Gunnar Heinsohn / 22.12.2019 / 06:27 / Foto: Pixabay / 56 / Seite ausdrucken

Boris-Britannia, die neue Mega-Schweiz

Die beiden Landkorridore im amerikanischen Westen – mit den Bundestaaten Washington, Oregon und Kalifornien am Pazifik sowie östlich davon Idaho, Nevada und Arizona – haben 2019 zusammen 63,8 Millionen Einwohner. Man muss noch Nebraska und Wyoming obendrauf legen, um die 66,4 Millionen Einwohner Großbritanniens zu erreichen.

Unter den zehn besten Universitäten der Welt belegen jene acht US-Bundestaaten – mit einer Fläche von 1,9 Millionen Quadratkilometer – die Plätze 3 (Stanford) und 5 (Caltech). Mit Oxford (1), Cambridge (2) und dem Imperial College in London (9) fallen drei an die Briten mit ihren knapp 0,25 Millionen Quadratkilometern. Selbst unter den besten dreißig Universitäten gibt es keine einzige aus der Rest-EU, aber drei weitere aus dem Königreich und vier aus Amerikas Westen.

Wer den akademischen Elfenbeintürmen ökonomisch wenig zutraut, wird eher nach zukunftsträchtigen Firmen Ausschau halten. Unter den global  428 Unicorns vom Jahresende 2019 – Startups mit mindestens einer Milliarde US-Dollar Börsenwert – stellen die Briten 22, während die 450 Millionen Menschen der Rest-EU mit 26 Firmen – davon 12 aus der Bundesrepublik – kaum besser abschneiden. Das Vorbild für alle bleiben allerdings die Amerikaner, die  Großbritannien bei der Bevölkerung nur um den Faktor fünf übertreffen, bei den Unicorns aber fast zehnmal so stark sind.

Es geht in beiden Regionen mithin um ausgesprochene Sahnestücke der Anglo-Sphäre. Solche Schätze will man halten oder wenigstens anlocken. Sind beide Wege verstellt, hätten selbst Anträge auf Anschluss nichts Aberwitziges. Hier entsteht für andere Europäer eine bisher noch kaum sondierte Alternative.

„Wir entscheiden auf Grund von Talent"

Woraus erklärt sich die eklatante Differenz zu Westeuropa? Bei der mathematischen Schülerolympiade (TIMSS) von 2015 liegt – hinter den ostasiatischen Dauersiegern – Nordirland vor dem Rest der übrigen Welt beim Anteil der Kinder in der höchsten Leistungsgruppe (272 von 1000). Nach Russland (198/1000) folgt bereits England mit 168 von 1000. Schotten und Waliser sind damals nicht dabei, sollten sich aber ebenfalls nicht verstecken müssen. 

Die ganz Großen der Rest-EU sind bereits in eine dritte Liga abgerutscht. Deutschland schafft 53 von 1000, Italien 42 und Frankreich 25. Vor letztere schiebt sich die Türkei mit 47 von 1000. Die böse Rede mancher Brexiteers von der Ankettung des Königreiches an einen „verwesenden Leichnam“, der es mit herunterziehe, findet hier ein Stück weit Aufklärung. Gleichwohl kann es noch viel tiefer gehen. Über 170 Nationen haben weniger als 10 Begabungen unter 1000 Kindern. Sie liegen deshalb auf den Weltmärkten nicht einfach hinten, sondern rutschen weiter ab. Selbst Frankreich pflegt da noch einen respektablen Sicherheitsabstand.

Doch die Briten wissen, dass die kognitive Überlegenheit gegenüber dem Kontinent allein für die Konkurrenz gegen Ostasien nicht ausreicht. Deshalb formulieren Johnsons Tories vor der Wahl am 12. Dezember 2019 ganz unverstellt: „Wir entscheiden auf Grund von Talent und erwartbarem Nutzen, wer in dieses Land kommt. […] Nur durch Einwanderungskontrolle, also durch die Beendigung der Bewegungsfreiheit, können wir die von Wirtschaft, Kommunen und Verwaltung verlangten Hochqualifizierten gewinnen. Es wird weniger Unqualifizierte geben.“

Auf dem Kontinent kann allein die Schweiz den Briten noch etwas vormachen. Bei den Matheschülern steht sie näher bei Nordirland als bei England. Selbstbewusst prunkt die Nationalbank im März 2019 mit der Emission neu gestalteter 1000-Franken-Noten. Nicht zufällig erfolgt das gleichzeitig mit dem Einzug der 500-Euro-Noten. Er soll dem diskreten und doch gehaltvollen Umschlag den Garaus machen. Boris Johnson kann auch hier noch weit nach vorne kommen. Während Schottland und Nord-Irland wenigstens noch 100-Pfund-Noten herausgeben, ist der gewöhnliche Engländer immer noch auf magere Fünfziger beschränkt. Das von der EZB ohne Not geräumte Gelände könnte die Bank of England mit 500-Pfund-Noten also umstandslos besetzen. 

Die Euro-Nomenklatura mag sich grämen. Die Bürger hingegen hätten zusätzlich eine zweite und obendrein unantastbare Mega-Schweiz. Welcher deutsche Finanzminister würde – wie Peer Steinbrück 2009 Richtung Bern – die Nuklearmacht mit der Kavallerie oder gar mit einer jahrelang nicht einsatzbereiten Bundesmarine bedrohen? 

Vielleicht käme sogar das Bankgeheimnis zurück. Knapp 80.000 Reichen aus der Fremde schaut London schon heute nicht in die Tasche. Sie müssen also nicht verraten oder gar versteuern, was sie andernorts verdienen. Ohne großes eigenes Zutun kann das neue Britannien mit jedem weiteren Anziehen der Daumenschrauben auf dem Kontinent seine Gewinne stetig erhöhen. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Johannes Schuster / 22.12.2019

@ Wilfried Düring: Mit Disziplin und Fleiß hatte ich in der Schule mehr Schwierigkeiten als der kiffende Weiberheld mit “ähm” und Morbus Papagei. Mein Leidensweg nahm erst ein Ende als ich endlich im Ausland war. Es war eine Befreiung, den ersten Tag NICHT in Deutschland zu erwachen. Was will diese Nation überhaupt noch in der Welt. Es schreit der Versinkende um den letzten Funken Aufmerksamkeit, bevor sich der Vorhang senkt. Und eine gewisse Genugtuung beim Absaufen all derer zuzusehen, die mir mit dem Joint unter der Nase das Leben lästerlich zur Hölle machten kann ich nicht verhehlen. Jahre an Bravo - Jugendsprache und dieser ganze Kinderschrott und dann noch Hobbykommunisten als Gemeinschaftskundelehrer - ein Gulag der niederen Sinne. Das durch die Arschbacke gequetschte Mittelmaß bis zum Stoßgebet: Lieber Narkose als Schule. Ich war immerhin der erste, der als Migrant vor der deutschen Dummheit floh, ich bekam keinen Teddybär an den Schädel, dafür endlich meine Ruhe. Das Deutschtum auf der Welt ist wie die Syphilis, es verbreitet sich in der EU und frißt die Freiheit auf, und alle Leistung ist doch nur Kompensation des eigentlich deutschen Problems: Nichts im Herzen fühlen zu können - keine Liebe, keine Freude und bei allen Errungenschaften doch am Ende kein Glück einfach mal zufrieden zu sein.

Fritz kolb / 22.12.2019

@Sabine Schönfelder: ich stimme Ihnen zu. Leicht optimistisch sehe ich auch, daß langsam die Kräfte des Grünen Politestablishments erlahmen. Zuviele Lügen, zuviel Ideologiebrei, zuviel Machtmissbrauch. Das letzte, klimahysterische Aufbäumen mithilfe der Grünen Khmer wird spätestens bei den exorbitant steigenden Energiekosten in sich zusammen fallen. Auf diesen Tag freue ich mich jetzt schon, auch weil das EU-Regime die Erfolge des dann freien Großbritanniens nicht lange verheimlichen kann. Pikant dabei, daß der neuen EU- Königin möglicherweise eine Verurteilung durch ein deutsches Gericht droht, zusammen mit der bereits vorbestraften Mme. Lagard e und unserer regelmäßig Gesetze ignorierende Grökaz wird das ein Fest für die Jurisprudenz. Wenn sich das „trio infernale“ vorher nicht nach Südamerika absetzt.

Wolfgang Kaufmann / 22.12.2019

Der krankhafte Hass auf Trump und Johnson in der Presse zuteil wird, ist eine rein deutsche Angelegenheit. Er ist das Zusammenspiel von Projektion der eigenen Schwächen und mangelndem Urteilsvermögen. – Beim Thema Projektion wäre viel gewonnen, schriebe die Presse über die eigene Führung, über die eigene Justiz oder die eigene Misswirtschaft auch nur halb so kritisch wie über die amerikanische, polnische oder griechische. – Zum Thema Urteilsvermögen sei daran erinnert, dass die Deutschen ihren Pazifismus, ihre Technikverweigerung und ihre politische Heilslehre völlig distanzlos für Weltspitze halten. Freilich kennen sie auch nichts anderes, denn sie marinieren mit Vorliebe im eigenen Saft. Kein Wunder bei einem Menschenschlag, der in puncto Fremdsprachen dem durchschnittlichen Schweden, Holländer oder Rumänen hoffnungslos unterlegen ist.

Heinz Gerhard Schäfer / 22.12.2019

@Sabine Schönfelder: “Langsam aber sicher wird sich Intelligenz und Vernunft gegen die Dummheit durchsetzen. Es hat bereits begonnen…..das hat schon was von christlicher Botschaft…..Merry Christmas”... Danke für die optimistische Prognose, wenigstens zur Weihnacht! Ihnen allen in diesem Blog ein schönes Weihnachtsfest und ein frohes Neues Jahr! (Im nächsten Jahr wird alles anders)!

Georg Dobler / 22.12.2019

Beim Thema Bankgeheimnis sollte man nicht zu hohe Erwartungen haben. Es gibt den automatischen informellen Informationsaustausch an das Heimatland des ausländischen Kontoinhabers. Ich kann mir nicht vorstelle dass GB da austritt.

Christa Born / 22.12.2019

Gemach. Wer erinnert sich noch an Spanien, Portugal, Griechenland, ja sogar Österreich, von Rumänien, Bulgarien, Slowenien etc. ganz zu schweigen, in den 60er 70er Jahren? Der soll heute mal wieder dorthin fahren. Das ist wohl unbestreitbar ein Ergebnis des gemeinsamen europäischen Projekts. Mir passt auch vieles nicht, aber man sollte das Positive nicht verschweigen.

A. Nöhren / 22.12.2019

Gleich nach der BREXIT-Abstimmung im Juni 2016 überschlugen sich die Meldungen in der deutschen Presse über britische Unternehmen, die angeblich wegen dieser Abstimmung umgehend ihren Firmensitz ins Ausland verlegen würden und die fluchtartig die Insel verlassen wollten. Der Frankfurter OB wollte schon tausende Wohnungen bauen lassen, für die Banker, die nach seiner Meinung jetzt schnell von London nach Frankfurt umsiedeln werden, weil der Bankenplatz London sterben würde. Jetzt, wo der BREXIT tatsächlich vor der Tür steht, gibt es keine derartige Panikmeldungen über Wegzug von Unternehmen aus Britannien. Ein Wunsch der deutschen EU-Träumer ist damit gestorben.

Dr. Gerhard Giesemann / 22.12.2019

Eine Volkswirtschaft lebt leider nicht nur von ein paar Sprintern, sondern da ist schon ein Marathonlauf vonnöten. An ein Erlebnis aus den 1970er Jahren als Student erinnere ich mich allerdings noch sehr deutlich: Wir waren am frühen Nachmittag, vielleicht 2 p.m. an der Uni Oxford, wollte ein Foto meiner Freundin in einem Innenhof dort machen. Am Eingang stand ein Schild: Do not enter as from 2 to 4 p.m. Ich habe das natürlich in “continental impertinence” ignoriert, wir sind - leise - da rein. Schon kam ein Hausmeister, vulgo facility manager, um uns zu vertreiben. Naja, das Foto hatte ich, sagte zu dem nur: crazy. Und er: that isn`t crazy, the students need their rest. Da merkte ich: Die Engländer wissen ihren wissenschaftlichen Nachwuchs zu schätzen - ganz im Gegensatz zu den Deutschen, bei denen war ich als Student (Chemie) der letzte Heuler. Deshalb rate ich Allen, die was auf sich halten, englisch zu lernen, und zwar sehr gut - dann können sie jederzeit weg, wenn die Deutschen sie nicht wertschätzen oder sonstwie spinnen. Take your brain and walk away. Ich habe das im Jahre 1990 so gemacht, die beste Entscheidung meines Lebens - obwohl Bundesbeamter auf Lebenszeit, so zu sagen lebenslänglich. Das Gehalt war weit besser, die Rente auch, kein Vergleich. Man sollte sich immer die Optionen offen halten, wer weiß, was da noch kömmt. Wassalam.

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