Ramin Peymani, Gastautor / 26.05.2019 / 16:00 / Foto: Kuhlmann/MSC / 16 / Seite ausdrucken

Boris Johnson: Das nächste Feindbild

Theresa May hat es endlich eingesehen: Ihre Zeit ist um. Am 7. Juni wird sie als Parteivorsitzende der Konservativen und damit folglich auch als Premierministerin des Vereinigten Königreichs abtreten. Ihr Nachfolger steht bereit: Dem ehemaligen Außenminister Boris Johnson werden die besten Chancen eingeräumt. Er steht für einen kompromisslosen Kurs gegenüber der Führung in Brüssel und gilt als Garant für einen Austritt der Briten aus der Europäischen Union, der durch Mays Schlingerkurs zuletzt gar infrage gestellt worden war.

Nach Donald Trump ist Johnson das größte politische Feindbild der deutschen Medien. Und so veröffentlichte Spiegel-Online fast zeitgleich mit Mays Rücktrittserklärung die vorbereitete Geschichte, nach der ein britischer Geschäftsmann eine Klage gegen den ehemaligen Londoner Bürgermeister angestrengt habe. Johnson habe im Vorfeld des Brexit-Referendums 2016 fälschlicherweise behauptet, Großbritannien überweise wöchentlich 350 Millionen Pfund an die EU, wissend, dass dies nicht stimme. Er habe die Falschbehauptung mehrfach wiederholt, was „sowohl verantwortungslos und unehrlich als auch kriminell“ gewesen sei. Darüber kann man sich ärgern.

Tatsächlich ist es eine jahrhundertealte Unsitte der Politik, Wahlkämpfe mit Unwahrheiten zu führen. Justitiabel ist dies in aller Regel aber nicht. Und darüber sollten gerade die Verfechter der aktuellen Europapolitik heilfroh sein. Könnte sie für ihre politischen Lügen juristisch zur Verantwortung gezogen werden, wäre die Bundesregierung wohl nicht mehr im Amt. Die Journalisten sollten lieber nicht zu laut nach Ahndung rufen; sie sitzen selbst im Glashaus, das sie mühsam aufrechterhalten.

Klage mit keinerlei Aussicht auf Erfolg

Man braucht nicht einmal Jurist zu sein, um zu erkennen, dass die Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Dass sich das Gericht mit der Prüfung beschäftigt, ist seine Pflicht. Es muss dies tun, um die Abweisung der Klage anschließend zu begründen. Aber selbst ein unwahrscheinlicher Prozess würde mit einem Freispruch des Angeklagten enden, weil Wahlkampflügen eben nicht strafbar sind. Das ist in Großbritannien nicht anders als hierzulande.

Der Spiegel weiß das. Und alle anderen Redaktionen auch. Ihnen geht es auch gar nicht darum, zu berichten, sondern mit der donnernden Titelzeile „Boris Johnson droht Prozess“ das Narrativ in die Köpfe der Deutschen zu hämmern, hier mache sich ein von der Justiz Verfolgter auf, neuer Premierminister Großbritanniens zu werden. Selbstverständlich dient dies nur dazu, einen der Hauptakteure der Brexit-Bewegung zu kriminalisieren – und mit ihm gleich auch noch alle Befürworter des Austritts.

„Wer die Europäische Union verlassen will, steht auf der Seite des Unrechts“, lautete die klare Botschaft, die den deutschen Michel in den Stunden vor dem EU-weiten Urnengang vom vielleicht gehegten Wunsch abbringen sollte, eine andere als jene Parteien zu wählen, die vom Europäischen Bundesstaat träumen. Spiegel, Süddeutsche, Handelsblatt & Co. sind längst zu Kampfpostillen des links-grünen Milieus abgestiegen. Sie sehen ihren Auftrag offenbar nur noch darin, die Ressentiments und Ideologien ihrer Klientel zu bedienen. Dabei haben sie das Erfolgsmodell der Selbstreferenz für sich entdeckt, bei dem sie, wo immer möglich, die mit ihnen sympathisierenden Organisationen als Kronzeugen zitieren.

Perfide formulierte Headlines

Auf eine Berichterstattung, die wenigstens journalistischen Mindeststandards genügt, kommt es den Blättern nicht mehr an. Schon das ist schlimm genug. Schlimmer noch ist, dass sie mit ihrer Masche nicht nur in ihrer Blase Erfolg haben. Ihre Wirkung geht weit darüber hinaus: Mit perfide formulierten Headlines, wie das Beispiel oben zeigt, die regelmäßig irreführend und manchmal gar wahrheitswidrig sind, erreichen sie, dass Millionen von Lesern ihnen auf den Leim gehen, weil sie nicht mehr aufschnappen als die Überschrift.

Unterdessen macht sich die von Nigel Farage, dem wohl bekanntesten Brexit-Gesicht, erst im Januar gegründete Brexit Party daran, die EU-Wahlen in Großbritannien haushoch zu gewinnen. Dort wurde – wie in den Niederlanden – bereits am Donnerstag gewählt. Kolportiert wird eine Prognose von 40 Prozent der Stimmen. Deutschlands Journalisten berichten aber lieber von den sagenhaften 18 Prozent, mit denen die niederländischen Sozialdemokraten angeblich die Abstimmung in unserem Nachbarland für sich entschieden haben.

Spiegel & Co. hoffen, mit der breit kommunizierten Prognose den heute stattfindenden Wahlgang noch ein wenig beeinflussen zu können – siegestrunken von ihrem Erfolg, die ungeliebte Regierungskoalition in Österreich gestürzt zu haben. Heute wird sich zeigen, ob sich die Medienmeute mit ihrer Strategie nicht vielleicht dennoch verrechnet hat.

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 26.05.2019

@Karl-Heinz Vonderstein, „wie wenig in Deutschland […] die Brexit-Entscheidung […] respektiert wird“ — Gerade Narzissten tun sich unheimlich schwer mit Selbstkritik.

Heinrich Moser / 26.05.2019

Boris Johnson ist der Politiker, von dem ich gerade eine Churchill-Biographie und den Roman “72 Jungfrauen” gelesen habe. Wieviel deutsche Politiker, vor allem diejenigen, die ihn kritisieren, können einen geraden Satz, geschweige denn ein Buch lesen. Boris Johnson schreibt (72 Jungfrauen) lustig und mit dem typischen britischen Humor. Das Buch ist unterhaltsam und legt ein unglaubliches Tempo beim Lesen vor. Es ist eines der Bücher, die man in einem Zug durchlesen kann. Die Churchill-Biographie (eigentlich: Der Churchill-Faktor) beleuchtet die Person Churchills. Auch dieses Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend zu lesen. Manchmal ist es nicht präzise, aber es erhebt nicht den Anspruch, die guten Biographien abzulösen. Ja - wer könnte noch Bücher schreiben? Nahles? die grüne Frontfrau, ???? Aber andere Menschen abwerten. Da sind sie ganz groß.

Frank Volkmar / 26.05.2019

Herr Peymani, Sie haben Australien vergessen. Vor den Wahlen dort hat man hier medial alle Register gezogen speziell wegen der “Umweltthemen” und hier ganz speziell wegen der großen Kohlemine in Nordaustralien und dem daraus womöglich folgenden Todesstoß für das Great Barrier Reef. Hört man noch irgendetwas aus Australien ? Entgegen den Prognosen der hochgehypten Linken gewinnen die Konservativen mit einer Mannschaft laut Handelsblatt von Klimaleugnern mit Verbindungen zur Kohleindustrie und “Ein weites Netz von Lobbyisten, Medien und Politikern arbeite offen und verdeckt, um Politiker und Bevölkerung von der Bedeutung des Brennstoffs für das Wohl der Nation zu überzeugen, so jüngste Enthüllungen.” Nur die Deutschen sind mit den Grünen auf dem richtigen Weg, weltweit. Also sind wir ein zweites mal auf dem Weg die Welt mit deutschem Geiste auf den richtigen Pfad zu führen. Damals noch Erdbraun und heute Laubgrün

H.Hauke / 26.05.2019

Lieber Herr Peymani , Sie schreiben…. “Und so veröffentlichte Spiegel-online fast zeitgleich“.......aber Sie meinen, dass der Spiegel etwas „fast gleichzeitig“veröffentlicht hat. Fast zeitgleich ist wie ein bisschen schwanger.  Entweder ist etwas zeitgleich oder es ist nicht zeitgleich. Hinzu kommt, dass man nicht einfach zusammengesetzte Wörter umdrehen kann: Ein Reisebus ist keine Busreise, eine Salatgurke ist kein Gurkensalat und zeitgleich ist nicht gleichzeitig. Viele Grüße

Karl-Heinz Vonderstein / 26.05.2019

Immer wieder erstaunlich, wie wenig in Deutschland, besonders innerhalb der politischen Elite des Landes und unter deutschen Journalisten, die Brexit-Entscheidung der Briten für einen Austritt Großbritanniens aus der EU, bis heute respektiert wird. Man stellt es immer so da in den deutschen Medien, als wenn die Mehrheit der Bevölkerung in UK nur deshalb für den Brexit gestimmt hätte, weil sie praktisch von den Beführwortern des Brexit mit Fake News und falschen Zahlen bombardiert worden seien.Anstatt mal danach zu fragen, ob die Briten auch Gründe dafür haben könnten, warum sie mehrheitlich skeptisch zur EU stehen und es z.B.mit der EU-Bürokratie und dem EU-Parlament und deren Bevormundung der Mitgliedsländer zu tun haben könnte oder vielleicht auch mit der Migrationspolitik von Frau Merkel oder der Finanz-Politik Deutschlands (Eurokrise) gegenüber den Griechen und anderen Mitgliedsländern im Süden Europas.

Michael Müller, Prof. Dr. / 26.05.2019

Wieso bloß lese ich keine gedruckten Zeitungen mehr? Und auch sonst nichts von der Mainstream-Presse, außer ein wenig FAZ-online, weil man sich noch am ehesten mit dieser inhaltlich auseinandersetzen kann?? Wieso lese ich achgut und andere blogs? Weil ich die Dauerbevormundung derartig leid bin, daß ich einen Blick in die “normale” Presse nicht mehr ertrage. Und aus dem gleichen Grund habe ich mir auch das Fernsehen komplett abgewöhnt, außer 22 Leute rennen hinter einem Ball her: das ist bisher noch nicht als Dauerkampf beider Mannschaften gegen “rechts” stilisiert worden. Ohne das Internet und die alternativen Blogs gäbe es für mich keine Berichterstattung über Politik.

W.Schneider / 26.05.2019

Der Spiegel und andere “Leitprinter” biedern sich doch geradezu an, damit man endlich als Staatsmedium alimentiert wird. Dann spielt die Abbonentenzahl keine Rolle mehr und man kann frei drauf losschreiben. Bei ARD und ZDF klappt es doch auch.

Anton Geiger / 26.05.2019

“Perfide formulierte Headlines”, die inhaltlich (so) nicht gedeckt sind: Das ist doch in Bezug auf die AfD trauriger Standard. Man will die AfD medial in die rechtsextreme Ecke prügeln in der Hoffnung, dass sich das im Sinne einer self-fulfilling Prophecy realisiert. Das ist im Hinblick auf unsere jüngere Geschichte doppelt verabscheuungswürdig.

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