Gastautor / 19.09.2019 / 12:00 / Foto: Medvedev / 84 / Seite ausdrucken

Blackout: Deutschlands schwarzer Schwan (1)

Von Edgar Timm.

Hunderttausende haben den Thriller „Blackout“ von M. Elsberg gelesen.

Fast unbekannt ist dagegen die 136 Seiten starke "Drucksache des Bundestages Nr. 17/5672 vom 27.04.2011 (Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung)".

Dieses Ergebnis einer großangelegten wissenschaftlichen Studie ist viel erschreckender. Sie entstand im Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag unter Mitwirkung zahlreicher Wissenschaftler und wurde im Mai 2011 im zuständige Ausschuss (nicht jedoch im Parlament) diskutiert. Vielen Volksvertretern dürften daher die möglichen Folgen eines überhasteten Ausstiegs aus der konventionellen Elektrizitätsversorgung nicht bekannt sein. Das nachfolgende Szenario beschreibt die Auswirkungen eines landesweiten Blackouts auf unser tägliches Leben – auf unsere Zivilisation. Zur Einstimmung das Fazit der Studie:

„Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden. Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht „beherrschbar“, allenfalls zu mildern …“ (S. 16 der o.g. Drucksache)

Zunächst ein paar Fakten. Fakt ist, dass die Sonne in den Wintermonaten in Europa ungefähr zwischen 15 Uhr (Warschau) und 18 Uhr (Cadiz) untergeht. Fakt ist ebenfalls, dass die Sonne in Deutschland im Juni auf ca. 60° steht, im Dezember jedoch nur auf ca. 10° – Solarstrom steht uns deshalb gerade dann nicht zur Verfügung, wenn der Stromverbrauch am größten ist.

Eine Studie der Energy Brainpool GmbH & Co. KG im Auftrag der Greenpeace Energy eG. aus dem Jahre 2017 fasst zusammen: „Bei der Analyse der Wetterjahre 2006 bis 2016 zeigte sich in jedem zweiten Jahr mindestens eine zweiwöchige Phase mit einer ähnlich angespannten Situation wie in den 14 Tagen vom 23. Januar bis 6. Februar 2006, der als Extremfall einer kalten Dunkelflaute gilt.“ Seinerzeit traten zahlreiche Frost- und Eistage auf. Im Bergland lag oberhalb von 500 Metern an 28 Tagen Schnee. In Ostbayern und im nördlichen Mittelgebirgsraum hat es an mindestens 20 Tagen gefroren. In Oberstdorf im Allgäu lagen die Tiefstwerte um den 12. Februar zwischen minus 20 und minus 22 Grad. 

Im Januar 2017 mussten rund 26.000 Windkraftanlagen und mehr als 1,2 Millionen Solaranlagen wegen einer "Dunkelflaute" ihre Arbeit für lange Zeit einstellen. „Ein für diese Jahreszeit typisches Hochdruckgebiet sorgte für zehntägige Windstille und Nebel – während zugleich der Strombedarf in Deutschland stark anstieg, weil es ziemlich kalt war." (Welt, 06.02.2017). Am 24. Januar 2017 deckten die Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke mehr als 90 Prozent des deutschen Strombedarfs – und an fast allen anderen Tagen zwischen dem 16. und dem 26. Januar war es sehr ähnlich. Biomasse- und Wasserkraftwerke lieferten etwa 10 Prozent des Bedarfs.

Ein kalter Winter macht nicht an einer deutschen Grenze halt

Das Defizit wurde durch "Atomstrom" aus Frankreich, „Kohlestrom“ aus Polen und weiteren Quellen anderer europäischer Anbieter gedeckt. Der BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. bemerkt dazu: „Die Zeiten, in denen sehr viel Strom nachgefragt werde, sind in Mitteleuropa nahezu deckungsgleich. Ist die Stromnachfrage in Deutschland hoch, sei dies in der Regel auch in den angrenzenden Staaten der Fall. Ein besonders kalter Winter mache nicht an einer deutschen Grenze halt. Und die stromintensiven Werktage seien in Europa auch identisch“. Ausländische Reservekraftwerke werden jedoch auch deshalb zukünftig nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung stehen, weil in vielen Nachbarländern wegen der günstigen Strompreise elektrisch geheizt und neuerdings auch die E-Mobilität gefördert wird. Doch das Konzept „Strom 2030“ der Bundesregierung setzt unverdrossen auf Stromimporte, die die Versorgungssicherheit absichern sollen. Immerhin wird konzidiert, „dass bei einem zusätzlich angenommenen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung die berücksichtigten Zubauten an Grenzkuppelkapazitäten nicht ausreichen, um die Versorgungssicherheit während der kalten Dunkelflaute zu gewährleisten.“

Im Jahr 2018 ist laut Agora Energiewende „zwar keine längere kalte Dunkelflaute aufgetreten, allerdings hat es von Mitte Februar bis Anfang März eine Periode mit Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius gegeben, in die auch eine sechstägige (17. bis 23. Februar) Phase gefallen ist, in der nur in geringem Umfang Strom aus Erneuerbaren Energien in das Netz eingespeist worden konnte ...“ Und „im ersten Quartal 2019 war das Wetter teilweise sehr schön. Schönes Wetter aber ist der Feind der Windstromerzeugung. Zwar scheint verstärkt die Sonne. Die aber ist im Winter schwach und kann den fehlenden Windstrom nicht ausgleichen. Am 10.1.2019 fiel die Netzfrequenz unter die benötigten 50 Hertz. In der Folge mussten große Stromverbraucher, zum Beispiel Aluhütten, vom Netz genommen werden, damit der bevorstehende Blackout in Europa verhindert werden konnte.“ (Rüdiger Stobbe am 09.04.2019: Woher kommt der Strom? 13. Woche und ein Beinahe-Blackout).

Wir sehen also, dass eine „kalte Dunkelflaute“ nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist – das sollte auch den Mitgliedern des Deutschen Bundestages bekannt sein, denn die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages berichten am 31. Januar 2019 zum Thema „Sicherstellung der Stromversorgung bei Dunkelflauten“. 

Innovative Speicher, die eine Flaute von mindestens 2 Wochen überbrücken könnten, stehen nicht zur Verfügung – sie müssen noch entwickelt, geplant, getestet, genehmigt, gebaut und bezahlt (!) werden. Das wird noch Jahrzehnte dauern. Der Greenpeace-Traum, bereits im Jahr 2040 eine zu 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung auch während der kalten Dunkelflaute zu gewährleisten, indem Gaskraftwerke als für die Versorgungssicherheit notwendige flexible Erzeugungskapazität ausschließlich aus erneuerbaren Energien gewonnenes Gas verbrennen, erscheint anspruchsvoll, denn 20 Prozent der eingebrachten Energie gehen bei der Umwandlung in Wasserstoff durch Abwärme verloren. Die Herstellung von synthetischem Methan kostet ein weiteres Fünftel. Verstromt man das synthetische Gas wieder, bleiben nur 40 Prozent der ursprünglichen Energiemenge übrig. 

In den frühen Abendstunden eines Werktages im Dezember...

Wie wirkt sich das alles auf unser tägliches Leben aus – und was hat das mit Europa zu tun? Natürlich kann der genaue Zeitpunkt für einen umfassenden Stromausfall nicht prognostiziert werden. Aufgrund der oben genannten Fakten ist es jedoch wahrscheinlich, dass wir dieses Phänomen in den frühen Abendstunden eines Werktages im Dezember, Januar oder Februar erleben werden. Wenn wir Glück haben, steht zu dieser Zeit ein Vollmond am unbewölkten Himmel – ansonsten ist es „zappenduster“ – wie zum Beispiel am 15.12.2020, wenn nur 0,1 Prozent der sichtbaren Mondoberfläche das Sonnenlicht reflektieren werden. Leider wird sich dieses Ereignis nicht darauf beschränken, dass kein Strom mehr aus unseren Steckdosen kommt, Fernseher und PC streiken, Föhn und Kaffeemaschine ihren Dienst verweigern und wir beim Candle-Light-Dinner Schmalzstullen verzehren müssen. Einschneidender werden andere Folgen sein:

Fernzüge und U-Bahnen werden in Tunneln und Fahrstühle zwischen zwei Stockwerken steckenbleiben. Büros und Einkaufszentren werden statt hell erleuchtet in Finsternis gehüllt sein. Auch die Straßenbeleuchtung und Verkehrsampeln fallen aus. Auf den Straßen herrscht Chaos – nicht nur private PKW, sondern auch Busse und Taxis stecken fest, und der schnellste Weg nach Hause dürfte häufig der Fußmarsch sein. Allerdings: Das einzige Licht liefern die Scheinwerfer von Fahrzeugen – das heißt, entweder man huscht zwischen zwei Autos über die Straße oder man stolpert durch die Dunkelheit und landet gelegentlich in der Horizontalen. Radfahrer erkennen trotz moderner LED-Scheinwerfer vor ihnen befindliche Hindernisse nicht rechtzeitig und stürzen. Eltern können ihre Kinder nicht von der Kita abholen – der Versuch, dort anzurufen, scheitert, weil der Router der Kita mangels Strom auch die „Voice-over-IP“-Festnetzgespräche nicht mehr annehmen kann.

Zu Hause angekommen, können wir noch genau einmal das WC benutzen, denn die Pumpen in den Wasserwerken werden elektrisch angetrieben. Ohne Notstromaggregate verweigern auch sie den Dienst – und ohne Druck in den Leitungen kann in den Wasserkasten nichts nachlaufen.

Am nächsten Morgen stellen wir fest, das noch immer kein Strom da ist. Die Wohnung ist dunkel, das Radio bleibt stumm, WC und Dusche funktionieren noch immer nicht und es ist merklich kühler als sonst um diese Tageszeit, denn die Heizung ist ebenfalls ausgefallen. Die Straßen sind noch immer dunkel und die Fahrspuren durch E-Mobile blockiert, in denen die Fahrer mit laufender Heizung die Nacht verbracht haben.

Der Versuch, zur Arbeit, in die Schule oder zur Universität zu gelangen, schlägt fehl. Elektrisch betriebene Bahnen fahren nicht, und auch der Busverkehr ruht, da die Benzinpumpen in den Depots ihren Dienst verweigern. Natürlich können wir niemanden per Mail oder Telefon über unser Fernbleiben benachrichtigen.

Den zweiten Teil dieses Beitrages finden Sie hier.

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Leserpost

netiquette:

B.Klebelsberg / 19.09.2019

Die Antwort der Grünen Ingenieure und Physik Checker auf einen solchen Vorfall lautet natürlich: Wir haben es ja schon immer gesagt, viel zu wenig Solar- und Windkraftanlagen. Und wenn dann noch die Kohle die Netze verstopft, klar dass das schief geht.

Klaus Peter / 19.09.2019

Fürs Kreuz an der richtigen Stelle machen bei der nächsten Wahl benötigt man aber kein Strom, oder?

Arno Schmied / 19.09.2019

Bereits 10-14 Tage Blackout führt zu einem volkswirtschaftlichen Schaden, der in einem Jahr nicht wieder behoben werden kann. Bereits nach 1-2 Tagem beginnen Plünderungen, und zwar nicht von UHD Fernsehgeräten, sondern von so simplen Sachen wie Flaschenwasser und Nahrungsmitteln. Wer dann noch glaubt, das sei unzivilisiert, steht dann am dritten Tag, wenn der Hunger / Durst allzusehr nagt, vor leeren Regalen in den bereits geplünderten Geschäften. Oder kann sich aufgetautes / verdorbenes Zeug aus den Tiefkühltruhen besorgen. Und dann, wenn man nichts hat außer Hunger, der Nachbar aber auf Konserven und Getränken sitzt, dann geht man den mal besuchen und bittet erstmal gewaltfrei um Partizipation. Und Hunger macht agressiv. Also bildet man Zweckgemeinschaften gegen marodierende, plündernde Horden. Eine interessante Zeit wird das. Ein paar Dosen Ravioli im Keller, etwas Feuerholz, 11kg Gasflasche und vor allem viel Wasser können einen eine gute Woche überleben lassen. Und etwas zum Verteidigen.

Solveig Brandstätter / 19.09.2019

Ein völlig sinnfreies Ziel, absolut untaugliche Mittel, dieses zu erreichen und dementsprechend desaströse Resultate - das ist Bilanz der die toitschen “Energiewende”. Aber eine Mehrheit der Menschen in diesem Lande ist offenbar unverändert der Ansicht, auf dem richtigen Weg zu sein, als leuchtendes Vorbild für den doofen Rest der Welt dienen und damit die (national-) sozialistische Erbschuld aus der Zeit von 33 bis 45 abtragen zu können. Weiter so! verkündet deshalb bis zum Augenblick noch jede Wahlentscheidung. Die Perspektive stellt sich, frei nach Mark Twain, mithin so dar: “Nachdem wir das Ziel endgültig aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.” Und wer da nicht mittun will, der sollte - tja, wer hatte das seinen Mitbürgern doch neulich gleich nahegelegt? - Deutschland verlassen: Nazis raus!

Karsten Paulsen / 19.09.2019

Noch habe ich ein kleines Sony Radio, was mit zwei Mignozellen wochenlang durchhält, zum Glück einen Kaminofen und ca. 100 Ah 12Volt Akku, stets geladen. Kerzen und Streichölzer halte ich immer auf Vorrat. Irgendwann ist das aber auch auf.

beat schaller / 19.09.2019

Es muss endlich sowas passieren und zwar grossflächig, zwei Bundesländer weit mindestens und minimal 2 bis 3 Wochen. So könnte vielleicht ein umdenken und Anpacken noch erreicht werden. Aber, auch das ist wohl nur eine Hoffnung. Selbsternährer sind in unseren Regionen eher selten und Einsiedler, die im Berg oben alleine leben auch. Heilsam wäre das bestimmt und darum hoffe ich, dass es bald einmal passiert, weil bereits heute jedem Fachmann klar ist, dass der Scheitelpunkt überschritten ist. b.schaller

Dr. Freund / 19.09.2019

Erst kommt der Blackout im Kopf. Morgen ist wieder Frei-vom-Denken Tag.,Gretl ruft. Bald wird es dann zappenduster, wie im Hirn der “Weltretter”. Verdunkelung kam schon mal vor dem Zusammenbruch.                                  

Sabine Ehrke / 19.09.2019

...und mal ganz abgesehen davon, dass die im Dunkeln zurückbleibenden Bürger ganz brav zu Hause oder sonst wo warten, bis die Steckdose wieder Strom liefert? Spätestens nach 42 Stunden sollte jeder klar denkende Mensch die Straßen meiden, sich und die seinen schützen. Schon mal die Nachbarschaft abgeklopft, wie es gemeinsam gehen könnte? Ich jedenfalls bin immer wieder erstaunt über das Nichtvorhandensein von Vorräten, für Mensch und Haustier.

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