Henryk M. Broder / 12.02.2007 / 08:51 / 0 / Seite ausdrucken

Bombenstimmung in Nürnberg

Doris Kalveram berichtet über einen Auftritt von Prof. Dr. Rolf Verleger bei einem evangelischen Friedensforum in Nürnberg:

Wenn ein Direktoriumsmitglied des Zentralrats Israel einen aggressiven,
rassistisch orientierten Staat nennt, dessen Existenz zu Recht Unmut in
der arabischen Welt hervorruft, kann er sich der Begeisterung
kampferprobter Poltitrentner sicher sein. So auch in Nürnberg.
Rolf Verleger musste beim evangelischen Forum für den Frieden
nur mechanisch die üblichen Parolen abliefern, um kollektives Wohlbehagen
auszulösen. Der jüdische Staat als Perversion des zionistischen Grundgedankens,
solche Erläuterungen gingen den Nürnberger Antizionisten runter wie zerlassener Schmalz.
Für den gegenwärtigen Antisemitismus in der Welt sei die Besatzungpolitik Israels verantwortlich,
stellten Redner und Zuhörer in trauter Einigkeit fest, froh eine Rechtfertigung für ihre
Befindlichkeit gefunden zu haben. 

Bombenstimmung kam auf, als der Repräsentant der jüdischen
Israelkritik sein Verständnis die Suizidattentate kundtat. “Kein Wunder , wenn sich
arabische Desperados in Jaffa und Tel Aviv in die Luft sprengen ...” -
rhythmischer Beifall. Die kollektive Betroffenheit hätte nur noch vom realen
Miterleben getoppt werden können, aber es befand sich gerade kein Märtyrer im
Saal.

Auf den Vorschlag eines Friedensfreundes,( kein joke! ) Israelis doch
nach Franken umzusiedeln, um sowohl den Palästinensern als auch den Juden
Leid zu ersparen, so abwägig wäre die iranische Empfehlung schliesslich
nicht, ging der Professor für Neurophysiologie mit gekonnt ernster Miene ein,
verkniff sich dabei sowohl das Lachen als auch die Frage, was denn der Typ
genommen hat. 

Mit gleicher Geduld hörte sich Verleger den Jammer der unterdrückten
christlichen Mehrheit über die vorherrschende jüdische Intoleranz an.

Man würde sich ja in der eigenen Partei nicht trauen, etwas gegen
Israel vorzubringen, immer würde gleich ein Stadtrat, zugleich Vorsitzender
der jüdischen Gemeinde , intervenieren… Was man da tun könne, wollte
ein SPD Genosse wissen, ohne Namen zu nennen - selbstverständlich. Doch
der Befragte lehnte es zur Enttäuschung der Zuhörer ab, sich über Arno
Hamburger zu äußern. 

Erst als ein DGB Vertreter freimütig bekannte, nicht das geringste
Gefühl von Scham angesichts der deutschen Verbrechen zu verspüren,
antwortete Rolf Verleger ungewohnt intuitiv : “Bedauern sollten Sie schon!”
Keine Regung bei jenem unverstandenen Gewerkschaftsfunktionär,
der seine Berufung darin sieht, mit allen Mitteln der Agitation Israel zu bekämpfen.
In dem Moment wurde die Instrumentalisierung des jüdischen Mitstreiters zum nützlichen
Idioten deutlich. Solange er Israel anklagt, ist seine Meinung brauchbar,
soweit seine emotionale Anteilnahme den diskriminierten Palästinensern gilt, wird
sie honoriert, alles andere interessiert nicht.

Politisch mag Verleger von der Notwendigkeit der Selbstaufgabe des jüdischen
Staates zu Gunsten des Weltfriedens überzeugt sein. Persönlich zeigt der grazil wirkende
Mann jedoch keine Neigung zur pazifistischen Untätigkeit, auf direkt artikulierten
Judenhass reagiert er offensiv . Keinen Nerv auf die Opferrolle, da teilt er
auch mal nonverbal aus, weicht von der heiligen Appeasementlinie ab. 

Warum fällt es Rolf Verleger so schwer, den latenten Antisemitismus
der deutschen Linken zu registrieren? Er bemerkt ja deren
überdimensionierte Fixierung auf den jüdischen Staat als Ursache allen Übels -
aus “enttäuschter Liebe”, seinem Eindruck nach. Was motiviert ihn, die deutsche Nation
ausgerechnet gegen Israel mobilisieren zu wollen, (also ob das noch nötig wäre ),
während er de facto Saudi Arabien für weitaus gefährlicher hält?

Erklären ließe sich dieser Widerspruch mit enttäuschten
Idealvorstellungen vom gelobten Land. Und es ist viel bequemer,
ein Dogma durch das andere zu ersetzen, wenigstens bleiben dabei
altbewährtes Schwarz - Weiss Denken und die
identitätsbildende Thematik erhalten. 

Offenbar wird dem Vordenker der aufgewärmten Israelkritik inzwischen
langweilig. Rolf Verleger argumentiert unlogisch, zitiert falsch,
kommentiert Einwände mit Sprüchen, wie ” wusste ich nicht” und “ist ja auch
egal”.  Immerhin - Fanatismus kann man ihm wirklich nicht nachsagen. Seine
isolierte Position im Zentralrat und der Gegenwind aus der jüdischen
Gemeinschaft scheinen ihn weniger mitzunehmen als die enthemmte
Dankbarkeit seiner betagten christlichen Anhänger-
gönnen wir ihm diesen Erfolg von Herzen! 

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