Es gibt Nachrichten, die Spiegel Online aus Chronistenpflicht kurz erwähnen muss, etwa die bürgerkriegsähnlichen Krawalle von Linksextremisten am Samstag in Leipzig. „Dutzende Verletzte bei Krawallen bei Neonazi-Demo“ meldet das Relevanzportal, um das öde Thema schnell wieder zu verlassen .
Manchen Ereignissen wohnt allerdings eine Dramatik inne, die ein einzelner Text gar nicht fassen kann. Deshalb widmete SpOn einem erschütternden Vorfall aus dem ewig unruhigen Nahen Osten gleich zwei Geschichten kurz hintereinander: Kaiya, die adoptierte Hündin des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, hatte bei einem Chanukka-Empfang in der vergangenen Woche zwei Gäste gezwickt.
Zwar heuchelten die Opfer, es sei ihnen weiter nicht passiert, scheiterten mit diesem Versuch allerdings an der Hartnäckigkeit von SpOn, einem Medium mit Grundsätzen. „Natürlich gehört es zum Profil von SPIEGEL ONLINE, konstruktiv über das Weltgeschehen zu berichten und dieses auch überraschend abzubilden“, versprach Chefredakteur Florian Harms seinen Lesern vor einiger Zeit. Und deshalb („Artikel, die weitergehen“) musste es konstruktiv und überraschend weitergehen mit Kaiya Höllenhund, Part II: „Israels Premier will Gesetz für seinen Hund ändern.“ Die Bildunterschrift lautet: „Premier Netanjahu: bissige Attacke.
Netanjahu hatte sich nämlich Gedanken darüber gemacht, ob ein Tier wirklich, wie bisher vorgeschrieben, auch bei eher harmloser Übergriffigkeit in eine zehntägige Quarantäne gesteckt werden muss. Schon die SpOn-Überschrift ist ein Produkt des erlesenen Schwachsinns: Weder gibt es ein eigenes Gesetz für Netanjahus Hündin, noch möchte der Premier das geltende Recht speziell für sie ändern lassen. Aber wirklich zu großer Form läuft erst das Spiegel-Online-Publikum im Diskussionsforum unter dem Artikel auf. Die Mischung: jüdischer Bluthund plus jüdischer Machtmissbrauch - das zieht offenbar. Nämlich unweigerlich den Schlamm vom untersten Brunnenboden ganz nach oben.
Seit einiger Zeit schaltet SpOn unter sehr vielen Beiträgen die Kommentarfunktion mit der Begründung ab, es kämen zu viele beleidigende und rassistische Kommentare. Gleich unter dem Kaiya-Report erfährt jeder – einen robusten Magen vorausgesetzt – was bei den konstruktiven und überraschenden Weltabbildern alles als veröffentlichungsreif gilt.