Stefan Frank / 08.11.2024 / 06:15 / Foto: Montage achgut.com / 21 / Seite ausdrucken

Boeing will nicht mehr woke sein

In großen Konzernen scheint das Woke-Sein mittlerweile oft wichtiger als die Qualität der Produkte. Boeing zieht daraus jetzt die Konsequenzen. Und ist damit nicht alleine. In der öffentlichen Wahrnehmung von Unternehmen  wird Woke-sein zunehmend zum Image-Risiko.

Der angeschlagene Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing löst seine Abteilung für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) auf. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg News. Die Mitarbeiter sollen in ein anderes Personalteam integriert werden. Sara Liang Bowen, eine Vizepräsidentin des Unternehmens, die mit der Leitung der DEI-Einheit betraut war, soll das Unternehmen verlassen haben.

Das ehemals sehr erfolgreiche Unternehmen, das den weltweiten Markt für Passagierflugzeuge in einem Duopol mit Airbus beherrscht, steckt seit Jahren in einer selbstverschuldeten Krise. Flugzeuge des Konzerns waren immer wieder durch Sicherheitsmängel aufgefallen. Bei zwei Abstürzen der 737-Max – im Oktober 2018 in Indonesien und im März 2019 in Äthiopien – kamen 346 Menschen ums Leben. Boeing bekannte sich vor Gericht schuldig, die US-Luftfahrtverwaltung während des Zertifizierungsprozesses für das Flugzeug getäuscht zu haben. Im Januar fiel bei einer 737-Max 9 von Alaska Airlines während des Fluges eine Kabinentürabdeckung ab, die Maschine musste notlanden. Obwohl kein Besatzungsmitglied oder Passagier schwer verletzt wurde, löste der Vorfall zahlreiche bundesstaatliche Ermittlungen aus, darunter eine, die ergab, dass das Flugzeug ein Boeing-Werk ohne die vier Schrauben verlassen hatte, die erforderlich sind, um die Türabdeckung an ihrem Platz zu halten.

Nach dem Unfall im Januar hatte der Unternehmer und Blogger Elon Musk Boeing dafür gerügt, Diversität über Sicherheit zu stellen: „Möchten Sie in einem Flugzeug fliegen, in dem die Einstellung von Mitarbeitern nach DEI-Kriterien Vorrang vor Ihrer Sicherheit hat? Das passiert tatsächlich“, schrieb Musk auf X. Er reagierte auf einen Screenshot von Dokumenten, die Boeing bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht hatte. Darin hieß es:

„Während unser Konzept für 2021 die betriebliche Leistung in den Bereichen Produktsicherheit, Mitarbeitersicherheit und Qualität berücksichtigte, werden wir für 2022 zwei weitere Schwerpunktbereiche hinzufügen, die für unseren langfristigen Geschäftsplan von entscheidender Bedeutung sind: Klima sowie Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DE&l).“

In Boeings „Global Equity, Diversity & Inclusion 2023 Report“ heißt es:

„Außerdem haben wir 2022 zum ersten Mal in der Geschichte unseres Unternehmens die Leistungsprämie an die Inklusion geknüpft. Unser Ziel war es, bei mindestens 90 % der offenen Stellen für Manager und Führungskräfte Einstellungsgespräche mit Vielfältigen zu führen. Wir haben dieses Ziel übertroffen, da 92 % der zum Gespräch Eingeladenen vielfältig waren, was zu 47 % vielfältigen Einstellungen auf Management- und Führungsebene führte. Für 2023 haben wir die Messlatte höher gelegt und erwarten, dass mindestens 92,5 % dieser Interviewten vielfältig sein werden.“

Die Radikalisierung der Personalabteilungen

Klar, dass man da nicht auch noch darauf achten kann, dass alle Teile der Flugzeuge ordnungsgemäß verschraubt sind. Worin genau aber besteht der Zusammenhang zwischen Woke-Ideologie und mangelhaften Flugzeugen? Das erklärte ein Whistleblower von Boeing gegenüber dem Anti-Woke-Aktivisten Christopher F. Rufo:

„Statusspiele beherrschen jeden Sitzungssaal des Landes. Die DEI-Erzählung ist eine sehr reale Sache, und bei Boeing wurde DEI mit dem Statusspiel verknüpft. Es ist das, was man annimmt, wenn man weiterkommen will. Es wurde zu einem Mittel zur Macht.“

DEI sei wie ein Tropfen, den man in einen Eimer gieße. „Der ganze Eimer verändert sich.“ DEI sei „Teil der Kultur“ geworden und die Vergütung daran geknüpft. Jede E-Mail der Personalabteilung habe zum Thema: „Inklusion macht uns besser.“ Diese Art der Politisierung der Personalabteilung sei ein echtes Problem in allen Unternehmen:

„Wenn man sich die Autoaufkleber in den Fabriken in Renton oder Everett ansieht, sind es viele konservative Leute, die gerne Dinge bauen – und konservative Leute mögen keine Politik am Arbeitsplatz.“ 

Das führe dazu, dass diese Leute nicht für woke Unternehmen zu gewinnen seien – oder nur durch das Locken mit mehr Geld. Die Radikalisierung der Personalabteilungen schade darum Technologieunternehmen nicht so wie Fertigungsunternehmen:

„Bei Google erzielen sie eine große Gewinnspanne und verfolgen sehr progressive Einstellungsrichtlinien. Da sie 30 bis 40 Prozent mehr Gehalt zahlen als die Konkurrenz, können sie die oberen fünf Prozent jeder gewünschten ethnischen Gruppe an sich binden. Sie können es sich gewissermaßen leisten, die ‚DEI-Steuer‘ zu zahlen und trotzdem Spitzenkräfte zu finden.“ 

Bei Unternehmen mit niedrigeren Margen in etablierten Industrien könne dies jedoch „katastrophale Folgen“ haben:

„Sie spielen Reise nach Jerusalem, und wenn Sie dasselbe tun wie Google, werden Sie am Ende die unteren 20 Prozent der bevorzugten demographischen Gruppe haben.“

Boeing hat einen neuen Chef

Wieso hat Boeing sich nun entschieden, das Spiel nicht mehr länger mitzumachen? Ein wichtiger Grund ist der neue Vorstandsvorsitzende, Kelly Ortberg, der seit August im Amt ist. Er hat die Aufgabe, den kranken Konzern wieder gesund zu machen und weiß, dass dies damit anfängt, den Bau von Flugzeugen wieder zur Priorität zu machen. Eine der ersten Maßnahmen, für die er viel Lob bekam, war, in Seattle zu arbeiten – da, wo die Flugzeuge gebaut werden. Dort war 85 Jahre lang der Sitz der Unternehmensführung, ehe er 2001 nach Chicago und dann 2022 nach Arlington, Virginia, verlegt wurde. Ortberg teilte mit:

„Da das, was wir tun, komplex ist, bin ich fest davon überzeugt, dass wir näher an die Produktionslinien und Entwicklungsprogramme im gesamten Unternehmen heranrücken müssen. Ich plane, in Seattle zu sein, damit ich in der Nähe der Verkehrsflugzeugprogramme sein kann.

Das klingt nach Bodenständigkeit und gesundem Menschenverstand.

Konzerne und die öffentliche Meinung

Auch von außen wird in den USA öffentlicher Druck auf Unternehmen ausgeübt, ihre DEI-Programme einzustellen. Ein solcher Anti-Woke-Aktivist ist Robby Starbuck, über den die New York Times am 1. November eine Reportage brachte (Überschrift: „Der Anti-D.E.I.-Agitator, den große Unternehmen am meisten fürchten“). Die muss schon vor Wochen in Arbeit gewesen sein, und Boeing wird darin auch nicht erwähnt. Es geht u.a. um Tractor Supply, einen Verkäufer von Landwirtschaftsmaschinen, der Pride Events veranstaltete, Covid-Impfungen der Mitarbeiter mit 50 Dollar belohnte und LGBTQI+-Mitarbeiter förderte. Starbuck, so die Zeitung, habe die Öffentlichkeit darüber informiert, was dazu geführt habe, dass sich Tractor Supply von der DEI-Politik verabschiedete. In den folgenden Monaten sei Starbuck weiteren Managern auf die Nerven gegangen. Über die Folgen heißt es in dem Beitrag:

John Deere, Harley-Davidson, Caterpillar, Stanley Black & Decker, Jack Daniels, Lowes, Ford Motor, Molson Coors und zuletzt Toyota. Alle haben seitdem einen Rückzug von ihren D.E.I.-Richtlinien angekündigt, obwohl fast keiner die Gründe für diesen Artikel erläutern wollte.“

Starbuck reklamiert auch – ohne beweisen zu können, dass es wirklich so ist – Boeings Entscheidung für sich. „Vor Wochen“, so schrieb er auf X, habe er den neuen CEO von Boeing darüber informiert, dass er vorhabe, ihre „Woke“-Richtlinien aufzudecken. „Heute nehmen sie eine GROSSE präventive Änderung vor.“ Weiter behauptet er:

„Unsere Kampagnen sind so effektiv, dass wir einige der größten Unternehmen der Welt dazu bringen, ihre Richtlinien zu ändern, ohne dass ich vorher auch nur ein Video poste, nur aus Angst, sie könnten das nächste Unternehmen sein, das wir entlarven. Die Landschaft der amerikanischen Unternehmen wandelt sich schnell in Richtung Vernunft und Neutralität.“

New-York-Times-Reporter David Segal, der über Starbuck berichtet, beschreibt das Rennen als offen. Auf der einen Seite könne die DEI-Lobbyorganisation The Human Rights Campaign über Erfolge berichten. An ihrem Corporate Equality Index („Unternehmerischer Gleichheitsindex“) nähmen mehr Unternehmen teil denn je zuvor. Auf der anderen Seite, so der Journalist, hätten Google und Meta ihre DEI-Programme reduziert. Und die Society for Human Resource Management, eine Organisation für Personalabteilungen, die 340.000 Mitglieder hat, verkündete im Juli, das Wort Equity (Gleichberechtigung) aus dem DEI zu streichen, da es zu einer „Ablenkung“ geworden sei. Starbuck glaubt:

„Wir sind jetzt der Trend, nicht die Anomalie. Wir gewinnen, und nach und nach werden wir die Vernunft in die amerikanischen Unternehmen zurückbringen.“

Für unsere Rubrik „Achgut zum Hören“ wurde dieser Text professionell eingelesen. Lassen Sie sich den Artikel hier vorlesen.

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).

Foto: Montage achgut.com

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Leserpost

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Tomas Wolter / 08.11.2024

@Gerhard Rasch. ,,Equity bedeutet nicht Gleichberechtigung, sondern Gleichheit, also gleiches Ergebnis.” Man kann nicht oft genug darauf hinweisen!

Gerhard Rasch / 08.11.2024

Equity bedeutet nicht Gleichberechtigung, sondern Gleichheit, also gleiches Ergebnis. Equality bedeutet Gleichberechtigung. Es ist das alte Ergebnisgleichheit vs. Chancengleichheit. Ergebnisgleichheit ist Sozialismus. Wieder so eine linke (hintenrum) Wortverdrehung.

Peter Reuter / 08.11.2024

Im Spiegel oder FAZ wird sicher wieder stehen: “Boeing knickt vor Rechten ein” :-))

Wilfried Cremer / 08.11.2024

Hallo Herr Frank, Vielfalt auf den Flügen ist seit eh und je schon üppig gang und gäbe. Wenn man sich die netten Flugbegleiter anschaut, weiß man das. (Und nebenbei ein neues Wort gelernt: Duopol. Erinnert mich an einen kleinen Schokosnack. Wie hieß der gleich nochmal?)

Johannes Schuster / 08.11.2024

Ortberg kommt ja auch aus der Technik und ist kein sozialtherapeutischer Schwätzer.  Was das Desaster mit dem Starliner gezeigt hat: Schwarz sein und eine Fluntsch werbewirksam abdrucken lassen reicht nicht um saubere Technik zu produzieren. Ted Colbert war nur woke und das war für die Nutzer des Produktes lebensgefährlich. Das war der Maxwell Chikumbudso für die Raumfahrt. Und jetzt können die alten weißen (angeblich rassistischen) Männer hergehen um den Sauladen wieder zu sanieren. Dabei muß man hier eines ganz klar als Risikofaktor benennen, ob das einem passt oder nicht: Der Anteil schwarzer Ingenieure ist deshalb so gering, weil die Tradition eine andere ist. Gospel ist auch keine weiße Domäne und ein weißer Gospelchor klingt immer nach dem Versuch aus dem ave Maria mit LSD etwas Lebensfrohes zu zaubern. Sister Act auf Weiß funktioniert NICHT.  Wenn man Volkswirtschaft bewertet, muß man auch die kulturell bedingten Domänen einfach als Faktor einrechnen. Schwarze haben eine körperliche Lebenskultur, die ich beneidenswert finde, weil ich mir bei jeder Tanzbewegung einen Orthopäden holen müsste. Allerdings sind Schwarze in der Technik dünn gesäht. Man hat gedacht, mit Moral und Programm könnte man die Boot - Programme des Menschen verändern: Aus Weißen Schwarze und aus Hispanics die vikorianische Oberschicht durch Meditation ersetzen. Das einzige, was bei diesem linken Schwachsinn rauskam ist eine Antisemitismuswelle und die Notwendigkeit nun tatsächlich “aufzuräumen”, was das linke Spektrum wieder als Rassismus anklagen wird.  Wenn sich diese Taylor Swifts vor ein Defizit durch die P. Diddys gestellt sehen werden, wird sowie so wieder klamheimlich eine “Abscheidung” erfolgen. Dieser ganze woke Irrsinn hat genau das Gegenteil davon produziert, was er vorgab erreichen zu wollen.  Es gibt kein Black engineering und keine Erotik in Schwaben.

Andreas Mertens / 08.11.2024

“Get woke, go broke!”  “Und das ist auch gut so” ... um es mit den Worten eines woken deutschen Bürgermeisters einer Stadt zu sagen die extrem broken ist.

Rolf Mainz / 08.11.2024

Woke ist, wenn Einfalt Vielfalt definiert.

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