Boris Johnson muss sich dem Willen der Bürger beugen

Um die eigene Situation besser einschätzen zu können, ist es hilfreich, immer mal wieder über den Tellerrand zu schauen. Ein Blick ins Ausland hilft da sehr. Vor allem, wenn dieser Blick auf eine der ältesten Demokratien der Welt fällt. Gerade in den aktuellen Zeiten offenbart sich, wie wichtig eine tief verankerte demokratische Kultur ist. Besonders ausgeprägt ist diese im Vereinigten Königreich.

Aber nicht nur dort wächst das Unbehagen der Bürger angesichts einer immer größeren staatlichen Übergriffigkeit, sondern auch in vielen anderen Teilen Europas. Beschränkten sich die Proteste in der Vergangenheit auf konkrete Einzelfragen, etwa die Erhebung zusätzlicher Steuern oder das Zulassen von immer mehr ungeregelter Zuwanderung, so richten sich die Massendemonstrationen der letzten Wochen gegen eine als zunehmend repressiv empfundene Regierungspolitik, in deren Zentrum die Erlangung von immer mehr Kontrolle zu stehen scheint.

Corona wirkt dabei als Katalysator, den so manche Regierung nur allzu gerne nutzt, um bis dato nicht durchsetzbare Maßnahmen rechtfertigen und implementieren zu können. Weltweit wurden ungeahnte Umverteilungsströme in Gang gesetzt und noch vor kurzem politisch undenkbare Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten per Dekret und ohne weitere Parlamentsbeteiligung verhängt. Der Verlockung konnte auch die britische Regierung nicht widerstehen. Trotz erheblicher Kritik an der Art der statistischen Erfassung und den Modellen der Corona-Berater sowie ernstzunehmender Hinweise auf die Fragwürdigkeit vieler Maßnahmen konnte Johnson im Herbst 2020 monatelange Freiheitsbeschränkungen durchsetzen, die zum Teil noch restriktiver waren als hierzulande.

Die Gegenwehr hielt sich im Rahmen, was nicht zuletzt dem ausgeprägten britischen Pragmatismus geschuldet war, mit dem man Krisen auszusitzen vermag. Als jedoch im Frühjahr immer deutlicher wurde, dass die angekündigte Apokalypse ausgeblieben und auch für die Zukunft nicht zu erkennen war, begehrten die freiheitsliebenden Briten auf. Der Druck auf den Premierminister wuchs, was zur Erstellung eines Ausstiegsfahrplans aus den Corona-Beschränkungen führte. Johnson war derart in die Bredouille geraten, dass er seinen Bürgern das Versprechen geben musste, die „Roadmap“ sei unumkehrbar. Verantwortlich für die klare Ansage war neben der Stärke des Souveräns auch eine funktionierende „Vierte Gewalt“, die sich nicht etwa wie in Deutschland als Helferin der Regierung begreift oder als Erziehungsberechtigte der Regierten, sondern als Korrektiv gegenüber einem Staat, der sich zu viel Macht, Kontrolle und Einflussnahme anmaßt.

Den Impfpass wird es nicht geben

Mittlerweile sind bis auf eine teilweise geltende Maskenpflicht keinerlei Beschränkungen mehr in Kraft. Allerdings nutzen die nach wie vor einflussreichen Corona-Hardliner die Rückkehr zur weitgehenden Normalität zum erbitterten Kampf für ihre stärkste Waffe: Die Einführung eines verpflichtenden Impfpasses, mit dem jeder Bürger des Landes sich die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verdienen soll. Das vor allem in Deutschland inzwischen kaum mehr hinterfragte Narrativ, dass Grundrechte nur noch für jene uneingeschränkt gelten, die sich ihrer durch Folgsamkeit würdig erweisen, war in einer so gefestigten Demokratie wie der britischen allerdings nicht durchzusetzen. Nun hat Gesundheitsminister Sajid Savid eingelenkt: Den Impfpass wird es nicht geben.

Vorausgegangen waren wochenlange Proteste, die den deutschen Nachrichtenkonsumenten medial vorenthalten blieben. Johnson wäre aber nicht Johnson, würde er sich nicht noch ein Hintertürchen offenhalten, wenngleich er weiß, dass ein verpflichtender Impfpass wegen der tief in der britischen DNA verankerten Abneigung gegen eine staatliche Erfassung der eigenen Daten ihn sein Amt kosten könnte. Aus demselben Grund kennt man im Vereinigten Königreich kein Einwohnermeldewesen.

Während also die Bürger in einer funktionierenden Demokratie die Macht haben, ihre Regierung zur Umkehr zu bewegen, lässt man sie in Deutschland häufig nicht einmal mehr ungehindert von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen. Was nicht minder schwer wiegt, ist die Offenheit, mit der die herrschende Politik Kritiker ausgrenzt, diskreditiert oder gar beleidigt und dabei von Medien und Gesellschaft stehenden Applaus erhält.

Deutschlands Regierende haben dafür gesorgt, dass ihnen Andersdenkende politisch nichts mehr anhaben können, indem sie die Gewaltenteilung aufgeweicht und die Grundrechte an Bedingungen geknüpft haben. Zu Wort gemeldet hat sich in diesen Tagen übrigens auch Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, um jeden als „Bekloppten“ zu diffamieren, der sich davor scheut, sich nicht hinreichend getestete Wirkstoffe mit unausgereiften Verfahren spritzen zu lassen. Ob er auch all jene meinte, die aus religiösen Gründen nicht zur „Impfung“ bereit sind? Oder den Kreis der Bevölkerung, der als Mediziner, Elternteil oder Vorerkrankter wohlbegründet lieber abwartet? Im Abwärtsstrudel des aufziehenden Gesundheitstotalitarismus schauen wir wehmütig nach England. Und nach Schweden. Und nach Dänemark. Und in die Niederlande. Und so weiter.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Liberale Warte.

Foto: Top Gear/Screenshot

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Leserpost

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Werner Liebisch / 13.09.2021

Es wird auch hier irgendwann mal enden, vorher wird halt noch der Impf-Druck erhöht. Wohin mit dem ganzen Sondermüll der übrigbleibt? Millionen Dosen umsonst gekauft, man darf doch denen nicht nochmal die selben Fehler wie bei der Schweinegrippe vorwerfen. Die Kanzlerin der Impfstoffhersteller, die Kanzlerin der Impfstoffe die auf dem Müll landen, die Kanzlerin verbrannten Steuergeldes…

Jo Pabst / 13.09.2021

Eine ganze Bevölkerungsgruppe als Idioten zu diffamieren, Ist das nicht Volksverhetzung und müßte da nicht Staatsanwaltschaft und Staatsschutz anrücken um Gaucks Büros und Wohnung zu durchsuchen: Was passiert, wenn ich Gauck sein Kompliment zurückgebe und ihn als Idioten bezeichne? Bleibe ich dann auch auch von Staatsschutz und Co verschont oder gilt dann die Regel: Alle sind gleich, aber einige gleicher?

Uta Buhr / 13.09.2021

Es ist schon pervers, was unsere Polithanseln sich gegenüber den sie üppig alimentierenden Bürgern meinen herausnehmen zu dürfen. Da bezeichnet der Sozi Gabriel das Volk als “Pack”, weil es sich erlaubt, eine eigene Meinung zu vertreten, die - horribile dictu -  mit seiner eigenen nicht übereinstimmt. Und Gauck, der sich immer so gern als Kritiker des DDR-Regimes geriert, ohne es je gewesen zu sein, redet von Bekloppten und Spinnern. All diese Beleidigungen bleiben weitestgehend unwidersprochen. Wenn aber ein junger Spund hier in Hamburg aus Ärger über einen masken- und abstandslos feiernden Senator, der junge Leute für genau dieses Benehmen rügt, eine flapsige Bemerkung postet, schlägt das Gesetz mit voller Härte zu. Nicht genug damit, dass vom Innensenator Strafanzeige gestellt wurde. Nein, die Wohnung, in der man den Jüngling vermutete, wurde morgens um sechs Uhr von mehreren Polizisten durchsucht und der PC des “Delinquenten” konfisziert. Das nenne ich verhältnismäßig! Diese mehr als peinliche Lachnummer hat es inzwischen bis in die Schlagzeilen der Washington Post geschafft. Manche sprechen schon von “Pimmelgate.” Ein toller Lacher an einem trüben Septembertag. Unsere Politikerdarsteller mutieren mehr und mehr zu Schneeflöckchen, die beim geringsten Anlass total aus der Fassung geraten und anfangen zu greinen. Man kann sich für dieses doofe Land und seine Repräsentanten nur noch fremdschämen.

B. Dietrich / 13.09.2021

Habe heute morgen auf Empfehlung meines Android-Firefoxes fassungslos einen ZON-Artikel gelesen, auf der die faktenorientierte woke ZEIT-Wissenschaftsjung’journalistin’ dem RKI vorhält, es würde die Intensiv-Belegungszahlen derzeit als viel zu niedrig angeben, weil Menschen, die irgendwann, Wochen oder Monate zuvor (ohne Erkrankung!) einen positiven Covid-TEST hatten, bei heutiger Einlieferung auf Intensiv gar nicht mehr als Covid-Fälle erfaßt würden. Täte man dies (wie die Redakteurin es getan hat), würden die Zahlen der Covid-Kranken auf Intensiv so schön nach oben schnellen, dass man auf Monate Stoff für weitere Panikattacken hätte. Was mich aber endgültig sprachlos gemacht hat, ist die auch hier absolut merkbefreite und dummbeutelige Lesermeute, die auf jeglichen Versuch, durch Kaprizierung auf die tatsächlichen Belegungszahlen allmählich hierzulande mal etwas runterzuregeln, geradezu panisch und höchst aggressiv reagiert. Wo hier die Blöden sitzen und mit welcher Verve sie jeglichen Anflug rationalen Nachdenkens hintertreiben, begreift Herr Gauck offensichtlich nicht. Eine Mehrheit von Bürgern, die sich ihre widerrechtlich entzogenen Grundrechte lautstark zurückerobern, sehe ich die nächsten hundert Jahre in Schland leider nicht!

Fred Burig / 13.09.2021

“.... hat sich in diesen Tagen übrigens auch Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, um jeden als „Bekloppten“ zu diffamieren,  der sich davor scheut,.....”. Diese alte Ratte kann es einfach nicht lassen! Nach der Wende hatte er sich schon gleich - in überhöhter Selbstwahrnehmung - die Oppositionsrolle in der DDR zugeschrieben. Später - in neuen Ämtern -schwenkte er ebenso rückgratlos sein Fähnchen nach dem Wind, was in den Lobeshymnen über die afrikanischen “Goldstücke” seinen Höhepunkt fand. Und nun auch noch dieser “Aussetzer”! Für mich bestätigt sich dadurch nur meine Meinung über ihn, dass er ein ausgesprochener Dummschwätzer ist. MfG

S.Wietzke / 13.09.2021

Es ist doch schön, dass es auch in der Nähe noch Länder gibt, in die man auswandern kann. Das ist dann doch mal ein echter Vorteil der EU (wird bestimmt irgendwann abgeschafft). Nach Fall des eisernen Vorhangs sind auch östlich landschaftlich sehr schöne Regionen hinzugekommen die von freundlichen Menschen mit gegenüber Deutschland deutlich geringerer Beklopptenquote bewohnt werden. Die Sprachen sind zwar für insbesondere für nicht so Sprachbegabte eine Herausforderung, aber mit etwas Mühe und gutem Willen kriegt man das für den Hausgebrauch mit der Zeit bestimmt hin.

Hans Reinhardt / 13.09.2021

Ich weiß gar nicht, was sie wollen, Herr Peymani. Auch in Deutschland beugt sich die Regierung dem Willen der Bevölkerung. Wir übersehen hier auf der Achse leicht, dass eine überwiegende Mehrheit der Deutschen die Corona-Maßnahmen nicht nur begrüßt, sondern das sie ihnen gar nicht weitgenug gehen können. Wo man auch hinhört, stehen sie, von einigen Ausnahmen abgesehen, schon in den Startlöchern für die dritte Impfung ohne die sie den Winter ganz bestimmt nicht überleben werden. Die Maske streift man sich ohne Nachdenken über, sie gehört mittlerweile zum Outfit wie etwa Socken oder Unterwäsche, oft auch im gleichen hygienischen Zustand. Impfverweigerer dürfen von jedem Schwachkopf ohne Folgen befürchten zu müssen als “Bekloppte” oder “Sozialschädlinge” beleidigt werden, das interessiert längst kein Gericht mehr und als die Lohnfortzahlung im Falle einer Erkrankung an Covid-19 für sie gestrichen wurde, haben Sie da auch nur einen Muckser von den Gewerkschaften gehört? Ich nicht. Nein, nein, Corona und die Deutschen, hier wächst zusammen, was zusammen gehört und ich würde als Politiker einen Teufel tun und mich in diese Romanze einmischen. (tun sie ja auch nicht und 89% der Deutschen werden ihnen am übernächsten Sonntag dafür danken)

U. Unger / 13.09.2021

Ich hatte in GB beides erwartet. Vernünftige Bürger und einen vernünftigen Premierminister. Pragmatisch trifft es. Auch statt wie noch im Frühjahr 2020 verkündet, Steuern zu senken, macht BJ, dass was ein verantwortlich regierender PM zu tun hat, wenn ungeplant Finanzierungspläne platzen: Steuererhöhung. Kein Problem für eine Regierung in einem Land, wo jedem neugeborenen Kind klar ist, dass es nichts im Leben umsonst gibt. Monatelange Coronaferien schon gar nicht. Mit diesem Wissensvorsprung gegenüber der EU ist für mich klar, daß schon in 2 bis 3 Jahren der Erfolg des Brexit nicht mehr zu leugnen sein wird.

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