). Die extreme Trockenheit des Sommers 2018 hat diesen Fichten dann den Rest gegeben. In meinem Artikel „Bei mir stirbt der Wald anders“ habe ich  kürzlich darüber berichtet. 

Nach Südwesten hin münden in den Großen Zschand die (einstmals) wildromantischen und wie verwunschen wirkenden Richter- und Weberschlüchte – heute nur noch ein trauriger Ort mit komplett zerstörten Nadelwäldern. In westlicher Richtung geht der Große Zschand – vorbei an den Raubschlüchten mit dem markant aufragenden Winterstein (dem Hinteren Raubschloss) – in den Kleinen Zschand über und danach in den Vorderen Wildensteiner Wald (unterhalb des Kleinen Winterberges und des Friensteins). Und auch dort überall jede Menge knochentrockenes Brennmaterial: tote, durch die jahrelangen Borkenkäferangriffe harzgesättigte Fichtenbestände, die teilweise gefällt, aber nicht aus den Gebieten entfernt wurden. Zwischen dem Kleinen Winterberg und dem Frienstein wurden nicht einmal markierte Wanderwege (z.B. der Königsweg) – im Brandfall notwendig, um besser an die Brandherde zu gelangen – freigeschnitten und vom Totholz befreit.

Es stellt sich mir bereits seit Längerem die Frage: Was passiert, wenn hier mal bei großer Trockenheit ein Feuer ausbricht? Nun ist mein Albtraum in schlimmster Weise wahr geworden. Hätte man auf Forstfachleute früherer Zeiten gehört und die abertausenden von Baumleichen (oder besser noch vorher die vom Borkenkäfer befallenen Bäume) rechtzeitig aus der Kernzone und den Naturzonen A/B entfernt, dann wäre uns ein solches Inferno erspart geblieben. 

Ein Luxuskonzept, das man sich auch leisten können muss

Wenn die Nationalparkverwaltung nicht schleunigst ihr Konzept „Natur Natur sein lassen“ überdenkt, dann ist es nicht mehr eine Frage, ob, sondern nur noch wann noch Schlimmeres passiert und sich dann vielleicht einmal eine Feuerwalze durch die Trockentäler frisst. Natürlich kann man riesige Flächen – die man dann als „Nationalpark“ etikettiert – sich selbst überlassen („Natur Natur sein lassen“), was allerdings nichts anderes als eine gigantische Verwahrlosung ist, wenn man abertausende knochentrockene, harzgetränkte Baumleichen in der Landschaft stehen lässt oder sie – aus „Sicherheitsgründen“ – lediglich fällt und liegen lässt, wo sie dann sämtliche Wege und Zugänge zu besonders gefährdeten Bereichen versperren – oder gar das Geäst dort zu riesigen Scheiterhaufen aufschichtet.

Nein, diese knochentrockenen Baumleichen verrotten nicht innerhalb weniger Jahre zu Bodendünger wie im tropischen Regenwald von Papua-Neuguinea. Ein solches Konzept ist ein Luxus, den man sich nur dann leisten kann, wenn man ein so gefährdetes Gebiet in Trockenzeiten lückenlos überwacht und jederzeit in der Lage ist, jeden aufflammenden Brandherd in kürzester Zeit zu ersticken. Das bedeutet aber, dass man neben einem umfassenden Monitoring-System auch gewaltige Löschkapazitäten mit erstklassiger Ausrüstung vorhalten (Stichwort Löschflugzeuge/Löschhubschrauber – die meisten Steilhänge, Felsformationen und Schlüchte sind mit Löschfahrzeugen überhaupt nicht erreichbar) und sie nicht erst im Ernstfall bei der Bundeswehr oder sonstwo ordern muss. Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass diese Ausstattung für ein solches „Konzept“ die Möglichkeiten der Nationalparkverwaltung um ein Vielfaches übersteigt.

Übrigens: Im Laufe von vier Jahren (2014–2018) schrumpfte die Anzahl der Beschäftigten des Staatsbetriebs Sachsenforst von 1.328 auf 1.255 (Kleine Anfrage Drs. 6/17114, Seite 5/7). Darüber, wie viele es heute sind und wie viele davon wohl als Waldarbeiter für den Nationalpark abgestellt sein mögen, liegen mir leider keine Informationen vor.

Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen: Deckt ihn wenigstens jetzt ab, bevor das nächste hineinfällt. Den ganzen Schaden wird man erst im Laufe der nächsten Monate und Jahre ermessen können. Ich denke dabei schmerzvoll an den Verlust von hunderten Baum-Denkmälern und Felsenkiefern, zerstörte Nist- und Schutzplätze von Tieren, die Vernichtung vieler bodenlebender, vielfach sogar geschützter Arten... – Ja, ich weiß, die Natur regeneriert sich selbst – das ist, bei all der Tragik, die gute Nachricht.

Ein Facebookfreund von mir, dessen Familie in der Sächsischen Schweiz wohnt und seit fast hundert Jahren Waldbesitzer ist, hat es so formuliert: „Ich sage Euch, unterschätzt nicht die Selbstheilungskräfte der Natur, in drei Jahren ist dort alles wieder grün, der Brand, so schlimm er ist, war dann lediglich eine ‚Schnellkompostierung‘; Holzasche ist prima Dünger. Die schwarzen Baumleichen sind nicht der Schaden, schade ist es um jedes Tier, Schlangen, Käfer, die sich nicht, den Vögeln gleich, in Sicherheit haben bringen können.“ 

Und zum Schluss noch ein paar Gedanken zu den möglichen Ursachen der verheerenden Brände: Meiner Kenntnis nach werden rund 90 Prozent aller Waldbrände durch Brandstiftung oder rücksichtsloses und fahrlässiges Handeln verursacht. Zeitgenossen, die seelenruhig in den Wäldern rauchen (ich habe schon oft beim Wandern weggeworfene Kippen gefunden), bei größter Trockenheit gar an der Bastei Shisha rauchen, beim Picknick an der Schrammsteinaussicht auf dem mitgeschleppten Spirituskocherchen Suppe heißmachen, die Felsen und Wanderwege mit Graffiti-Schmierereien verschönern oder glauben, ihre Wünsche nach Abenteuerromantik mit Lagerfeuerchen ausleben zu können, haben hier im Nationalpark Sächsische/Böhmische Schweiz nichts zu suchen. Und nun komme bitte niemand auf die Idee, hier in Sachsen sei man fremdenfeindlich, weil man zivilisiertes Verhalten einfordert.

Foto: Stefan Klinkigt

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Matthias Römer / 31.07.2022

Der Zirkelstein ist weit genug vom Brandgebiet entfernt, wer dort zuschaut, der behindert niemanden. Man konnte aber von dort aus sehr gut beobachten, wie die tschechischen Hubschrauber ununterbrochen das Feuer bekämpften. Am Abend des Tages, an dem das Waldbetretungsverbot ausgesprochen wurde, gab es schon die ersten Platzverweise und Bußgelder (siehe Link von Tag24 im Artikel). Ausgerechnet am Zirkelstein. Beim Brand der Balzhütte auf tschechischer Seite vor einiger Zeit war auch sofort ein Löschhubschrauber in Einsatz, bei den beiden Bränden an der Bastei musste sich die Feuerwehr mühsam durch das unwegsame Gelände vorkämpfen. Nach fast einer Woche Feuer hat man nun wohl auch bei uns erkannt, dass man den Waldbrand effektiv aus der Luft bekämpfen kann. Vermutlich wird man es schnell wieder vergessen.

Sirius Bellt / 31.07.2022

@Manfred Knake. Der beste und fundierteste Kommentar zu dieser Thematik kommt - wie so oft - von Ihnen.

Wolfgang Bartl / 31.07.2022

Das Sterben meiner Heimat, ganze Wälder sind einer Illusion zum Opfer gefallen, tut sehr, sehr weh. Mit der Unterschrift zum Nationalpark und den daraus resultieren, ‚Pflichten‘  zum ‚Natur, Natur sein lassen‘ war ein Ende großer Teile der Sächsischen Schweiz besiegelt! Nach der brachialen Holzernte in weiten Teilen vom ‘Kleinen Zschand ‘etc., was ist aus deren Erlösen geworden, blieben Maßnahmen gegen den Borkenkäfer Fehlanzeige. Wo sind die vom Ministerium dafür ausgelobten 18 Millionen (SZ berichtet 2018) verblieben? Ich habe davon in den Wäldern nichts gefunden. Stattdessen wurde dem Hobby des NP-Leiters, Kampf gegen die Rot Eiche, gefrönt. Gesunde Bäume wurden im Kerngebiet gerendert..! Nun, das Kind war spätestens 2018 in den Brunnen gefallen sah man dem Sterben zu. Statt nun zu handeln, Wege gefahrlos frei zu schneiden, Warten, bis auch größere Maschinen nicht mehr gefahrlos einzusetzen waren… Wann und weshalb es brennen wird war nur eine Frage der Zeit. Der grüne Umweltminister spricht von einer noch nie dagewesenen Tragödie seit Menschengedenken. Dietmar Schubert hat es oben in seinem Kommentar richtig erwähnt:  ein Steingraffiti in der Weberschlucht erinnert an den verheerenden Waldbrand 1842. Viele Schlüchte wurden nach 1990 zum ‚Schutz‘  unbegehbar gemacht. In der Erzgebirgszeitung von (Teplitz) 1905 beschreibt Bernhard Störtzner sehr genau die heute 2022 wieder eingetretenen tragische Situation.

Ulli Kaden / 31.07.2022

Zunächst einmal ist nicht jeder, der aus kilometerweiter Entfernung das Desaster betrachtet ein “Gaffer”. Zu den Ursachen der Brände wurde bereits alles gesagt. Touristen werden aufgefordert, trotzdem zu kommen, allerdings stellt sich mir die Frage, wo die dort einkehren sollen. Eine Gaststätte nach der anderen hat zugemacht, Besserung ist nicht in Sicht. Unabhängig von den Bränden: eine touristisch beworbene Region sieht anders aus. Und kleine Schlussbemerkung: während alle anderen noch schliefen, haben die pöhsen rechten “Freien Sachsen” sofort angepackt und mehrere Hilfslieferungen mit Getränken und Verpflegung nach Bad Schandau gebracht, wo sie an die Feuerwehrleute und THW- Helfer verteilt wurden, die dort im Dauereinsatz sind.

K.Lehmann / 31.07.2022

Nach dem Mauerfall haben ganze (Grün)Vereine Wälder in der Ex-DDR gekauft und für den normalen Spaziergänger den Zugang verboten. Siehe Märkische Schweiz.Auch Waldpflege wurde untersagt, wie heutzutage auch in den Berliner Wädern.,

Milan Viethen / 31.07.2022

Hr.Schauberger, mache die Portogiesen schon, gebranntes Holz ist billiger und Eukalyptus eintypisch einheimische Baumsorte .

Ingrid Schmall / 31.07.2022

In Deutschland gibt es kein Löschflugzeug, soweit ich weiß. Die Transporthubschrauber könnten eine ungünstige Thermik entfachen. Ich habe manchmal den Eindruckruck, dass man Totholz z.B an Autobahnen stehen lässt, damit sie als Mahnmale im Klimawandel fungieren können.

Gus Schiller / 31.07.2022

Jede Krise bietet auch Chancen. Auf den neuen Freiflächen lassen sich doch prima Windräder und Solarmodule aufstellen. Die Forstwirtschaft kann ja auf Weinbau umstellen. Also nicht verzagen sondern anpacken damit die Wende endlich vollzogen werden kann.

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