René Zeyer, Gastautor / 04.03.2020 / 06:12 / Foto: Pixabay / 30 / Seite ausdrucken

Börsenkunde für Anfänger in Zeiten der Virenattacken

Die Börse ist ein altehrwürdiger Marktplatz. Seit dem 14. Jahrhundert treffen hier Unternehmer, die Geld benötigen, auf Investoren, die Geld verleihen wollen. Dabei entwickelt sich die Preisfindung zweckrational und strikt durch das Wirken der kapitalistischen Grundkräfte von Angebot und Nachfrage. Wobei man noch verstehen muss, dass der Wert eines Wertpapiers im Wesentlichen durch die Erwartungen zukünftiger Entwicklungen gesteuert wird.

So viel zur schönen Theorie, und morgen erzählen wir ein anderes Märchen. Denn es gibt leider eine ganze Reihe von Entwicklungen, die die Börse aus diesem märchenhaften Zustand der Unschuld entführt haben. Berichterstatter in Funk und Fernsehen stellen sich zwar gerne noch ins Parkett, wo tatsächlich ein paar Händler rumwuseln. Aber der gute, alte Börsenring, an dem "à la crier", also auf Zuruf gehandelt wird, gehört ins Museum.

Denn den meisten Umsatz macht heutzutage das High Frequency Trading (HFT). Hier nützen Supercomputer mit brachialer Rechenpower, ausgeklügelten Algorithmen und möglichst kurzer Daten-Verbindung zur Börse in Millisekunden kleinste Kursschwankungen aus. Oder sie profitieren von Arbitrage-Geschäften, also der Tatsache, dass das gleiche Wertpapier an verschiedenen Handelsplätzen unterschiedliche Preise haben kann.

HFT ist genauso legal wie die Welt der Schattenbanken, wo sich überregulierte Finanzhäuser Geldmaschinen halten, die kaum Bankregulierungen unterliegen. Wer meint, beides seien Randerscheinungen im modernen Kapitalismus: HFT ist für mehr als die Hälfte aller Börsengeschäfte weltweit gut. Und Schattenbanken bestreiten ungefähr die Hälfte des US-Hypothekarmarkts, zum Beispiel.

Meister der selbsterfüllenden Prophezeiung

So ausgeklügelt HFT-Programme auch sein mögen, sie zeigen manchmal ihr hässliches Gesicht. Indem sie sozusagen das Scharren einiger Hufe in eine Stampede verwandeln. Denn sie sind Meister der selbsterfüllenden Prophezeiung. Wird die Börse bearish, wie der Fachmann sagt, geht also in einen leichten Sinkflug, durchbricht sie damit Barrieren in den Computern, die mit Verkaufsorders den Sinkflug weiter verstärken. Und da diese Computer in Bruchteilen von Millisekunden getaktet sind, dauert es kleine Ewigkeiten, bis jemand den Stecker ziehen kann.

Das führt dann zu sogenannten Flash-Crashs. Eines schönen Tages im Mai 2010 gingen so zum Beispiel innerhalb von 20 Minuten an der Wall Street eine Billion Dollar in Rauch auf. Und dabei haben wir den human factor, den Faktor Mensch, gar noch nicht erwähnt. Da gibt es, die Börsianer lieben Fachausdrücke für alles, den "fat finger trade". Ein dickleibiger Börsenhändler drückt mit seinen Wurstfingern auf zwei Tasten gleichzeitig, und schwups, hat er statt Millionen Milliarden bewegt.

So wie es Schattenbanken gibt, gibt es auch Dark Pools. Nein, das ist nicht das, was nun vielleicht viele meinen. Wobei, es gibt Ähnlichkeiten: Das sind spezielle Finanzmärkte für schnelle Nummern. Es gibt keine Offenlegungspflichten für Transaktionen, keine Kontrollen, kaum Regeln. Vornehmer werden sie "alternative Handelsplattformen" genannt und ungeniert von Grossbanken betrieben. Richtig, auch von der Deutschen Bank.

Nun gibt es schon lange nicht nur Wertpapiere, die an der Börse gehandelt werden. Sondern auch Ableitungen davon, sogenannte Derivate. Das sind im Kern ihres Wesens einfach Wettscheine, ohne inneren Wert. Sie dienen im besten Fall dazu, die Wellen des Marktes zu glätten. Gehe ich zum Beispiel die Wette ein, dass Aktie x in einer Woche billiger als heute gehandelt wird, mache ich einen sogenannten ungedeckten Leerverkauf. Also ich biete die Aktie x zum heutigen Preis an, lieferbar in einer Woche. Dabei hoffe ich, dass meine Wette aufgeht und ich mich in einer Woche billiger mit der Aktie eindecken kann, die ich heute gar nicht habe.

Meine Möglichkeit, wie das der Laie immer vermutet, damit den Markt zu manipulieren, ist allerdings beschränkt. Denn für eine Wette, das ist die Natur der Sache, braucht es immer mindestens zwei. Also auch jemanden, der die Wette annimmt. Und seinerseits darauf setzt, dass die Aktie in einer Woche teurer ist als heute. Das ist legal. Weniger legal ist das sogenannte "Front Running". Also das Ausnützen von Insider-Vorwissen.

Die Bank of England gab auf

Hier in der Schweiz hält sich bis heute hartnäckig die Anekdote, dass Mitarbeitern eines angesehenen Finanzblatts bei Forderungen nach Lohnerhöhung beschieden wurde, dass sie doch stattdessen etwas "börselen" könnten. Gemeint ist, dass sich der Journalist doch vorher mit einem Wertpapier eindecken kann, das er dann anschliessend über den grünen Klee lobt und dringlich zum Kauf empfiehlt. Das nennt man auch "Scalping", das Rauf- oder Runterreden einer Aktie unter Berufung auf das Recht der freien Meinungsäusserung.

Man kann natürlich schon hebeln und drücken, um auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten. Wobei hier extrem gilt: no risk, no fun. Denn eine solche Grossspekulation kann gutgehen. Muss aber nicht. Zwei berühmte Beispiele. Der Grossspekulant George Soros legte sich nicht einfach mit einer Bank, sondern mit der englischen Notenbank an. Und setzte auf ein fallendes Pfund. Die Bank of England setzte mit Milliardenstützkäufen dagegen. Soros setzte bis zu 10 Milliarden Dollar auf Leerverkäufe und wäre wohl als der grösste Pleitier aller Zeiten vom Platz gegangen. Hätte er nicht gewonnen; die Bank of England gab auf, das Pfund segelte nach unten, und Soros strich rund eine Milliarde Dollar Gewinn ein.

Kann klappen, muss nicht. Das erlebten die Brüder Hunt in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Sie hatten sich vorgenommen, den Silberpreis in schwindelnde Höhen zu treiben. Also kauften sie über 4600 Tonnen physisches Silber, das sie sicherheitshalber in die Schweiz verfrachteten. Denn sie erinnerten sich daran, dass 1933 der Besitz von physischem Gold in den USA verboten worden war. Natürlich stieg der Silberpreis gewaltig, und zusätzlich befeuert wurde er durch Zukäufe auf Warenterminbörsen; hier schlossen die Gebrüder Kontrakte über weitere 6200 Tonnen ab. Resultat: Der Preis für eine Unze Silber stieg in sieben Jahren bis 1980 von 2 Dollar auf den Höchststand von 50 Dollar.

Aber dann verpassten Hunts den richtigen Moment des Abgangs, der Preis sackte ab, als etwas geschah, mit dem die Brüder nicht gerechnet hatten: Auf Druck der Finanzwelt änderte die Aufsicht über die Terminmärkte die Spielregeln. Und da sie natürlich ihre Kontrakte mit Darlehen gehebelt hatten, mussten sie ihre Positionen glattstellen, dem sogenannten Margin Call folgen (übrigens auch der Titel des besten Films über Börsenwahnsinn aller Zeiten). Das konnten sie natürlich nicht, und so hatten sie in wenigen Jahren den Weg vom Multimillionär zum Multimilliardär und zurück auf null, in den Bankrott, zurückgelegt.

Das mit der Bankgarantie ist auch so eine Sache

Nun ist der Kleinanleger unter den Lesern wohl etwas ernüchtert. Ist denn alles unvorhersehbar, Ausdruck von Gemauschel, was an der Börse passiert? Nun, es gibt eine ganze Berufsgattung, die dem lauthals widerspricht. Die Analystenbande, genauer: die Chartanalysten. Die verdienen Geld wie Heu, indem sie den Balken-Chart basteln, den Linien-, Point-, Figure- und Candlestick-Chart. Dort sehen sie Trendlinien und Trendkanäle. Auch Gaps, Spikes und schöne Formen wie umgekehrte Untertasse, Schulter-Kopf-Schulter-Boden, M- oder W-Formation. Dazu Bollinger-Bänder, Elliott-Wellen, stochastische Oszillatoren, und der Beta-Faktor mitsamt allen Griechen nicht zu vergessen.

Denn die Aktie bewegt sich bekanntlich aufwärts, abwärts oder seitwärts. Innerhalb von Widerstandslinien. Oder im Linear Regression Channel. Und dabei haben wir noch gar nicht von der Black-Scholes-Formel gesprochen, vom Parabolic SAR (Stop and Reverse) oder von der STD (Standard Deviation). Und wem das noch nicht wissenschaftlich genug ist, dem werfe ich noch die Fibonacci-Folge an sein ungläubiges Haupt.

Aus all diesen Gründen ist gerade der Kleinanleger doch gut beraten, nicht etwa auf seine eigenen seherischen Kräfte zu vertrauen, sondern seinen Spargroschen den Fachleuten zu überlassen. Die dafür auch extra noch Fonds gebastelt haben, also ganze Körbe von Wertpapieren. Risikominimierung, total return, Bankgarantie drauf, kann nix schiefgehen. Leider doch, da kann alles schiefgehen.

Zunächst einmal schneiden gemanagte Fonds eigentlich immer schlechter ab als sogenannte ETF-Fonds. Für den Laien verständlich schon alleine deswegen, weil die Manager für ihre Bemühungen ja etwas kassieren wollen, während ein ETF lediglich Indizes abbildet und ansonsten keine Kosten verursacht. Und das mit der Bankgarantie ist auch so eine Sache, wie viele Kleinanleger in Lehman-Papiere schmerzlich erfahren mussten. Denn ist die Bank blank, trägt der Investor das sogenannte Emittentenrisiko. Oder auf Deutsch: das Geld ist futsch.

Die Aktie ins Klo nageln

Ist also alles Schall und Rauch an der Börse, ein Drecksspiel, nur dazu gemacht, den harmlosen Kleinanleger abzuzocken? Schlimmer noch: Sind die Börsen nicht völlig abgekoppelt auf einem Höhenflug, der nichts mehr mit der realen Wirtschaftsentwicklung zu tun hat? Dazu sagen wir doch mal ein kräftiges Jein.

Wer die Entwicklung von Aktien seit dem 14. Jahrhundert über einen mittelfristigen Zeitraum verfolgt, wird feststellen: Es war, ist und bleibt das profitabelste Anlagevehikel. Natürlich, wer kurz vor einem Börsencrash eingestiegen ist, braucht Nerven und einen langen Atem, bis er seine Buchverluste wieder egalisiert hat und Profit macht. Und langer Atem kann mit dem schönen Satz des genialen Ökonomen Maynard Keynes kollidieren: on the long run we are all dead. Langfristig gesehen sind wir alle tot.

Kommen wir zum Teil, der ein Nein ist. Wenn eine Börse um zehn Prozent nachgibt, was schon ein ganz kräftiger Rumpler ist, dann sind das keine Buchverluste. Denn der Börsenkurs eines Wertpapiers ist ja keine fiktive Annahme, sondern entsteht durch Handel. Ein Buchverlust ist dieser Abschwung nur für die Besitzer von Wertpapieren, die die Nerven haben, sich nicht davon zu trennen. Und eben auf "the long run" setzen. Aber auch sie können sich in der unangenehmen Lage sehen, dass ihr Buchverlust zum realen wird. Wenn nämlich die hinter dem Aktienwert stehende Firma pleite macht. Dann ist es kein Buchverlust mehr, man kann sich die Aktie ins Klo nageln.

Aber wie steht es dann mit den Höhenflügen, mit den Börsenindizes, die von Rekord zu Rekord eilen, sich in den letzten Jahren bis zum Faktor zehn aufgepumpt haben? Da steckt doch viel heisse Luft drin, und wenn da eine Nadel zu nahe kommt, oder ein Virus, dann aber gute Nacht. Sagt der Laie und zeigt damit wieder einmal, dass er eben ein Laie ist.

Jetzt wird es ein Momentchen ein bisschen kompliziert. Aber lehrreich. Der wichtigste Messfühler an der Börse ist die Price Earning Ratio oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Wir erinnern uns, der Preis einer Aktie enthält immer eine zukünftige Gewinnerwartung. Dieses KGV kann man natürlich historisch untersuchen. Dabei kommt heraus, dass es im Schnitt bei 16 gelegen hat. Heutzutage im Schnitt bei 20 oder mehr. Aha, da sieht man’s, brandgefährlich, oder? Da muss man das Oder nehmen. Ein KGV von 20 bedeutet, dass ein börsenkotiertes Unternehmen im Schnitt 5 Prozent Gewinn macht.

Trotz Billigstgeld nicht senkrecht durch die Decke

Nun ist die Börse als Geldanlage nicht allein auf der Welt. Auf eine Obligation bekommt der Anleger, wenn er viel Schwein hat, vielleicht ein Prozent. Oder er legt sogar drauf. Aber nehmen wir mal 1 Prozent; das müsste ja bedeuten, dass die Aktienkurse um den Faktor 5 höher sein müssten. Oder anders gerechnet: Ebenfalls historisch gesehen lagen die Zinsen in einem Band von 5 bis 10 Prozent. Heutzutage zwischen 2 bis 0, bis sogar negativ. Hatten Aktien also ein KGV von historisch 16, müssten sie heute eines von 40 bis 80 haben.

Haben sie aber nicht, wendet da der Laie ein. Und damit hat er Recht. Denn die Börse ist eben doch nicht nur irrational, gierig und ängstlich. Dass trotz Billigstgeld die Börsenkurse nicht senkrecht durch die Decke gehen, beweist, dass die Marktteilnehmer sehr kritisch sind, was die Bewertung der Geldpolitik, die Handlungen der Politiker und die Zukunft betrifft. Man befürchtet ein mögliches Ende der Fete aus Gratisgeld, ein urplötzliches Ansteigen der Zinsen, was eine Rezession, allenfalls eine Krise verursachen würde und die Unternehmen leiden liesse.

Was lernen wir aus all dem? Wer das Armageddon herbeischwatzt, wer als Crash-Dummy vor dem nahen Untergang warnt, hat keine Ahnung. Aber meisten eine Absicht. Nämlich sein Rezept, wie man die Totalkrise überstehen kann, zu verkaufen. Wer meint, mit einem gelegentlichen Blick auf die Börsenkurse hätte er gute Chancen, sein Geld zu vermehren, sollte sich besser ein Lotterielos kaufen.

Ja was denn nun, mag nun der kleine Mann und auch die kleine Frau, da draussen im Lande und auch vor dem Computerbildschirm, sich fragen. Wohin das Geld geht, wenn es weggeht, das habe ich einigermassen kapiert. Aber wie schaffe ich es, meinen Spargroschen wenigstens zu schützen, den Wert zu erhalten?

Tja, lieber Leser, sagte ich schon, dass ich mich als Diagnostiker verstehe, nicht als Therapeut? Na, wie legt denn Zeyer seine Kohle an, mögen nun ein paar Schlaumeier fragen. Echt und ehrlich? Gut, also da hätte ich ein paar totsichere Tipps, die ich aber natürlich nicht umsonst weitergeben kann, versteht sich. Nein, im Ernst: Ich lege mein Geld überhaupt nicht an. Sondern lebe nach dem einfachen Prinzip des Kleinunternehmers: Was reinkommt, muss auch wieder raus. So einfach ist das. Und auch wieder so kompliziert.

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Leserpost

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Matthias Böhnki / 04.03.2020

Sehr schön. Der Autor hat es dem Platz entsprechend wunderbar auf den Punkt gebracht. Einzige ( verschwindende ) Kritik: the margin call mit Kevin Spacey war für die Thematik vielleicht etwas zu flach. Der ( für mich ) bessere Film ist the big short . Der erklärt und ist auch noch cool dabei. Ein Forist schrieb von nackten! oder gedeckten! Geschäften mit Schweinen, vielleicht auch mittels Derivaten von Termingeschäften mit Schweinen. Also, ich wäre eher der, also, das ist mir jetzt peinlich, also ich würde, mein Gott - darf man das sagen? Also ich würde das Schwein einfach fressen. Komplett und resolut als Knackwurst, Leberwurst, Blutwurts, Pizza-Leberkäse, Haxe, Brätel, Schnitzel, Medaillon usw. Mit den Derivaten würde ich eher auf den geschmacklosen Dax bis 10.000 Punkte drauf hauen…...

Friedrich Neureich / 04.03.2020

Leider scheint im Moment zumindest in Deutschland, aber auch in anderen westlichen Ländern das Politikmodell ein einziges Ziel zu kennen - nämlich JEDE Wertschöpfung zu verhindern. Wenn Branche um Branche zum Kollaps getrieben wird, sieht es mit den Anlagemöglichkeiten irgendwann mau aus. Auch die Tesla-Aktionäre (um nur ein Beispiel herauszugreifen) werden irgendwann ziemlich verblüfft schauen - wenn durch Mangel an zuverlässig verfügbarer Elektrizität die Lego-Autos stillstehen, nach der Reduzierung der individuellen Mobilität auf die Handvoll Leute, die sich Wagen von 100k€ aufwärts erlauben können, das Straßennetz mangels Instandhaltung verfällt und Vereine wie die DUH, wie bereits angekündigt, auch gegen die Elektromobilität vorgehen, da das erklärte Ziel die komplette Abschaffung der individuellen Mobilität zugunsten eines polpottoiden Traums vom Lastenfahrrad ist, werden Musk und seine Adoranten auf einem Sack voller Verbindlichkeiten sitzenbleiben.

K. Nerweiß / 04.03.2020

Auch dieses Mal, Herr Zeyer, keine Zustimmung! ,,Wenn eine Börse um zehn Prozent nachgibt, ... , dann sind das keine Buchverluste.” Dann sind es also reale Verluste. ,,Ein Buchverlust ist dieser Abschwung nur für die Besitzer von Wertpapieren, die die Nerven haben, sich nicht davon zu trennen.” Dann sind es also doch nicht zwangsläufig reale Verluste. Ja, was denn nun? Nehmen wir folgendes Beispiel: Sie kaufen eine Aktie für 100, den Marktpreis im Jahre x. Dafür geben Sie Geld. Diese Aktie wird in Ihr Depot eingebucht, der Depotwert (= Buchwert) beträgt 100. Sie halten diese Aktie über mehrere Jahre, und infolge der wirtschaftlichen Entwicklung und die allgemeine Nachfrage nach dieser Aktie wird sie irgendwann für 300, den Marktpreis im Jahre y, gehandelt. Ihr Depotwert beträgt jetzt 300. Er würde aber erst duch den Verkauf der Aktie zu Geld. Sie besitzen aber lediglich einen Buchwert von 300. Plötzlich kommt es zu einem Kursabschwung. Ihre Aktie wird nur noch für 200 gehandelt, der Buchwert Ihrer Aktie fällt von 300 auf 200. Zur Sicherheit entscheiden Sie sich für den Verkauf zu einem Marktpreis von 200. Sie besitzen jetzt 200 Einheiten Geld. D. h.: Ihr Buchwert ist zwar um 100 gefallen, Sie realisieren aber einen Gewinn(!) von 100, weil Sie die Aktie einstmals zu 100 gekauft haben. Und das wiederum heißt: Über Gewinn oder Verlust entscheidet einzig und allein die Differenz zwischen Einstands(= Kauf)- und Verkaufpreis. Diese Preise kennt aber nur der Depotbesitzer, die Bank und das Finanzamt, nicht die Öffentlichkeit. Also: Wenn nach dem ca. 15%-igen Kursrutsch der vergangenen Woche der öffentlich bekannte, messbare Marktpreis aller Aktien um 5 Billionen USD gesunken ist, dann weiß niemand genau, wie viel realer oder Buchwert verloren gegangen ist, weil die Einstandspreise nicht bekannt sind.

Wolfgang Nirada / 04.03.2020

Die Börsen sind zu Zockerbuden verkommen. Wenn jemand wie ein Herr Hoeneß aus Langeweile und ganz nebenbei mit dem Handy Gewinne in solcher Höhe machen kann dass sogar Gefängnis winkt wenn “vergessen” wird diese in der Steuererklärung anzugeben - dann kann da was nicht stimmen. Etwas zu verkaufen dass man gar nicht hat war bisher schlicht und einfach Betrug. Jetzt ist es ein raffiniertes Geschäftsmodell. Das Geld dass jemand nach einer “erfolgreichen” Börsenspekulation auf dem Konto hat muss ja schlussendlich von irgendjemand erwirtschaftet werden. Und zwar von den “Verlierern” der Wette die seltsamerweise meistens mit der Börse gar nichts zu tun haben. Kaffeebauern und Bananenfarmer die sich zu Tode schuften und trotzdem auf keinen grünen Zweig kommen - während Makler in Nadelstreifen sich dumm und dämlich verdienen ohne einen Tropfen Schweiß zu vergießen. Solange das so bleibt wird auch die Idee vom Sozialismus nicht auch der Welt zu schaffen sein.

Claudius Pappe / 04.03.2020

Sogar beim Dax wird in Deutschland “schöngezeichnet “. Im Gegensatz zum DOW aus den USA ist der deutsche DAX ein Aktienbarometer in dem die Dividenden mit eingerechnet werden. Mit Dividenden steht er Heute bei ca. 12 000. Ohne Dividenden, also der Kursindex, steht er bei ca. 5 100. Außerdem ist er durch laufende Änderungen in der Zusammensetzung ( ich glaube es sind nur noch 5 Unternehmen vom Anfang dabei)  nur bedingt aussagekräftig. So ist ein Anstieg bei SAP höher gewichtet als z.B. bei Vonovia. Da die Zusammenstellung des Dax vor 20 Jahren eine ganz andere war ( Vonovia und Wirecard gab es noch nicht) halte ich den DAX für ein Barometer das nur eine zeitlich begrenzte Aussage zulässt. Trotzdem: Wenn die Kanonen donnern: Kaufen, Wenn die Bild Zeitung und die Analysten zur Aktie raten : Verkaufen

Dr. Roland Mock / 04.03.2020

@Sixtus: Wenn ich langfristig denke und stark kapitalisierte Aktien (nicht Derivate oder Zockeraktien) am geregelten Markt kaufe, können mir Hochfrequenzhandel und irgendwelche Zocker nichts anhaben. @Sonja: Ob man sich auf die Börse einläßt oder nicht, ist immer auch eine Mentalitätsfrage. Ich kenne z.B. keinen Handwerker, der Aktien besitzt, und Linke (die eh meist weder Ahnung noch nennenswertes Einkommen haben) sowieso nicht. Aber Fakt ist: Aktien sind Sachwerte. Sie sind Anteile an realen Unternehmen, und wenn die Unternehmen gut sind (sich auf lange Sicht im Markt behaupten und Gewinne erzielen) sind auch die Aktien „gut“. Man sollte halt nur ein bißchen streuen, nicht alle Eier in einen Korb legen. Und man braucht gute Nerven für Zeiten wie die aktuellen (Corona-Virus). Aber das ist Trainingssache: Wenn ich vor 25 Jahren fünftausend Mark in einem Monat „verloren“ hatte, konnte ich nächtelang nicht schlafen. Wenn ich heute in einer Woche den Wert eines Oberklassewagens an der Börse „verliere“ und kenne die Ursache, ärgere ich mich mal ein, zwei Tage. Und dann denke ich schon wieder darüber nach, ob und wann ich zukaufen sollte.

Dr. Roland Mock / 04.03.2020

Gut erklärt, Herr Zeyer, Kompliment. Zu Ihrer Konklusion (die Kohle auf den Kopf hauen): Gute Idee, mache ich auch seit ein paar Jahren. Aber weniger wegen der Nullzinsen, sondern weil ich dem Staat nicht traue (Vermögenssteuer usw.) Und der Generation Greta schon gar nicht. Angesichts deren sozialistischer Wahnideen kommt mir das nackte Grauen. Dennoch setze ich weiter auf Aktien. Es stimmt, daß man starke Nerven und etwas Reserve braucht. Doch langfristig muß man schon viele Fehler machen, um nicht auf der Gewinnerseite zu stehen. Wir reden von 6-8% im Schnitt der letzten Jahrzehnte, und wenn es dann mal nur 4% sind, schlägt man immer noch die Inflation. Und - da widerspreche ich Herrn Zeyer- man muß und sollte nicht jeden Tag und auch nicht jeden Monat auf die Kurse schauen. Der Absturz wegen dieses Corina-Virus z.B. kann, muß aber nicht zu einer weltweiten Rezession führen. Falls die Krise ausbleibt: „Politische Börsen haben kurze Beine“ (alte Börsenweisheit). Ich selbst mache es daher so ähnlich wie Warren Buffet (nur mit etwas weniger Geld

Peter Holschke / 04.03.2020

Guter Beitrag. Und übrigens, das Problem ist schon uralt. Währungskrisen und Münzverschlechterung gab es schon bei den Griechen und Römern, und hopp hopp nach dem Mittelalter ist das aktenkundig. Man denke nur an den Ewigen Pfennig oder die Tulpenmanie von 1637. Das Geld ein Steuervehikel ist, wird es derartige Erscheinungen geben, solange Steuern erhoben werden.

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