Vera Lengsfeld / 22.12.2019 / 16:00 / 9 / Seite ausdrucken

Blick in die Zukunft: Der zweite Schlaf

Am Spätnachmittag des 9. April 1468 suchte ein Reiter seinen Weg durch das wilde Wessex. Sein Bischof hatte den jungen Mönch losgeschickt, um einen verstorbenen Pfarrer in einem abgelegenen Dorf zu beerdigen. Er kommt schließlich in dem Pfarrhaus an, wo er nicht nur den toten Pfarrer, sondern jede Menge verbotene Artefakte und Bücher vorfindet, darunter die zwanzigbändige Ausgabe der Forschungsergebnisse der geächteten „Gesellschaft für Altertumsforschung“. Als er noch ein Kind war, hatte er der Verbrennung dieser Bücher auf dem Scheiterhaufen von Essex beigewohnt. 

Neben dem Bücherregal steht ein Vitrine, die allerlei Antikes enthält: Kugelschreiber, Plastikpuppen, seltsame, wie Birnen geformte Gläser, die ein Loch am Ende haben, das mit spiralförmigen Rillen verziert ist und ein schwarzes handtellergroßes Gerät, dünner als sein kleiner Finger, auf dem ein angebissener Apfel eingraviert ist. Erst da, im dritten Kapitel, wird dem Leser auf diese Wiese mitgeteilt, dass die Handlung nicht in unserem Mittelalter spielt, sondern im Jahr 800 nach der apokalyptischen Katastrophe, die eine ganze Zivilisation ausgelöscht hat. 

Reste dieser Zivilisation findet man überall im Land. Man kann kaum einen Garten umgraben, ein Feld pflügen oder einen Graben ausheben, ohne auf menschliche Skelette und ihre Hinterlassenschaften zu stoßen. Hauptsächlich ist es Plastik und Glas, was die Zeiten überlebt hat. Metall ist fast vollständig verrostet, der Beton zerbröselt. Von der alten Zivilisation haben nur die steinernen Kirchen überdauert, die den Überlebenden der Katastrophe, von der man nie erfährt, was sie ausgelöst hat, Schutz boten und der Ausgangspunkt für den Aufbau einer neuen Zivilisation wurden. 

Mehr als 60 Millionen Menschen sollen vor der Katastrophe in England gelebt haben. Jetzt zählt es kaum sechs Millionen Einwohner, die kaum das 50. Lebensjahr erreichen. 

Dem jungen Priester ist beim Anblick all der verbotenen Dinge klar, dass sich der verstorbene Pfarrer der Ketzerei ergeben und streng untersagte Altertums-Forschungen angestellt hat. Er kann aber seine Neugier nicht bezwingen und fängt an zu lesen. Dadurch erfährt er, dass sich die Nachforschungen des Verstorbenen auf ein Gebiet nahe des Dorfes, genannt der Teufelsstuhl, bezogen haben. Fairfax, so heißt der Priester, findet schließlich einen Brief aus der Zeit vor der großen Katastrophe, geschrieben von einem Nobelpreisträger der Physik, der den Zusammenbruch der Zivilisation voraussah und beschlossen hatte, am Teufelsstuhl eine Arche zu errichten, in die er sich mit seiner Familie und seinen Freunden zurückziehen konnte. London, so schrieb er, wäre nur wenige Mahlzeiten vom Verhungern entfernt, man müsste im Ernstfall in abgelegene ländliche Regionen ausweichen, bevor der große Exodus aus den Städten einsetzt.

Harris schildert die repressive Atmosphäre der neuen christlichen Zivilisation, die frühmittelalterlich anmutet, aber ohne die Schönheit auskommen muss, die unser Mittelalter hervorgebracht hat. Nur die Natur hat sich erholt und umgibt die Menschen mit einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Die Legenden der untergegangenen Zivilisation sind schwach, vor allem leben sie im Dorf fort, in den Spielen der Kinder, denen der Pfarrer erzählt hat, dass die Vorfahren sich nicht nur mit unglaublich schnellen Gefährten fortbewegten, sondern auch fliegen konnten. Wie sie das angestellt haben, weiß man nicht. Sie waren unglaublich gesund, wurden bis zu hundert Jahre alt und gingen doch unter.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit macht sich ein kleiner Trupp um Fairfax zum Teufelsstuhl auf, um dort nach der vermuteten Arche zu graben. Bevor sie aber den eigentlichen Bunker finden, entdecken sie ein Massengrab und eine Hinrichtungsstätte. Im Bunker finden sie dann tatsächlich das Skelett des Nobelpreisträgers, dessen Medaille neben seinem Sarg auf einem Etwas liegt, das wie ein zerfallenes Kissen aussieht. In der Grabkammer sind rund um den Sarg Geräte mit dem angebissenen Apfel ausgestellt. Zeichnungen an der Wand zeigen, dass der Arche-Erbauer wie ein Gott verehrt wurde.

Ganz zum Schluss, kurz bevor eine Schlammlawine den Bunker unter sich begräbt, kommt Fairfax die Erkenntnis, dass die Hingerichteten die ursprünglichen Dorfbewohner waren, die von den London-Flüchtlingen als Nahrungs-Konkurrenten beseitigt wurden. Als sich die Verhältnisse nach der Katastrophe normalisiert hatten, nahmen die Flüchtlinge das Dorf in ihren Besitz. Die Bewohner, die Fairfax dort kennengelernt hatte, waren ihre Nachfahren.

Robert Harris, der seit „Vaterland“ nur internationale Bestseller geschrieben hat, ist wieder ein packendes Buch gelungen. Ich konnte es kaum aus der Hand legen. Vor allem die Beschreibung, was von unseren großartigen Errungenschaften eigentlich übrig bleibt: Plastik und Glas, macht sehr nachdenklich. Von den Bauten, die heute in den Himmel wachsen, wäre in achthundert Jahren nichts mehr zu sehen. Nur die Kirchen überdauern. Harris zeigt, was das Ergebnis der derzeitigen Politik einer selbstmörderischen Zerstörung funktionierender und überlebensnotwendiger Systeme und Infrastrukturen sein könnte, man denke nur an die ideologische Destabilisierung der Stromnetze, verbunden mit der wachsenden Gefahr eines großflächigen, mehrtägigen Blackouts. Ein Buch für alle, die mutig genug sind, die trügerische Komfortzone zu verlassen und möglichen Gefahren ins Auge zu sehen.

Robert Harris: Der zweite Schlaf 

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Leserpost

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ATH Polzin / 22.12.2019

Realität schlägt Fiktion. Zum Beweis ein Stück dass das Buch von Harris in jeder Hinsicht in den Schatten stellt. Man führe sich zu Gemüte „Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Grundrechten von Menschen afrikanischer Abstammung in Europa“ (Originaltitel EU-Parlamentsseite zum Entschließungsantrag). Siehe dazu auch TE. Ich wünsche besinnliche und sorglose Festtage!

Rolf Lindner / 22.12.2019

Um die “weiße” Zivilisation auszulöschen reicht die Geburtenrate von ca. 1,4. Größerer Katastrophen oder sonstiger Ereignisse bedarf es nicht. Heute lief im NDR eine Sendung über Weihnachten auf Rügen. Bäderarchitektur, Gutshäuser und der “Rasende Roland”. Wird alles noch vorwiegend von relativ alten Leuten am Leben erhalten. Frauen mit der Fahne des Islam um den Kopf waren noch nicht zu sehen - noch nicht!

Wolfgang Kaufmann / 22.12.2019

Seit jeher wissen Bilderstürmer und Techno-Paniker, dass kein Mensch eine Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h überleben kann. Insofern können tönende Bilder auf einer Küchenkachel nur Zauberei sein. Das Ministerium für Fortschritt hat dergleichen zu Recht verboten. Weniger ist bekanntlich mehr, vor allem beim IQ. – Wenn der Europäer Mittelalter will, soll er es kriegen. So gewinnt man auch die Stimmen der Neubürger.

Margit Broetz / 22.12.2019

Wahrscheinlich ist eher, daß Spuren der Jahiliya (d.h. der “Zeit der Unwissenheit” also vor der Alleinherrschaft des Islam) sorgfältig ausgemerzt und zerstört wurden, so wie die Tempel und Kunstwerke in Palmyra und die Buddha-Statuen von Bamiyan. Auch Musikinstrumente wurden systematisch zerstört, denn Musik ist haram. Der Gesandte Gottes wird auch keinerlei Neugier verspüren, etwaige Fundstücke zu untersuchen oder gar satanische Texte zu lesen, denn wie den meisten Gottesfürchtigen wurde ihm schon als Kind in der Medresse alle Neugier und jeder Zweifel ausgetrieben! Wer also bereits heute, in der Zeit der Jahiliya, einen Blick in die Zukunft riskieren möchte, gugelt mal Savile Town in Großbrexitannien, eine Kleinstadt, die 2016 immerhin noch von fast einem Prozent weißer Briten bewohnt wurde, knapp 40 Personen. Ähnlich wie z.B. St.Denis, in der Nähe von Paris, Frankreich.

Dr. Daniel Brauer / 22.12.2019

Sehr geehrter Herr Schäfer, auch im Buch, zumindest im engl. Original das ich kenne, wird von einem Kalifat auf brit. Boden berichtet, mit dem der Kirchenstaat im andauernden Krieg befindlich ist. Harris hat tatsächlich auch daran gedacht, was mit der muslimischen Bevölkerung Britanniens passieren könnte.

Dr. Gerhard Giesemann / 22.12.2019

800 Jahre? So lange wird’s bestimmt nicht dauern, richten wir uns auf kürzere Zeiträume ein. Neulich las ich irgendwo: “Der Wolf gehört nicht nach Deutschland” - weil er schon ein paar tausend Nutztiere gerissen hat. Was aber bereits in DE ist, das ist der Graue Wolf, der Erkennungsgruß wirkt Wunder bei jungen Türken, ist dasselbe Zeichen wie der “Schweigefuchs” der Kindergärtnerinnen, pardon Erzieherinnen. Sie zeigen den den Kinderchen, wenn es gar zu laut ist. Die wissen das bloß nicht. Erdogan zeigte den Gruß gerne und oft bei seinem letzten Staatsbesuch hier, zur Einweihung der Moschee-Kaserne in Köln. Ob die wohl noch stehen wird? Immerhin deutsche Wertarbeit. Wer Mittel- und Ringfinger einer Hand auf den Daumen legt, den kleinen und den Zeigefinger nach oben reckt, der hat den Schweigefuchs formiert - zugleich das Wolfs-Zeichen der türkischen Grauen Wölfe, also der türkischen Faschisten. Da schweigt des Sängers Höflichkeit. Den Rabbia-Gruß zeigte er ebenfalls ständig: Das ist der der Moslembrüder. Vier Finger nach oben, den Daumen in die Handfläche legen. Will heißen: EIN Moslem - also der Daumen - genügt vollauf, um vier Frauen (plus X) ständig schwanger zu halten. Das bedeutet für uns Hypofertile: Man hat drei von vier Jungkerlen für den Dschihad - ohne jede demographischen Einbußen. Die Welt ist voller Tücken, Wien 1683 (Inschrift an der Wand eines Pissoirs, so gefunden in Wien).

toni Keller / 22.12.2019

Im Vergleich zu dem was uns droht, ist das noch eine nette Zukunft die hier geschildert wird, sagt sie doch aus, dass die Esseintals der christlich-abendländischen Kultur überleben werden, ja sogar die Zufluchtsstätte in dunklen Zeiten für die Menschen sein werden. So war es in den wahrhaft dunklen Zeiten nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums, auch und wenn vorher, während und danach nicht alles Gold war, was glänzte. Diesmal ist es so, dass das was Arche sein könnte aktiv zerstört wird, und das unter dem Jubel aufgeklärter Zeitgenossen, zur mehr oder weniger heimlichen Freude unserer Neubürger sowie unter aktiver Beteiligung der Kirchenleute! Verbieten wird die Altertumsforschung, wie überhaupt jegliche Forschung eine ganz andere Gruppe und die werden keine Pfarrer haben, die doch das Denken wagen, Mönche die frei sind vom täglichen Kampf ums Dasein und deshalb gut denken können auch und weil sie gewisse Bedürfnisse zu transzendendieren lernen, die wird es auch nicht geben. Dennoch gesegnete Weihnachten und vielleicht kommt der gute Gott doch!

Georg Dobler / 22.12.2019

Beim Graben werden sie kleine Stecker finden, anhand von noch lesbarer Plastikverpackung als usb-stick bezeichnet. Angeblich sind darauf Musik, Bücher und sonstige Informationen. Sie werden es untersuchen und feststellen dass nichts darauf ist. Lesegeräte anhand derer sie die Informationen sehen könnten haben sie ja nicht. Sie werden denken, müssen das Spinner gewesen sein früher, sie behaupten dass “Informationen” in kleinen Steckern stecken, aber die sind total leer, kein Nachweis von irgendwas. Vielleicht finden sie noch Aufzeichnungen über eine Medizin, wo damals schon Spinner behaupteten in einer Flüssigkeit seinen “Informationen” obwohl nachweislich nichts, kein Wirkstoff” drin war.

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