Die ersten Renegaten zu einer Glaubensrichtung sind naturgemäß überproportional oft extremere Charaktere, da sich mit einem ganz normalen Leben den Stress niemand antut. Das gilt auch für Revolutionäre und aktive Vorreiter. Mit dem Erreichen der Ziele (neue Richtungen; ankoppeln von Glaubensrichtungen an eine breitere Realität) sind die Renegaten, Vorreiter und Revolutionäre dann leider oft “verbraucht” und andere Leute, zum Teil alte Gegner, die Teile der Argumente übernommen haben (wie der Artikel ausführet), übernehmen das Zepter. Das ist oft gar nicht so schlecht, weil es zu einem breiteren Konsens führt, aber es ist natürlich doppelt unfair für die Renegaten: erst müssen sie als Außenseiter durchkommen und werden als solche beschimpft und dann müssen sie als zu Extreme der neuen Richtung Platz machen. Aber wie gesagt, es ist oft am Ende der bessere Weg. (Und man muss sehen, dass von den alten Gralshütern auch viele ausgemustert werden). In diesem Sinne könnte man vielleicht ein Denkmal und Gedenktag für alle tragischen Renegaten, Vorreiter und Revolutionäre einführen.
Dieser Artikel brachte mich zum Nachdenken und mir fällt auf, dass Frauen zur Zeit in Politik ( und Öffentlichkeit ) nicht gerade durch Verstand und Intelligenz von sich reden machen. Eher durch Dummheit und Unflätigkeit ( Ausnahme Sarah Wagenknecht ). Ich frage mich ...Dazu dann noch dieser unsägliche mee too Blödsinn.
Als Techniker habe ich mich daran gewöhnt (man braucht etwa 10 Jahre dazu), dass nur sicher ist, was man mit einer Reserve zeichnen und berechnen kann. Dieses in der Politik übliche “...das hält schon stand…” ist mir ein Graus. Denn, es ist der Verzicht auf die Sicherheit der Tragfähigkeit. Eine Unterlassung, die stets negative Folgen hat. Wer weiss, dass der DIESEL keine messbaren Wirkungen auf die Gesundheit hat, zieht daraus richtige Schlüsse. Wer ausrechnen kann, dass sein DIESEL 20.000 € an Marktwert wegen “Rufmordes” verlor und ein Elekro-Hyundai 32.000 € kostet, ohne NK, ist vollbedient. Weil keine Kompensation aus der Portokasse möglich ist. Wer dann auch noch erfährt, dass eine Toyota-Lobbygruppe in Leipzig vor dem OverwG obsiegte, ist endgültig rand-satt.
Au ja, mir sind in meinem Leben (insbesondere seit meiner Befreiung aus der DDR) auch schon diverse Wände entgegengefallen… Die Achse hat daran einen sehr wichtigen Anteil. Vielen Dank für diesen tollen Text!
Kritiklose Frömmigkeit gibt es nur an den Teichen der Feen des Sterbens.
Es gibt da diesen treffenden Ausspruch: “Den Fortschritt verdanken wir den Unzufriedenen; zufriedene Menschen wünschen keine Veränderungen”. Wer auch nur ein Fünkchen Verstand besitzt und sich das Selbstdenken nicht gänzlich aus der Hand nehmen ließ, der wird bei jeder Ideologie früher oder später auf Widersprüche im Abgleich mit der Realität stoßen und dann feststellen, dass von der überzeugten Gemeinschaft eine realistische Betrachtung nicht gewünscht wird. Wer darob nicht unzufrieden wird, dem ist halt das Dazugehören wichtiger. Insofern zeichnet Renegaten wohl eher der Mut zur näheren Betrachtung des Zweifels und zum autonomen Denken aus. Ich halte das für intelligent und aufrecht. Oder wie man bei uns zu Hause sagt: Der Realität ist es egal, wer und ob überhaupt jemand an sie glaubt.
„Zweifel schleichen sich ein, man kratzt an der ideologischen Tapete und plötzlich kommt einem die ganze Wand entgegen“ - sehr treffend beschrieben! Als mir die ganze Wand entgegen kam, bin ich ausgetreten. Und schüttele heute manchmal den Kopf darüber, was ich damals so glaubte. Ein spezieller Aspekt bei den Grünen, ganz stark ausgeprägt in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens, war ja die Überzeugung, alles in moralischer, politischer — ach, einfach in jeder — Hinsicht besser zu wissen und überhaupt besser zu sein als die anderen. Man pflegte ein ausgeprägter Feindbild gegenüber allem, was konservativ oder liberal war. Typisch für Ideologen. Hinzu kam bei vielen, wenn nicht den meisten, eine gewisse Heuchelei. Man predigte Wasser und trank Wein. Man pries Multikulti, zog aber wegen der Schulen in bessere Stadtviertel, wenn die Kinder ins Schulalter kamen. Man hielt Flugreisen für äußerst bedenklich, flog aber nach Kreta, Gomera und gerne auch weiter, wann immer es ging. Ich denke nicht, dass sich diese Haltung geändert hat. Ich glaube nicht, dass Boris Palmers Positionen bei seiner Partei Gehör finden werden. Solange er von den Bürgern seiner Stadt gewählt wird, wird er von seiner Partei geduldet, danach wird er entweder vergrault oder er zieht selbst die Konsequenzen, nachdem ihm „die ganze Wand entgegen gekommen“ sein wird.
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