Nach den antijüdischen Ausschreitungen in Amsterdam und anderswo denken viele Juden über Flucht nach Israel nach. Doch sie sollten lieber den Kampf aufnehmen – und die Deutschen sollten ihnen beistehen.
Seit dem Amsterdamer Pogrom vom 7. November, bei dem arabische und nordafrikanische Jugendliche israelische Fußballfans, die zu einem Spiel in die holländische Hauptstadt gekommen waren, verfolgten und angriffen, höre ich immer häufiger die Forderung, die Juden sollten das sterbende Europa verlassen. Überzeugte Zionisten warnen uns: Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.
Sie kritisieren, dass die niederländische Polizei Warnungen vor den Anschlägen ignoriert hat. Zu allem Überfluss wehrt sich der Amsterdamer Bürgermeister dagegen, die Judenjagd, bei der mehrere Dutzend Juden verletzt wurden, als „Pogrom“ zu bezeichnen, weil das „Islamophobie“ befördere.
Ayaan Hirsi Ali, eine Ex-Muslimin aus Somalia, die im niederländischen Parlament saß, schrieb auf X: „Die Hamasifizierung eines beträchtlichen Teils der Muslime in den Niederlanden nimmt weiter zu. Die Juden in Holland sind in der Minderheit. Diejenigen, die zu alt sind, um umzuziehen, werden wohl weiterhin dort leben. Die jüngeren Generationen werden aber wohl erwägen, sich anderswo niederzulassen. Einige Tage nach dem Anschlag rief eine israelische Freundin aus Berlin an und teilte mir mit, dass sie darüber nachdenke, wieder nach Israel zu ziehen. Sie befürchte, dass ein Pogrom in Berlin bevorsteht.
Bleiben und Kämpfen
Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch in Israel Pogrome gibt, sagte ich ihr. Der 7. Oktober war das tödlichste Pogrom, das wir seit dem Holocaust erlebt haben, und das ausgerechnet auf dem Boden des jüdischen Staates, der uns schützen soll. Auch die IDF wurden vor einer möglichen Invasion gewarnt. Viele in der Führungsriege der IDF waren nicht weniger selbstgerecht als die lokalen niederländischen Behörden.
Wenn man es so betrachtet wie sie, dann düften Juden heutzutage auch nicht mehr in Kanada leben. Als Enkelin von Holocaust-Überlebenden bin ich besonders wachsam, aber ich glaube immer noch nicht, dass jetzt die Zeit für Juden ist, Europa zu verlassen. Es ist vielmehr die Zeit, zu bleiben und zu kämpfen, zusammen mit unseren Verbündeten. Wir sind nicht, wie Ali sagte, in der Unterzahl. Wir sollten die gesamte deutsche Gesellschaft bei uns haben, die mit uns kämpft.
Die wahre Wiedergutmachung für den Holocaust kann diesmal nicht darin bestehen, die Juden zu ermutigen, nach Israel zu fliehen. Die wahre Wiedergutmachung besteht darin, für eine starke jüdische Diaspora zu sorgen, indem wir den gewalttätigen Judenhass in seinen Grundfesten bekämpfen, besonders in Deutschland. Aber zu lange dachte Deutschland, es könne die Sünden des Holocausts auf eine Weise korrigieren, die sie verstetigt.
Deutschland ist ebenfalls gespalten
Seit 2015 importiert Deutschland die geistigen Erben der Nazis: eine beträchtliche Anzahl islamischer Radikaler, die vom Völkermord an den Juden träumen. Was noch schlimmer ist: Deutsche Medien und Politiker haben diejenigen, die sich gegen diese Migration wehren, als „rechtsextrem“, „faschistisch“ und „Nazis“ abgestempelt! Solange deutsche Politiker die Gegner der unkontrollierten Zuwanderung aus Ländern, die von Antisemitismus durchdrungen sind, weiter diffamieren, hat meine Freundin vielleicht recht, wenn sie weg will.
Einige Analysten sind der Meinung, dass der 7. Oktober deshalb geschehen ist, weil Israel schwach und gespalten war. In ihrem Widerstand gegen die Justizreform Anfang 2023, die die Macht des liberalen Obersten Gerichtshofs Israels beschnitten hätte, ging die Linke auf die Straße und sorgte mit Boykotten und Betriebsstilllegungen, auch innerhalb der IDF, für Chaos. Indem Israel seine Energien auf ein unwichtiges Thema konzentrierte, wurde es unvorsichtig, und die Hamas war bereit, anzugreifen. Es bedurfte eines blutigen Massakers, um Israelis erneut dazu zu bringen, zur nationalen Einheit aufzurufen.
Deutschland ist auf ähnliche Weise gespalten, und wenn sich die gegnerischen Parteien in Deutschland nicht zusammenreißen, dann richtet sich das Land für seinen eigenen 7. Oktober in den Straßen von Berlin, Hamburg, Frankfurt, in seinen Dörfern und Städten her. Die Dschihadisten mögen zunächst vor allem Juden angreifen, aber Juden sind die Pufferzone, im Nahen Osten und in der europäischen Gesellschaft.
Die palästinensische Flagge und das Hakenkreuz
Angesichts der bevorstehenden Wahlen müssen die Linke und die Rechte, die Liberalen und die Konservativen in einen Dialog und in eine würdige Debatte eintreten und die existenziellen Probleme unserer Zeit tatsächlich in den Griff bekommen, wobei die Bedrohung durch antisemitische Gewalt durch Islamisten ganz oben auf der Liste steht.
Die Bürgerinnen und Bürger können ihren Teil dazu beitragen, indem sie ihre Stimme erheben und sich bei ihren lokalen Regierungen dafür einsetzen, dass Angriffe auf Juden gnadenlos geahndet, verhindert und unterbunden werden. Die Polizei muss gewalttätige Pro-Hamas-Schläger wie „Braunhemden“ behandeln. Die palästinensische Flagge, die jetzt als Zeichen der Unterstützung für die Hamas gehisst wird, sollte wie ein Hakenkreuz angesehen werden. Ihre Ziele sind die gleichen: Völkermord an den Juden und imperialistische faschistische Herrschaft.
In seinem Brief an die Nachwelt schrieb mein Großvater Henryk Arfa, ein polnisch-jüdischer Auschwitz-Überlebender, er glaube, die Nazis hätten gestoppt werden können, wenn sich die Polen mit den Juden zusammengetan hätten. Aber zu viele Polen hatten zu viel kleinlichen Hass auf die Juden, um mit ihnen und für sie zu kämpfen.
„Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!“
„Beide Parteien, die Juden und die Polen, hatten genug Zeit, einen Weg zu finden, um Juden zu verstecken und einen Widerstand gegen Nazi-Deutschland zu organisieren und der militärischen Drohgebärde von NS-Deutschland Schaden zuzufügen: indem sich Partisanen und kleine militärische Gruppen über das gesamte Gebiet Polens und Deutschlands verteilen und die Ausbreitung der deutschen Armee eindämmen. Eine Hinrichtung für eine Hinrichtung. Eine Erschießung für eine Erschießung. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!
Die Deutschen sind Feiglinge. Sie sind keine Helden. Sie haben Angst, wie alle anderen in einer bedrängten Situation. Aber die Deutschen hatten Glück. Sie sind auf keinerlei Widerstand gestoßen. Gemeinsam hätten Juden und Polen in kleinen Gruppen militärische Einrichtungen, Kasernen, Gaswerke angreifen sollen und können, um alles in Brand zu setzen, was in Deutschland brennen konnte. Zehntausend Flammen auf einen Schlag, und dann am nächsten Tag genauso, wieder und wieder. Man hätte die Deutschen nicht frei auf den Straßen herumlaufen lassen dürfen, sondern jedes Haus in Polen und jede Wohnung mit Maschinengewehren, Handfeuerwaffen, Granaten und Sprengstoff bewaffnen sollen. Die Juden in Polen hatten keine Wahl: Sie konnten nur kämpfen oder sterben.
Aber die törichten Polen töteten lieber die Juden, ihre eigenen unglücklichen, unbewaffneten Bürger, anstatt sie zu schützen. Was für ein verräterisches Volk, und die Polen sind einfach dumm.“
Natürlich ist die Analogie zur heutigen Situation in Deutschland nicht eins zu eins. Aber die deutsche Gesellschaft läuft Gefahr, von islamischen Radikalen „besetzt“ zu werden, wenn sie nicht an der Seite des jüdischen Volkes steht und die pro-nationalsozialistischen Gruppierungen bekämpft, die darauf lauern, zuerst die Juden und schließlich die gesamte deutsche Gesellschaft zu schikanieren. Deutschland muss seine innere Zerrissenheit und vielleicht seinen latenten Antisemitismus in allen Teilen der Gesellschaft überwinden, um Pogrome auf seinen Straßen zu verhindern. Wie mein Großvater sagt: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!“
Orit Arfa ist eine amerikanisch-israelische Journalistin und Autorin mit Sitz in Berlin. Sie berichtet über die israelische Gesellschaft und die jüdische Welt für eine Reihe von Publikationen, darunter Jewish News Syndicate, The Jerusalem Post und das Jewish Journal of Los Angeles. Ihr zweiter Roman, Underskin, ist ein deutsch-jüdischer Liebesroman. Sie hat einen Master-Abschluss in Bibel und jüdischem Denken vom Jewish Theological Seminary und studiert derzeit auf das Rabbinat hin.