Roger Letsch / 07.10.2022 / 16:00 / Foto: nao-cha / 18 / Seite ausdrucken

Blindverkostung im Veggieland

Eine BiFi-Rolle auf die Schnelle bröselt mürbe und porös wie die Knochen eines hundertjährigen Osteoporotikers. Was zum Teufel ist das? Erst jetzt sehe ich das Klingelwort „Veggie“ auf der Verpackung – ich habe in eine Transwurst gebissen!

Ich bin spät dran. Das Frühstück muss also ausfallen. Der Hunger meldet sich leider schon am Ortsausgangsschild, kann jedoch mit dem Hinweis, irgendwo auf der Autobahn schnell gestillt zu werden, zum Verstummen gebracht werden. So vorzugehen, gebietet allein schon die Vernunft, denn nichts unterbricht ein Kundengespräch peinlicher als ein knurrender Magen, der deutlich hörbar ruft: „Geben Sie mir den Auftrag, ich habe Hunger und brauche das Geld!“ Die erste Autobahn-Raststelle wird also genutzt, um rasch und ohne viel Nachdenken ein paar typische Snacks einzukaufen. Alles zwar ess-, aber sicher kaum genießbar, funktional wie Schiffszwieback oder Einmannpackungen bei der Armee. Zweck schlägt Genuss und so eine in undefinierbaren Teig eingebackene Minisalami ist in zweiter Linie auch noch praktisch, weil man sich dank eines Teigmantels mit der Konsistenz von Fensterkitt die Finger nicht fettig macht und die Kalorienzufuhr nebenbei und während der Fahrt erledigt werden kann. Einfach aufreißen und reinbeißen.

Jeder weiß, wie langweilig die Dinger schmecken, aber schon beim ersten Bissen hatte diese BiFi-Rolle meine ganze Aufmerksamkeit. Die Teighülle hatte so gar nichts Zähes, sondern bot dem Biss überhaupt keinen Widerstand. Mürbe und porös wie die Knochen eines hundertjährigen Osteoporotikers bröselte es und gab den Weg frei auf das Röllchen im Inneren. Der Weg durch den Teig war zu kurz, um noch verdutzt innehalten zu können. Der Eindruck von Mürbheit verstärkte sich in der Mitte noch und der fleißige Archivar in meinem Kopf suchte im Textur-Archiv verzweifelt nach bekannten Dingen. Im Abschnitt „Lebensmittel“ wurde er nicht fündig, „Salami“ oder auch nur „salamiartig“ verwarf er sogleich. In was hatte ich da gerade gebissen? Mittlerweile kam auch der Geschmack beim Gedächtnisarchivar an, der jedoch nur mit aufgerissenen Augen und kopfschüttelnd die Schultern hochzog. „Keine Ahnung, was das sein soll! Ich tippe auf Kohlenanzünder oder Styropor.“ Fehlte nur noch der Augenschein und der ergab eine orange-rote, glanzlose Masse an der Stelle, wo eigentlich die Salami sein sollte.

Erst jetzt bemerkte ich das Klingelwort „Veggie“ auf der Verpackung. Ich hatte mich wohl in der Eile vergriffen. In dem Moment erinnerte ich mich an diesen grenzdebilen Werbespot auf YouTube, in dem sich ganz zeitgemäß nur Loser und Deppen in peinlichen Posen und Klamotten tummelten und das Ergebnis dem Betrachter als das „Neue Normal“ verkauft werden soll. Der Spot warb für eben jene neue „Veggie-Bifi“, von der ich jetzt eine Probe im Mund hatte, mit dem Spruch: „Wenn Weizen BiFi sein will, dann machen wir das möglich.“ Ich hatte soeben in eine Transwurst gebissen!

Der Weizen wollte es so, und da heute jeder alles sein oder wollen kann, ohne dass Kritik erlaubt ist, tut man dem verwirrten Weizen eben den Gefallen. Mein Problem war natürlich die Blindverkostung, so ganz ohne Kennenlernen, political correctness und Pronomen. Der gute Wille, den Weizen nicht zu verletzen und sein Salamistreben nicht durch zu hohe oder gar normative Ansprüche an Geschmack, Textur, Farbe oder Funktion zu stören, hatte sich vorab nicht einstellen können. Jeder brave Veggie-Bürger hätte doch anerkannt, dass auf der Verpackung „BiFi“ steht, eine Teighülle vorhanden ist und in der Mitte ein irgendwie roter, runder Zentimeter auf den geneigten Esser wartet. Das muss ja wohl reichen!

Doch auch für den ersten unfreiwilligen Eindruck gibt es keine zweite Chance und meine beleidigten Sinne urteilten in aller Härte: Alles Weizenartige hatte man diesem Weizen ausgetrieben und dennoch ist keine Salami aus ihm geworden. Nur eine politisch korrekte Zumutung. Außerdem habe ich einen Verdacht: der Weizen wollte gar nicht BiFi sein!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

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Leserpost

netiquette:

Peter Woller / 07.10.2022

Ich mach`s wie Horst Schimanski aus den damaligen Duisburger Tatorten. Es geht doch nichts über eine Currywurst und eine Dose Bier.

K. Schmidt / 07.10.2022

Diese Welle ist doch schon am Absterben. Zwischendurch versuchten die Wursthersteller und Supermärkte noch, ihre Kunden für Fleischersatz und gesteigertes Tierwohl zu begeistern. Inzwischen ist aber allen klar, dass 97% der Kunden wieder beim Billigfleisch landen werden. Nur ist das jetzt einiges teuerer gerworden, so wie alles andere auch.

Hans-Peter Dollhopf / 07.10.2022

;))))) Es heißt nicht umsonst LGBiFiTQ! Was haben Sie für diese Getreidetranslation gelöhnt, Herr Letsch? Ein Weizenbier, ein Paar Weißwürscht mit süßem Senf plus Brezel dürften wohl günstiger gekommen sein, oder?

fritz klein / 07.10.2022

Früher in der GAZ (in der Guten Alten Zeit) nannte man so ein Geschäftsgebahren Bauernfängerei oder auch schlicht Betrug durch Vorspiegelung falscher Tatsachen (Zum Vergleich: Apple mahnt alle Firmen ab, die auch nur ansatzweise ein Apfellogo führen). Heute ist wie überall neuerdings nicht der Täter schuld (der Hersteller), sondern das Opfer, d.h. der Kunde als Käufer eines eigentlich ungewollten Produkts durch falschen Anschein.

Emmanuel Precht / 07.10.2022

Herr Letschs, ein weiterer Lesegenuss, ganz und gar aus der echten Gänsefeder. “Textur-Archivar” - köstlich. Aber wussten Sie, dass Trans-Windkraftanlagen eben Windkraftanlagen sind! Punkt! Was eine Trans-WKA zuvor war? Na ein AKW. Wohlan…

Thomas Szabó / 07.10.2022

Ich erinnere mich an ein maskulines Fräulein oder einen femininen Jüngling in der U Bahn. Ich betrachtete ihn, sie möglichst beiläufig und unauffällig. Gebärfreudiges Becken, du bist eine junge Dame, maskuliner Blick, also ein junger Mann, schlanke Arme, also ein Weibchen, Beule in der Hose, ein Männchen, nein, geschlechtsneutrale Kleidung, unbestimmte Frisur, das hilft mir nicht weiter, ich muss aussteigen, soll ich ihn, sie ansprechen, um einen Anhaltspunkt zu gewinnen, würde ich sie, ihn von der Bettkante stoßen oder heiraten? Er, sie, es sieht nicht schlecht aus, aber was soll ich dem Standesbeamten sagen? Ich stieg aus und ließ das Mysterium der Sphinx ungelöst; möge es ein Ödipus enträtseln und sich einer Überraschung erfreuen.

Harald Unger / 07.10.2022

Diese Website: thinkamericana/heres-96-examples-that-the-food-shortages-are-being-created-not-predicted/ - gibt einen Überblick zu den 96 großen bis sehr großen Bränden in Lebensmittel Industrieanlagen in den USA, seit 2021. Gleichzeitig kauft die CCP im ganz großen Stil Ackerland und ist auf Platz zwei der größten ‘privaten’ Großgrundbesitzer von Farmland in Amerika aufgestiegen. Der größte Farmer der USA ist übrigens Xi’s best buddy Bill ‘ich bestimme was du zu essen hast’ Gates. Im global horizontalen Politbüro der Weltherrscher, ist man sich einig. “Soylent Red” und “Soylent Yellow” für die Überlebenden der modRNA Euthanasie. Und bei Machthabers geht’s zu, wie z.B. beim sogenannten Bundeslandwirtschaftsminister Zuhause. Das edelste, südamerikanische Steakfleisch am ganz großen Stück. Oder bei Grünens im Wiesnzelt: Die fetteste, tischfüllende Schlachtplatte ist gerade gut genug.

Dr. Joachim Lucas / 07.10.2022

Das ist einwandfrei Kriegsersatznahrung gewesen. Sowas machen heutzutage die Masochisten als Nahrungszuführung.  Irgendwann fallen ihnen ihre zerbröselnden Zähne aus und weitere Mangelkrankheiten werden sich einstellen. Alles das erinnert mich, wie so vieles bei den Bolschewoken und Veganisten an Monty Pythons “Das Leben des Brian”. Die Szene mit dem Einsiedler in seinem Loch in der Wüste, der sich ausschließlich von den komischen Beeren eines Busches ernährt. Das waren echte Visionäre.

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