Beda M. Stadler, Gastautor / 16.09.2008 / 22:47 / 0 / Seite ausdrucken

Bös-Hummer und Gut-Hybride

Die Schweizer Initiative für ein Verbot von Offroadern trägt religiöse Züge. Aus wissenschaftlicher Sicht ist keineswegs erwiesen, dass dieses tolle Ge-fährt der Umwelt mehr Schaden zufügt als politisch korrekte Familien-kutschen. Und: Wer will schon mit einem Bünzli-Auto ins Grüne fahren? …

 

Ich will einen Offroader kaufen. Mein Ferienhaus in einem Walliser Bergdorf zwingt mich dazu. Die Gründe sind einleuchtend: Der Allradantrieb nimmt mir die Angst vor jedem ansetzenden Schneeschäumchen auf der steilen Bergstrasse. Die noch steilere Einfahrt zum Häuschen wird wegen des ho-hen Radstands meinen Auspufftopf nicht mehr malträtieren. Endlich kann ich den Ausbau der Kinderzimmer selbst in Angriff nehmen, das voluminöse Iso-liermaterial bequem hinten in den Wagen schieben und das Holztäfer auf das Dach binden. Bald werde ich problemlos Berge von Kleingeäst auf den Häckselplatz chauffieren können. Im nahen Wald darf man noch langes und dickes Brennholz zusammenlesen, und weil ich der Natur zuliebe auf die Mo-torsäge verzichtet habe, wird die Elektrosäge (mit Bioöl geschmiert) das Brennholz kamingerecht zerkleinern. Und wie einfach wird erst der Transport der Steine für eine Trockenmauer, in der sich Eidechse und wilder Wermut wohl fühlen werden. Ich denke, so ein Offroader wird sich nahtlos in meine Naturidylle einfügen.

Diese naturnahen Tätigkeiten kann ich beim besten Willen nicht mit dem öf-fentlichen Verkehr oder mit dem Velo erledigen. Zudem freue ich mich auf die zukünftige Einsteigefreundlichkeit. Ich beneide meine Bekannten nicht, die noch Sportwagen fahren. In einen Ferrari kann man sich hineinfallen las-sen, nur: Irgendwann muss man wieder heraus. Aus einem Offroader kann man bequem hinabgleiten. Ich bin gespannt auf den Rundblick vom Lenkrad auf die Strasse hinunter und freue mich, dass mir kein Smart wie ein Ge-schoss durch die Windschutzscheibe entgegenkommen kann. Bis anhin hat-te ich nie im Sinn, Kinder zu überfahren, und ich denke, der Offroader wird mich eher zu einem gemächlicheren Fahrer umerziehen. Wenn ich es mir überlege, so hat mich eigentlich bis heute kaum je ein Offroader überholt.

Die Offroader-Initiative trübt allerdings meine Vorfreude und macht mir ein schlechtes Gewissen. Wer einen Offroader fährt, sucht dies meist zu ver-heimlichen, genauso wie man niemandem erzählt, wie viele Goldvreneli man besitzt. Andere Benzinsäufer, getarnt als Familienkutschen, werden ihr poli-tisch korrektes Image aufrechterhalten. Man darf in ihnen getrost herumkut-schieren, schliesslich sieht ihnen kein Grüner an, wie viel Most sie effektiv verbrauchen. Somit ist ein Offroader ein heimliches Laster wie das Rauchen, zu dem nur steht, wer kein Vorbild sein will und mit dem Ruf leben kann, ein schlechter Mensch zu sein. Der Offroader hat nun definitiv den Reiz des Ver-botenen.

Über die Offroader-Initiative ist schon fast alles gesagt, und sie wird wahr-scheinlich den Stempel «Neider-Initiative» erhalten, was nicht ganz stimmt. Junge Grüne wollen keine Offroader besitzen. Genauso wie der Hip-Hopper seine Turnschuhe den massgeschneiderten Kalbslederschuhen vorzieht. Die roten Mobility-Autos sind die Turnschuhe der Grünen. Die gibt’s vom Stras-senfloh bis zum Zügelkoloss, und die Initiative stuft diese Bünzli-Autos als bedenkenlos ein. Es geht also nicht um Missgunst, sondern es ist ein Kampf zwischen verschiedenen grünen Ideologien. Offroader-Fahrer sind ein Sta-chel im grünen Fleisch wie die Grünliberalen im derzeitigen grünen Konkur-renzkampf um Wählerstimmen. Im Grunde handelt es sich bei der Initiative bloss um ein ideologisches Gerangel zwischen verschiedenen Formen von grünem Verhalten.

Der eigentliche Titel der Initiative lautet: «Initiative für menschenfreundliche Fahrzeuge». Die Initianten weisen ausdrücklich in ihrer Begründung darauf hin, dass es bei der angestrebten Verbesserung von Verkehrssicherheit und Umweltschutz um das Wohl der Menschen geht. Dieser Kommentar ist inso-fern entlarvend, als es doch normalerweise religiöse Organisationen sind, die sich um das Wohl der Menschen bemühen. Der ideologische Kampf um das reinste Grün nimmt somit religiöse Züge an.

Die Initiative konstruiert eine willkürliche Skala von Umweltsündern um jene Naturliebhaber, die sich motorisiert an unserem Planeten erfreuen, bloss um nun in die Pfui-Ecke gestellt zu werden. Glaubensbrüder werden hingegen geschont, etwa traktorfahrende Biobauern. Landwirtschaftliche Fahrzeuge sind in einem Masse Feinstaubschleudern, dass ein Offroader daneben wie ein Passivraucher aussieht. Man kann mit einem Offroader an keine Partei-versammlung der Grünen, genauso wenig, wie man im Badeanzug zur Kommunion kann. Das Dogma der Unfehlbarkeit, ansonsten den Religionen vorbehalten, wird von Al Gore gepredigt und von seinen Glaubensbrüdern geglaubt: Die drei Prozent vom Menschen produziertes CO2 sind der Grund allen Übels. Amen.

In der Initiative heisst es, dass der Bund Vorschriften und Grenzwerte regel-mässig dem technischen Fortschritt und neuen Erkenntnissen anpasst. Aus der Feder eines Grünen tönt so etwas wie blanker Hohn. Kennen Sie etwa einen Grünen, der je neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit der grünen Gentechnologie zur Kenntnis genommen hätte?

Nehmen wir «neueste Erkenntnisse» im Zusammenhang mit dem aller-schlimmsten aller Offroader, der zuoberst auf der Hassliste steht, dem Hum-mer. Er hat eine gefährliche Schnauze und säuft in der Stadt zwanzig Liter. Dieses Ungetüm könnte nämlich unter Umständen besser dastehen als ein Toyota Prius, ein Hybridauto, dessen Besitzer sich kindlich über den extrem geringen Benzinverbrauch freut, weil der Prius zum Fahren die Energie auch aus einer Batterie zapfen kann. Würde der Bund gemäss «neuesten Er-kenntnissen» auch die CO2-Emission in Betracht ziehen, die entsteht, um eine fünfzehn Kilogramm schwere Hybridbatterie herzustellen, wäre das öko-logisch korrekte Hybridauto dem schlimmen Hummer unterlegen. Klar, der Hybride unterböte im Nachhinein, über Jahre gefahren, den Hummer bei wei-tem wieder, was die CO2-Emissionen anbelangt. Nur: Vergleicht man den Bös-Hummer mit dem Gut-Hybriden und rechnet die Produktionsemissionen in Benzineinheiten um, dann hat der Prius sozusagen 3800 Liter als Neulast auf dem Buckel, bevor er den ersten Kilometer gefahren ist. Diese Zahlen stammen nicht von mir, sondern aus einer 500 Seiten schweren Studie einer Marktforschungsfirma aus Oregon (cnwmr.com).

Ein weiteres Beispiel, das unter dem Gesichtspunkt «neue Erkenntnisse» zu denken gibt: Ein Liter Benzin enthält etwa 30 000 sogenannte BTUs. Eine BTU (British Thermal Unit) ist die Menge Hitzeenergie, die benötigt wird, um ein Pfund Wasser um ein Grad Fahrenheit zu erwärmen. Neuwagen wie der Prius haben somit schon mal eine Art Erbsünde auf dem Buckel, in etwa die erwähnten 3800 Liter Most. Die Initiative schwärzt auch zum Beispiel meine Limousine, einen Cadillac, an, die ich als günstige Occasion gekauft habe. Mein Cadi sieht nun wirklich nicht wie ein Offroader aus, würde aber unter das Offroader-Verdikt fallen. Der Bund müsste aber zur Einsicht gelangen, dass ich als Käufer eines Altwagens sozusagen die CO2-Altlast der Produk-tion abbezahlt habe. Obwohl mein Cadillac also mehr säuft als ein Hybrid-Auto, muss dieses über 100 000 Kilometer fahren, um die gleiche CO2-Öko-Bilanz aufzuweisen wie mein alterndes Gefährt.

Die Initiative will mehr Verkehrssicherheit, und das wollen anscheinend viele Offroader-Fahrer auch: mehr Sicherheit im eigenen Wagen. Es sind sich alle einig, dass im Prinzip ein Panzer dazu das geeignete Fahrzeug wäre. Würde man den Benzinverbrauch, die gefährliche Frontpartie und die CO2-Emission ausser Acht lassen, wäre ein Panzer im Sinne der Initiative das sicherste Verkehrsmittel. Nun, dem ist natürlich nicht so. Trotzdem sollte man den Wunsch von Eltern respektieren, die ihre Kinder gerne in Sicherheit zur Schule kutschieren. Wie menschenfreundlich ist eine Initiative, die will, dass man Kinder im Veloanhänger zur Schule fährt?

Wer so einen pseudoreligiösen ideologischen Kampf führt, wird die Grünlibe-ralen der Strasse, die Offroader-Fahrer, nie begreifen. Jene nicht mehr sport-lichen Mitmenschen, die mit ihrem Auto über Stock und Stein zum Camping fahren wollen. Ältere Naturfreunde, die im Fond ihren Hundekäfig platzieren und auch dem Hund keine wunden Pfoten zumuten, bevor er durch den Wald trollen darf.

Wir sollten Sorge tragen zu unserer Verfassung. Es gab nämlich schon ein-mal eine Art Offroader-Artikel, für den wir uns noch heute schämen sollten. Es war der Jesuiten-Artikel. Die Jesuiten sind sozusagen die Offroader der Katholiken, und es war nicht richtig, sie per Verfassung an einer Lehrtätigkeit in der Schweiz zu hindern. Wenn wir jetzt ein paar Blechhaufen ächten, wird unsere Verfassung mit der Zeit zu einem Misthaufen. So, dieser Satz hat mein schlechtes Offroader-Gewissen beschwichtigt. Trotzdem kann ich mich nicht entscheiden, ob ich nun einen neuen oder alten Offroader kaufen soll oder ob mein alter Cadi es noch ein paar Jahre tut, der Natur zuliebe.

Zuerst erschienen in DIE WELTWOCHE Nr. 37/2008

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